Jorge Martin - © Motorsport Images

© Motorsport Images – Jorge Martin kämpfte im langen Rennen von Katar mit stumpfen Waffen

(Motorsport-Total.com) – Noch im Sprint am Samstag war Jorge Martin der strahlende Sieger und hatte den Rückstand auf Francesco Bagnaia in der WM auf sieben Punkte halbiert.

Am Sonntag im langen Rennen der MotoGP wollte der Pramac-Pilot weitere Zähler aufholen. Stattdessen warf ihn ein schlechter Reifen nur weiter zurück.

Am Ende reichte es nur für Platz zehn, während Bagnaia sich einzig Fabio Di Giannantonio geschlagen geben musste. Damit vergrößerte er seinen Vorsprung auf 21 Punkte.

„Es ist schwer zu sagen, was passiert ist. Es scheint fast so, als hätte ich vergessen, wie man fährt“, resümiert Martin sein Rennen fast zynisch. „Man konnte es schon am Start sehen, als mein Hinterreifen durchdrehte. Das passiert normalerweise, wenn die Strecke dreckig ist oder wenn der Reifen schon viele Runden drauf hat, was beides nicht der Fall war. Man kann sich also denken, woran es lag.“

Der Spanier macht einen faulen Reifen von Michelin für seine schlechte Performance verantwortlich. Wie alle im Feld hatte auch er die harte Gummimischung am Hinterrad montiert. Doch schon am Start kam er damit nicht gut weg.

Martin: 1,2 Sekunden von der Rennpace entfernt
„Ich war der einzige Fahrer in der Startaufstellung, dem das passiert ist, über alle Klassen hinweg. Es hat also mit Sicherheit etwas nicht gestimmt mit dem Reifen“, betont Martin. Am Ende der ersten Runde lag der Titelaspirant nur an achter Stelle.

Zwar kämpfte sich der Spanier zwischenzeitlich bis auf Rang sechs vor. Doch der Zug nach vorn war für ihn schon früh abgefahren und ab Rennmitte ging es nur noch rückwärts.

„Mir war schon nach drei Runden klar, dass unmöglich sein wird, etwas Ähnliches wie gestern zu erreichen“, verrät Martin. „Gestern im Sprint bin ich 1:53er-Zeiten gefahren. Und heute war ich 1,2 Sekunden von der Rennpace entfernt. Ich weiß, dass ich schneller bin als das.“ Doch der Mangel an Hinterradgrip habe ihm keine Chance gelassen zu attackieren. „Es fühlte sich an, als wäre die Strecke nass.“

„Ich habe versucht, die Situation irgendwie zu managen, aber hatte das Gefühl, in jeder Kurve fast zu stürzen. (…) So war es schwierig, das Rennen überhaupt zu beenden. Aber ich bin stolz, dass ich zumindest das mit meiner Erfahrung geschafft habe.“

Was die Reifenperformance angeht, will der Spanier Klarheit: „Wir werden das analysieren und beim Reifenausrüster nachhaken.“ Noch habe er nicht mit Michelin gesprochen.

„Aber sie müssen das verbessern, denn es ist nicht akzeptabel, dass die MotoGP-Weltmeisterschaft durch einen Reifen entschieden wird“, mahnt der Pramac-Fahrer. „Es ist auch schon Pecco passiert, wie er gesagt hat. Mir war es bisher nicht passiert, bis heute.“

Keine konstante Qualität der Michelin-Reifen?
Tatsächlich hatte Bagnaia nach dem Sprint über ähnliche Probleme geklagt wie Martin und dahinter auch einen schlechten Reifen vermutet. Er rettete sich noch auf Platz fünf.

Über Michelin sagt Martin: „Ich glaube, sie verstehen gar nicht, was passiert ist. Ich vermute und hoffe, dass sie die Weltmeisterschaft nicht entscheiden wollen, sondern dass sie konkurrenzfähig sein und für uns alle dieselben Bedingungen schaffen wollen.“

„Aber wie gesagt, ich verlor 1,2 Sekunden auf die Pace innerhalb nur eines Tages. Und ich habe das Fahren ja nicht verlernt. Sie müssen das also analysieren und sicherstellen, dass es in Zukunft nicht mehr passiert.“ Das fordern auch andere Fahrer, denn zuletzt häuften sich Beschwerden über schlechte Reifen.

