Jorge Martin führte in Misano 23 Runden lang, dann kam Enea Bastianini …

(Motorsport-Total.com) – Mit einem beinharten Manöver in der letzten Runde hat sich Ducati-Werkspilot Enea Bastianini den Sieg im Grand Prix der Emilia-Romagna in Misano gesichert.

Für Ducati, wo Bastianini im kommenden Winter von Marc Marquez abgelöst wird, war es am Sonntag der insgesamt 100. Grand-Prix-Sieg in der MotoGP-Klasse.

Eben diesen 100. Ducati-Sieg schien Pramac-Ducati-Pilot Jorge Martin schon sicher zu haben, als er es war, der in Kurve 4 der letzten Runde von Bastianini buchstäblich überrumpelt wurde. Bei dem Manöver, das sich in einer der langsamsten Kurven der Strecke zutrug, berührten sich die beiden Motorräder leicht.

Daraufhin kamen sowohl Martin als auch Bastianini für einen kurzen Moment von der Piste ab und mussten die asphaltierte Auslaufzone in Anspruch nehmen, bevor sie auf eigentliche Rennstrecke zurückkehrten und eine knappe Runde später die Zielflagge sahen.

Die Rennkommissare haben nicht nur keine Strafe gegen Bastianini ausgesprochen. Der Vorfall wurde gar nicht erst untersucht. Dazu, und zum Manöver an sich, haben Bastianini und Martin naturgemäß unterschiedliche Ansichten. Und auch Marc Marquez, der selbst kein Kind von Traurigkeit ist, klinkt sich in die Diskussion ein, wobei seine Ansicht durchaus überraschend ist.

Während Enea Bastianini den Sieg feierte, kam Jorge Martin nach 23 von 27 möglichen Führungsrunden „nur“ als Zweiter ins Ziel. Als er mit fünf Sekunden Rückstand auf den Sieger die Ziellinie kreuzte, machte Martin eine eindeutige Geste, die zeigte, wie wütend er war.

Direkt im Parc Ferme aber schüttelten sich Bastianini und Martin dann die Hände und sprachen kurz über den Zwischenfall. An den Mikrofonen von MotoGP-Promoter Dorna Sports in sowohl ihren Einzelinterviews als auch in der Pressekonferenz schildern die beiden ihre jeweilige Sicht auf Kurve 4 der letzten Runde ausführlich.

Keine Strafe gegen Bastianini: Martin zieht eigene Schlüsse
„Ich finde, da war kein Platz für dieses Manöver“, sagt Martin und weiter: „Es bringt aber nicht viel, noch weiter darüber zu sprechen, denn das wird sowieso nichts ändern. Ich hätte den Sieg sicherlich verdient gehabt.“ Nachsatz des Pramac-Piloten: „Wenn man mich schon attackiert, dann doch bitte wenigstens sauber, ohne mich zu berühren.“

In der Pressekonferenz fügt Martin hinzu: „Ich selber bin keiner, der auf so eine Art und Weise überholt. Aber ich respektiere die Entscheidung [keine Strafe auszusprechen] und schaue jetzt nach vorn.“

„Ich schätze, wir haben jetzt eine bessere Vorstellung davon, wie die Rennkommissare dazu stehen. Wenn ich es also demnächst genauso machen muss, dann wird das keine Konsequenzen haben – hoffentlich“, so Martin.

Zu seiner wütenden Geste im Moment der Zieldurchfahrt äußert sich Martin in seiner spanischsprachigen Medienrunde: „Mit dem Überholmanöver von Enea bin ich natürlich nicht glücklich. Für meine Geste aber entschuldige ich mich. Ich war in diesem Moment einfach ein bisschen geladen. Fakt ist aber auch: Ich denke nicht, dass es ein faires Überholmanöver war.“

Bastianini: „Am Limit, aber die einzige Möglichkeit“
Und wie sieht es Bastianini? Seine erste Beschreibung der rennentscheidenden Szene lautet im Einzelinterview mit der Dorna wie folgt: „In der letzten Runde habe ich in Kurve 4 eine kleine Lücke gesehen. Ich bin direkt nach innen gegangen. Weil er sehr weit herüberkam, musste ich heftiger bremsen als ich es erwartet hatte. Letzten Endes habe ich das Rennen gewonnen.“

„Es war heute sehr schwierig, an Jorge vorbeizukommen“, lobt Bastianini die starke Pace des Pramac-Piloten, der das Rennen von der vierten bis in die letzte Runde hinein angeführt hatte. Bastianini weiter: „Jorge war heute sehr stark. Wenn du aber eine Chance auf den Sieg spürst, dann musst du es probieren. Das habe ich getan. Ja, es war ein bisschen am Limit, aber es war die einzige Möglichkeit.“

