Dass der Große Preis von Japan 2016 zu solch einem Triumphzug für Marc Marquez werden sollte, hatte der Honda-Pilot selbst am wenigsten erwartet.
Er holte nicht nur seinen ersten Sieg auf dem Twin Ring Motegi in der Königsklasse, sondern auch den vorzeitigen MotoGP-Titel. Mit 23 Jahren ist Marquez damit der jüngste Fahrer in der Geschichte mit fünf WM-Titeln. „Als ich heute Morgen aufgestanden bin, habe ich mich ganz normal gefühlt. Ich dachte, es wäre unmöglich, die WM hier zu gewinnen“, so Marquez.
Und vielleicht war es gerade das, was dem Spanier zum unverhofften vorzeitigen Titelgewinn verhalf. Denn in keiner Saison hat er das Credo „In der Ruhe liegt die Kraft“ so sehr beherzigt wie in diesem Jahr – das gilt auch für Motegi: „Ich bin das Rennen zu Beginn eher ruhig angegangen. Valentino (Rossi; Anm. d. R.) hat dann ein paar Mal versucht, mich auszubremsen. Ich wollte diesen Kampf nicht, also musste ich weg und habe gepusht, um ihn zu überholen“, beschreibt Marquez die Anfangsphase.
Er hatte bereits nach wenigen Runden die Führung übernommen, während Yamaha-Pilot Rossi und Teamkollege Jorge Lorenzo noch die Hoffnung hatten, den Spanier wieder einholen zu können. „Dann habe ich für fünf Runden das Maximum gegeben und konnte einen Abstand herausfahren, auch weil Valentino einen Fehler gemacht hat“, erklärt Marquez weiter. „Als ich gesehen habe, dass er ausgefallen ist, bin ich auf Sieg gefahren. Ich hatte einen guten Rhythmus, habe mich mit dem Motorrad wirklich gut gefühlt.“
Marc Marquez: „Ich wusste gar nicht mehr, wo ich bin“
So führte der Spanier das Rennen durchgehend an und baute seinen Vorsprung von Runde zu Runde aus. Als sich mit Lorenzo dann auch noch der letzte WM-Verfolger aus dem Rennen verabschiedete, brachen alle Dämme: „Ich habe kurzzeitig alles um mich vergessen. Ich habe die Gänge ein paar Mal verpasst, ich wusste gar nicht mehr richtig, wo ich bin. Es war schwer, sich zu konzentrieren“, gibt der neue Weltmeister zu. Denn ihm war klar, dass er sich in Motegi mit einem Sieg zum vorzeitigen Champion krönen konnte.
„Es ist etwas Besonderes, in Motegi zu gewinnen. Es ist mein erster Sieg hier in der MotoGP – vor den Augen des Chefs. Das ist natürlich auch wichtig“, schmunzelt der 23-Jährige. Den Titel widmete er seiner in diesem Jahr verstorbenen Großmutter: „Sie hat immer gesagt: Sei vorsichtig, aber denk immer daran, dass nichts unmöglich ist, also bleib am Ball. Sie wäre sehr glücklich über diesen Erfolg.“ Und auch Marquez selbst weiß diesen Weltmeistertitel ganz besonders zu schätzen, denn der Druck war groß.
„Jedes Jahr ist schwierig. Du gibst immer dein Bestes. Aber diesmal war der Druck insbesondere zu Beginn der Saison extrem hoch. Im vergangenen Jahr haben wir einige Fehler gemacht, die sollten sich nicht wiederholen. Auch das Ende der Saison war hart. Es war also mehr Druck, aber auch mehr Motivation“, erklärt der Spanier und gibt zu, dass er sich diesmal sogar mehr freue als beim Titelgewinn 2014: „Ein wahrer Champion bist du, wenn du weißt, dass du es schaffen kannst und dem Druck dann auch standhältst.“
In Geduld üben: So gelang Marquez der MotoGP-Titel 2016
Und wie ist ihm das gelungen? Laut Marquez ist es eine Mischung aus Teamarbeit und einer etwas anderen Mentalität als zuvor. Dabei zieht er den Vergleich zur Vorsaison: „Ich musste einen hohen Preis zahlen, um zu lernen, dass man Rennen anders angehen kann. Die Konstanz ist entscheidend. Natürlich musst du auch etwas riskieren, aber in diesem Jahr war ich geduldiger. In den Trainings bin ich häufiger gestürzt, dort habe ich versucht, das Limit zu finden. Im Rennen ging es darum, dieses Limit zu spüren.“
Statt wie in der Vergangenheit auf Teufel komm raus um den Sieg zu kämpfen, gab sich Marquez mit zweiten und dritten Plätzen zufrieden – auch wenn er gesteht, zwischendurch gezweifelt zu haben: „Nach dem Sieg in Deutschland kamen wir aus der Sommerpause und ich stand ein paar Mal auf dem Podium, mal aber auch nicht. Da wurde ich schon ein wenig nervös. Aber mein Team hat mich beruhigt und dann kam endlich Aragon. Da wusste ich, dass die Zeit reif ist, wieder zu gewinnen. Das war ein Schlüsselmoment.“
Die Crew sei dabei nicht nur aus technischer, sondern vor allem mentaler Sicht eine große Stütze gewesen, betont Marquez: „Manchmal meinte mein Team: ‚Lächle, du bist nicht mehr derselbe Marc!‘ Hin und wieder habe ich vergessen, es zu genießen, weil der Druck zu hoch war. Aber nach dem ersten, zweiten Sieg wurde es besser. Das Team war eine große Hilfe. Mit ihnen zusammen zu sitzen, gemeinsam zu essen, hat mir geholfen, den Druck zu vergessen. Wichtig war auch, die anderen Fahrer zu vergessen.“
Marquez lobt Teamarbeit – Bike viel konkurrenzfähiger
Mit diesem Fokus und guten Testergebnissen aus Aragon gelang ihm schließlich auch der Motegi-Coup. In der Heimat hatte der Honda-Pilot für das nächste Jahr getestet, aber auch weitere Optimierungen am aktuellen Motorrad vorgenommen. „Ich bin mehr als 120 Runden gefahren, vor allem Longruns. Mit der Elektronik haben wir einiges ausprobiert, das hat gut funktioniert. Bei der Beschleunigung verlieren wir noch immer ein wenig. Aber auf der Bremse sind wir stark, das gibt Selbstvertrauen.“
Überhaupt habe sich das Bike in der zweiten Saisonhälfte deutlich verbessert und sei jetzt konkurrenzfähig. Für die verbleibenden Rennen kann Marquez also aus dem Vollen schöpfen und ohne den Druck der WM auch wieder aggressiver angreifen, um seine bis dato fünf Saisonsiege noch etwas aufzustocken. Zuvor soll aber noch gefeiert werden, auch wenn man auf eine große Fete gar nicht vorbereitet sei, aber: „Die beste Party gibt es ohnehin dann, wenn du es am wenigsten erwartest.“
Text von Juliane Ziegengeist
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