Lukas Tulovic - © IntactGP SWobser

© IntactGP SWobser – Dreimal hat Lukas Tulovic in dieser Saison WM-Punkte gesammelt

(Motorsport-Total.com) – Mit dem Gewinn der Moto2-Europameisterschaft 2022 hat sich Lukas Tulovic eine zweite Chance in der Moto2-Weltmeisterschaft erarbeitet. Im IntactGP-Team trat der Deutsche die Nachfolge seines Landsmanns Marcel Schrötter an. Während Tulovic im Vorjahr die EM dominierte, läuft es bei seiner Rückkehr in die WM deutlich schwieriger.

Direkte Vergleiche auf Strecken wie beispielsweise Jerez oder Barcelona sind aber schwierig zu ziehen. „Ich gebe natürlich mein Bestes und fühle mich in der Regel mehr am Limit als im Vorjahr“, sagt Tulovic im Gespräch mit Motorsport-Total.com.

„Vom Gefühl her habe ich fahrerisch einen Fortschritt gemacht. Der Saisonstart war natürlich ärgerlich“, denkt der 23-Jährige an eine Verletzung des rechten Handgelenks zurück. Deshalb musste er das Portugal-Wochenende abbrechen und konnte auch in Argentinien nicht starten.

„Anschließend kamen Strecken, die ich gut kannte. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt gab es eine gute Steigerung. Mit dem elften Platz in Le Mans war ich ziemlich happy. Danach war eine schwere Phase. Mugello, Sachsenring und Assen liefen nicht gut.“

„Auch nach der Sommerpause habe ich mich schwergetan. Es ist etwas stagniert. Der weitere Fortschritt, den ich erhofft und mir vorgenommen hatte, ist nicht gekommen. Momentan fehlt das gewisse Etwas, um den nächsten Schritt zu schaffen, um konstant in den Top 10 zu fahren.“

Zweimal schaffte Tulovic bisher den Q2-Einzug (Le Mans und Spielberg). Dreimal sammelte er WM-Punkte. Das waren Platz 15 in Jerez, Rang elf in Le Mans und Position zehn in Spielberg. Oft hat er am Freitag Rückstand, den er im Verlaufe des Wochenendes schrittweise etwas reduziert.

Suche nach Set-up und Gefühl am Freitag
In der Moto2-EM gibt es am Donnerstag und Freitag viel mehr Streckenzeit, um auf Speed zu kommen, während man in der Moto2-WM praktisch ab dem ersten Freitagstraining am Limit sein muss. Laut IntactGP-Teamchef Jürgen Lingg tut sich Tulovic damit noch schwer.

„Ja, das stimmt durchaus“, findet der Rennfahrer auch selbst. „Dazu kommt, dass wir viel am Set-up arbeiten. Oftmals sind wir früh am Wochenende noch nicht bei der funktionierenden Basis. Da tue ich mir zusätzlich schwer, wenn ich noch kein gutes Gefühl für das Motorrad habe.“

„Ich denke, viele Fahrer in der Spitze haben eine gute Basisabstimmung, die sie nur wenig modifizieren. Wir arbeiten noch in einem deutlich größeren Fenster. Da kann es sein, dass es am Anfang des Wochenendes noch nicht so gut funktioniert. Ich denke, das spielt auch mit rein.“

Das Niveau in der Moto2-Klasse ist extrem hoch. Wenn Tulovic je nach Strecke drei bis fünf Zehntelsekunden finden würde, könnte ihn das von außerhalb der Top 15 in die Top 10 katapultieren. Nuancen entscheiden.

„Auf jeder Strecke ist es anders. Manchmal fehlt es auf der Bremse, dann wieder das Gefühl für das Vorderrad oder der Grip. Generell zieht es sich durch, dass ein bisschen was fehlt. Wir wollen näher an die Spitze ran, sei es im Qualifying oder bei der Gesamtzeit im Rennen.“

Saison von IntactGP auch von viel Pech geprägt
In Barcelona zeigte Tulovic einen guten Speed. Aber durch eine Berührung in der ersten Runde mit seinem Teamkollegen Senna Agius, der Darryn Binder vertrat, fiel Tulovic weit zurück. Seine Rennpace war anschließend gut genug für WM-Punkte. Aber er führte eine Gruppe ab Platz 19 an.

