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© LAT – Jorge Lorenzo hat bei Honda viel Porzellan zerschlagen

(Motorsport-Total.com) – Jorge Lorenzo hat im MotoGP-Fahrerlager einen Dominoeffekt ausgelöst, indem er sich Ducati angeboten hat.

Das hat auch bei Jack Miller und Andrea Dovizioso einen Beigeschmack bezüglich ihrer eigenen Zukunft hinterlassen. So wie es in jeder Beziehung der Fall ist, wenn eine Person mit einer dritten Person flirtet, hinterlässt das einen langfristigen Schaden. Vor allem was das gegenseitige Vertrauen betrifft.

Dieser Eindruck ist am vergangenen Wochenende auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg entstanden. Der Kontakt zwischen Ducati und Lorenzo hat weite Kreise gezogen. Nicht nur Honda und Miller haben das gespürt, sondern auch einige andere Personen. Es ist hinlänglich bekannt, dass Lorenzo schon als Bub davon geträumt hat, eines Tages die Farben von Repsol-Honda zu tragen.

Doch dieser Traum hat sich zu seinem schlimmsten Albtraum entwickelt. Und die Zukunft sieht auch mehr als steinig aus. Lorenzo hat sich Ende Juni bei einem Sturz in Assen im ersten Training zwei Wirbel verletzt. Vier Rennen hat er deshalb auslassen müssen. Laut derzeitigem Plan soll er Ende August in Silverstone zurückkehren. Erst dann werden wir seine Version der Geschehnisse rund um den Kontakt mit Ducati und einem möglichen Platz bei Pramac hören.

Jack Miller wurde von Ducati hingehalten
Für diesen Wechsel hätte er seinen bestehenden Honda-Vertrag, der bis Ende 2020 läuft, brechen müssen. Ein Besuch von HRC-Präsident Yoshishige Nomura in Spielberg sorgte für eine Reaktion von Lorenzo. Freitagabend erreichte Honda-Teamchef Alberto Puig die Nachricht, dass sich Lorenzo für einen Verbleib entschieden hat. Trotzdem haben diese Ereignisse bei Honda, Ducati und Pramac einige Narben hinterlassen, denn Pramac wurde von Ducati als Druckmittel benutzt.

Eigentlich hätte Miller den neuen Vertrag schon auf dem Sachsenring unterschrieben sollen. Ducati hat das aber bewusst verzögert, denn man wusste von Lorenzos Interesse. In Spielberg sprach Miller erstmals öffentlich davon und war wenig begeistert. „Es ist normal, dass er sehr verärgert ist“, sagt uns eine Quelle aus dem Pramac-Team. „Es ist auch normal, dass er jetzt versucht hat, mehr herauszuschlagen. Was mit ihm passiert ist, ist nicht normal.“

Schließlich haben Ducati und Pramac Anfang der Woche doch die Vertragsunterzeichung mit Miller bekannt gegeben. Der größte Verlierer dieser ganzen Geschichte wird dennoch Lorenzo sein. In Silverstone wird er den Flirt mit Ducati und Pramac den versammelten Journalisten erklären müssen. Man darf gespannt sein, wie der dreimalige MotoGP-Weltmeister reagieren wird. Denn eines ist klar: Hinter den Kulissen muss viel zerborstenes Porzellan gefegt werden.

Jorge Lorenzo hat das Vertrauen im Honda-Team verspielt
Eine dem Honda-Team nahestehende Quelle verriet auf dem Red-Bull-Ring ‚Motorsport-Total.com‘, dass der Graben zwischen Lorenzo und dem derzeitigen Teammanagement schwer zu kitten sein wird. „Honda weiß jetzt, dass er weg wollte und dass er wahrscheinlich 2021 woanders sein wird“, sagte die Quelle. „Das wird Auswirkungen haben, denn es ist ohnehin schon schwierig, sich in diesem Team Vertrauen aufzubauen. Aber wenn man so etwas macht …“

Was wird das nun konkret bedeuten? Lorenzos Stimme wird bestimmt an Gewicht verlieren, wenn es um die Entwicklung des Motorrades geht und welche Teile getestet werden müssen. Seine Anpassung an das Motorrad wird sich noch schwieriger gestalten. Man darf nicht vergessen, dass es noch nicht lange her ist, als Lorenzo zu Honda nach Japan geflogen ist, um drei Tage lang an der Sitzposition und Ergonomie zu arbeiten, damit er sich wohlfühlt und seine Bestform abrufen kann.

Aber selbst wenn es Lorenzo geschafft hat, zwei Parteien vor den Kopf zu stoßen, dann hat es Ducati sogar mit drei Parteien gemacht. Da sind einerseits die beiden Fahrer Dovizioso und Miller und andererseits Pramac. Das Team ist der wichtigste Partner für Ducati im Fahrerlager und ein starker Verbündeter, um die Vormachtstellung von Marc Marquez zu brechen. Das Spielberg-Wochenende hat einige Unstimmigkeiten in der Ducati-Box zum Vorschein gebracht, die am Sonntag vom sensationellen Sieg überlagert wurden.

Ducati-Bosse stehen nicht hinter Andrea Dovizioso
Überraschend an den Unstimmigkeiten im roten Team ist, dass nicht alle mit der Lorenzo-Geschichte zusammenhängen. Die ersten Anzeichen gab es schon vor der Sommerpause. Nach dem Grand Prix von Deutschland auf dem Sachsenring hatte Dovizioso festgehalten, dass das Motorrad nicht jene Ziele erfüllt, die man sich gesteckt hat, als er im Vorjahr seinen Vertrag verlängert hat. Ein Punkt ist das immer noch schwierige Turning-Verhalten im Vergleich zur Konkurrenz.

Diese Kritik kam bei Ducati CEO Claudio Domenicali und Technikguru Gigi Dall’Igna gar nicht gut an. 2017 war Dall’Igna die treibende Kraft hinter der Verpflichtung von Lorenzo gewesen. Seither hat er Lorenzos Wunsch, Honda zu verlassen, als Druckmittel gegen Dovizioso verwendet. Und auch Domenicali war nun wieder offen für eine Rückkehr Lorenzos, obwohl er im Vorjahr entschieden hat, dessen Vertrag nicht zu verlängern.

Man kann sich damit ungefähr vorstellen, welche Auswirkungen Doviziosos Kritik nach dem Sachsenring gehabt hat. Dovizioso und Lorenzo haben sich als Teamkollegen nie wirklich gut verstanden. Das wurde am vergangenen Sonntag wieder offensichtlich, als Dovizioso gesagt hat: „Es ist mir egal, ob darüber diskutiert wird, ob ich ein Champion bin oder nicht. Ich bin nicht jemand, der das auf seinen Helm schreiben muss.“ Eine klare Anspielung auf Lorenzo.

Trotzdem waren sowohl Dall’Igna als auch Domenicali bereit, Dovizioso zu irritieren, indem sie über eine Rückkehr von Lorenzo diskutiert haben. Aber Dovizioso hat auf der Strecke zurückgeschlagen. Mit seinem sensationellen Überholmanöver in der letzten Kurve der letzten Runde und dem Sieg gegen Marquez hat er dem Plan der Ducati-Manager einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie sich die Situation innerhalb Ducatis weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Text von Oriol Puigdemont

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