In der Pressekonferenz merkt Bastianini noch an: „Drei oder vier Runden vor Schluss wollte ich ihn in Kurve 8 überholen. Das war meine erste Chance, aber Jorge hat mich wohl gehört und hat die Kurve dichtgemacht. Davon abgesehen war die einzige andere Chance die letzte Runde.“

Mit seinem Sieg nach dem Manöver in der letzten Runde hat Bastianini zum einen erstmals sein Heimrennen gewonnen. Aufgewachsen und bis heute wohnhaft ist er gerade mal 20 Kilometer vom Misano World Circuit Marco Simoncelli entfernt, nämlich in Rimini.

Gleichzeitig ist es Bastianini, nicht etwa Jorge Martin oder Francesco Bagnaia, der den insgesamt 100. MotoGP-Sieg für Ducati eingefahren hat. Mehr noch: Mit Bastianinis Misano-Sieg vom Sonntag steht Ducati in der MotoGP-Saison 2024 bereits sechs Rennwochenenden vor Schluss als Weltmeister der Herstellerwertung fest.

Über den vorzeitigen Herstellertitel für Ducati und über den 100. Ducati-Sieg aber spricht am Sonntag kaum jemand. Das Thema des Tages ist das Manöver von Bastianini gegen Martin in der letzten Runde. Gresini-Ducati-Pilot Marc Marquez, der als Dritter gemeinsam mit den beiden Kontrahenten auf dem Podium stand, hat seine eigene Meinung.

Marc Marquez meint, Bastianini hätte bestraft werden sollen
„Ich habe eine Wiederholung gesehen“, so Marquez im Dorna-Interview und weiter: „Ich finde, weil auch Enea die Strecke verlassen hat, hätte es eine Rückversetzung um eine Position geben müssen. Ein aggressives Manöver auf der Innenseite einer Kurve ist kein Problem. Wenn du dabei aber die Strecke verlässt, dann müsste das zur Folge haben, eine Position herzugeben. Deshalb stimme ich mit der Entscheidung [der Rennkommissare] nicht überein.“

In der Pressekonferenz präzisiert Marquez seinen Standpunkt: „Mit dem Überholmanöver habe ich kein Problem. Es ist die einzige Möglichkeit, wie man mit diesen Motorrädern überholen kann. Alles war gut, nur nicht, dass [Bastianini] die Kurve verpasst hat. Das ist für mich der Punkt, der das Fragezeichen entstehen lässt.“

„Wenn er es nicht schafft, auf der Strecke zu bleiben, dann müsste er sich eine Position zurückfallen lassen“, untermauert Marquez. „Wenn er aber genau das gleiche Manöver zeigt und dabei auf dem Randstein bleibt, dann ist es meiner Meinung nach in Ordnung. Nur so kann man mit diesen Bikes überholen. Das Überholmanöver an sich war sauber. Es war aggressiv, es war am Limit, aber es war schließlich die letzte Runde.“

Martin reist mit 24 Punkten Vorsprung nach Asien
Jorge Martins Trost: Weil sein größter Gegner im Kampf um den WM-Titel 2024, nämlich Enea Bastianinis Ducati-Teamkollege Francesco Bagnaia gestürzt und ohne Punkte geblieben ist, geht Martin nun mit einem Vorsprung von 24 Punkten in die Asien-Tournee.

Diese Asien-Tournee beginnt im MotoGP-Kalender 2024 direkt am kommenden Wochenende mit dem Grand Prix von Indonesien in Mandalika. Angesprochen auf die neue Situation in der MotoGP-Gesamtwertung 2024 sagt WM-Spitzenreiter Martin in seiner spanischsprachigen Medienrunde: „Ich muss es nüchtern sehen. Nachdem ich schon sieben Punkte zurücklag, liege ich jetzt mit 24 Punkten Vorsprung vorne.“

„Natürlich wollte ich heute gewinnen. Es schmerzt, dass das nicht geklappt hat. Aber jetzt freue ich mich auf die Asien-Tournee. Das sind Strecken, die mir liegen, vor allem die in Indonesien, wo ich im vergangenen Jahr den Sprint gewonnen habe“, so Martin, der das Pramac-Ducati-Team im Winter in Richtung des Aprilia-Werksteams verlassen wird.

Text von Mario Fritzsche, Co-Autor: Jose Carlos de Celis

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