Zuletzt in Misano hielt er Platz 16, aber in der letzte Runde kam es in Curvone zu einem Unfall mit Izan Guevara, der an dieser schnellen Stelle ein Überholmanöver probiert hatte. Zum Glück blieben beide Fahrer unverletzt, denn eine weitere Verletzung wäre für das IntactGP-Team bitter gewesen.

Binder musste nach seinem Sturz in Österreich schon eine zweite Verletzungspause in diesem Jahr einlegen. Beide Intact-Fahrer konnten sich in dieser Saison deshalb kaum gegenseitig pushen und unterstützen, um gemeinsam die nächsten Schritte vorwärts zu machen.

„Wir verstehen uns echt super“, sagt Tulovic zum Verhältnis mit Binder. „Es ist schade, dass das gesamte Team in diesem Jahr so viel Pech hatte. Bei mir direkt die Verletzung, dann bei ihm und jetzt wieder. Er wurde oft abgeräumt, ich habe es manchmal selbst verbockt.“

„Es waren viele Ausfälle und Verletzungen – blöder hätte es eigentlich nicht laufen können. Wenn man eine saubere Saison hat, alles aufbauen und sich gegenseitig austauschen kann, dann wäre es sicherlich ein hilfreicher Input.“

Fahrerisch und mental seit Kiefer-Jahr 2019 gereift
Binder wird bei der anstehenden Indien-Premiere sein Comeback versuchen. Die Strecke ist für alle Neuland. Die restlichen Rennen der Übersee-Tour kennt Tulovic mit Ausnahme von Indonesien von seinem Jahr mit dem Kiefer-Team 2019.

Seit damals hat er sich als Fahrer weiterentwickelt. Neben der Moto2-EM war Tulovic auch in der MotoE am Start und konnte in der Elektrorennserie auch ein Rennen (Spielberg 2021) gewinnen. Auch mental ist der 23-Jährige seit 2019 stärker geworden.

Denn nach dem Aus des Kiefer-Teams stand auch die komplette weitere Rennkarriere von Tulovic auf der Kippe. „Als ich hab Mitte der Saison wusste, dass es das war, war es mental dann auch hart“, blickt er auf den Herbst vor vier Jahren zurück. „In der Hinsicht bin ich definitiv gereift.“

„Mental habe ich mich in den vergangenen drei Jahren stark weiterentwickelt. 2020 war noch ein schwieriges Jahr, aber dann ging es wieder bergauf. In den vergangenen beiden Jahren im Juniorenteam bei Intact habe ich auch fahrerisch viel lernen können.“

Verbleib bei IntactGP noch unklar
Dass er sich die zweite WM-Chance erarbeitet hat, zeigt auch seinen Kampfgeist: „Definitiv, das ist unheimlich wichtig in diesem Sport. Es gibt eigentlich wenige Phasen, in denen alles gut läuft und man die Ergebnisse und Erfolge einfährt, die man sich erhofft und vornimmt.“

„Man sieht auch in der MotoGP die harte Zeit von Marquez und Quartararo, die sich aus dieser Situation wieder rausarbeiten müssen. Man darf nie die Motivation verlieren und muss immer das große Bild sehen. Das ist enorm wichtig.“

Offen ist, ob Tulovic auch 2024 bei IntactGP fahren wird. „Deswegen ist es umso wichtiger, Gas zu geben“, meinte er in Misano zu seiner Zukunft. Bei den Überseerennen muss er beweisen, dass er den nächsten Schritt machen kann.

„Es ist das Ziel, diese Lücke zu schließen und immer näher heranzukommen, um so viele Punkte wie möglich einzufahren. Hoffentlich sind noch einige Top-10-Ergebnisse dabei, die ich mir so stark vorgenommen habe.“

Text von Gerald Dirnbeck

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