Franco Morbidelli etwa ging es am Sonntag in Katar ähnlich wie Martin. „Auf dieser Strecke war die beste Option die härteste Variante – vielleicht diejenige, von der niemand erwartet hatte, dass wir sie benutzen würden. Und ich denke, dass diese Reifen unter einer gewissen Inkonsistenz litten“, sagt der Yamaha-Pilot.

„In einem Moment funktioniert der Reifen, dann zieht man einen neuen auf und nichts geht mehr. Das ist schwer zu verstehen, aber das passiert manchmal. Heute morgen fuhr ich mit gebrauchten Reifen vom Freitag und war damit schneller als heute Nachmittag mit neuen Reifen. Man kann nicht viel machen, außer das Maximum aus dem herauszuholen, was man hat – wie Pecco gestern und Jorge heute.“

Selbst Yamaha und Honda kämpfen mit Martin
Dass bei ihm etwas nicht stimmte, wurde auch seinen Gegnern im Rennen schnell klar. „Von hinten sah so aus, als könnte er mit dem Vorderrad nicht so pushen wie sonst“, sagt etwa Martins Teamkollege Johann Zarco. „Am Kurveneingang war er recht schnell, aber dann fehlte es ihm in der Kurve an Geschwindigkeit.“

„Alle liegen so eng beisammen und fahren am Limit, und wenn es nur um Platz zwölf geht. Auch ich bin viel herumgerutscht. Das macht das Rennen natürlich umso schwerer.“

Fabio Quartararo, der auf der Yamaha sonst kein Land gegen Martin sieht, konnte ihn diesmal hinter sich lassen. Er analysiert: „Er ist nicht wie gestern gefahren. Ich weiß nicht, was das Problem war. Aber er war nicht derselbe Jorge wie gestern.“

„Er muss ein größeres Problem gehabt haben, anders ist der Unterschied zu gestern nicht zu erklären. Als ich ihn überholte, wollte ich sichergehen, kein Chaos anzurichten. Aber er hatte sichtlich mehr zu kämpfen als im Sprint. Ich war diesmal schneller, und das, obwohl ich mich schlechter fühlte als gestern.“

Auch Marc Marquez zählte zu jenen Fahrern, die Martin überholten, auch wenn er am Ende eine Position hinter ihm ins Ziel kam. „Er war langsamer als sonst, vor allem in den Kurven und der Beschleunigung“, hält er fest. „Auf der Geraden war er schnell. Aber es sah so aus, als hätte er mit dem Hinterradgrip zu kämpfen.“

Martin: Titel jetzt schwerer, aber nicht unmöglich
Dass Martin ausgerechnet in der finalen Phase des Titelkampfes ein solches Pech ereilt, ärgert ihn natürlich: „Klar bin ich frustriert, denn ich denke, dass ich diese Weltmeisterschaft genauso verdient habe. Und heute haben wir viel Boden verloren.“

„Es ist einfach schade. Ich hatte eine so tolle Saison und habe wirklich hart gearbeitet. Aber es fühlt sich so an, als hätten sie mir diese Weltmeisterschaft gestohlen. Denn vor diesem Rennen dachte ich, dass ich es schaffen könnte (den Titel zu holen; Anm. d. R.). Jetzt ist es wirklich schwierig geworden“, weiß er. Trotzdem gibt der Pramac-Pilot die Hoffnung vor dem letzten Rennwochenende nicht auf.

„Ich denke, wir können es immer noch schaffen. Valencia ist eine Strecke, die ich sehr mag und auf der ich in der Vergangenheit stark war. Und man hat heute gesehen, wie schnell es gehen kann und man Punkte aufholt oder eben verliert. Wenn ich beide Rennen gewinne, habe ich eine kleine Chance, den Titel zu holen.“

„Aber im Moment geht es darum, wie dieser Reifen meine Weltmeisterschaft beeinflusst hat. Denn ich glaube, heute wäre ich in der Lage gewesen, weitere Punkte gutzumachen.“

Text von von Juliane Ziegengeist

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