Danilo Petrucci ist der erste Fahrer, der in der MotoGP, WSBK und bei der Dakar gewann

(Motorsport-Total.com) – Ein Laufsieg in der Superbike-WM fehlte Danilo Petrucci (Barni-Ducati) noch, um seine beeindruckende Karriere zu vervollständigen.

Mit Siegen in der MotoGP, einem Etappensieg bei der Rallye Dakar und Siegen bei der MotoAmerica konnte „Petrux“ bereits eine starke Bilanz vorweisen. Die drei WSBK-Siege in Cremona haben den Italiener in einen elitären Club von Fahrern gebracht.

„Mir fehlen die Worte“, bemerkt Petrucci nach seinem beeindruckenden Hattrick in Cremona. Ausgerechnet beim Heimspiel von Petrucci und Barni gelang ein märchenhafter Erfolg. „Unsere Werkstatt in Bergamo ist nur wenige Stunden von hier entfernt. Wir sind ein kleines Team, doch dieses Mal waren wir die Schnellsten, noch vor den zwei Werks-Ducatis.“

Obwohl lediglich 20.000 Fans pro Tag Zutritt erhielten, herrschte auf dem für die WSBK neuen Cremona Circuit eine tolle Atmosphäre. „Die Tribünen waren voll mit Menschen. Ich wollte am Donnerstag noch ein paar Tickets für Freunde organisieren. Doch es war komplett ausverkauft“, staunt Petrucci.

„Die Superbike-WM verdient mehr Rennen wie dieses. Ich würde gern bei allen WSBK-Events so eine Begeisterung sehen. Alle haben mich angefeuert. Das war richtig schön“, freut sich Petrucci über die Leidenschaft der italienischen Superbike-Fans in Cremona.

Petrucci erlebt alle Höhen und Tiefen: „Meine Leidenschaft hält mich am Leben“
Vor weniger als einem halben Jahr lag Petrucci mit zahlreichen Verletzungen im Krankenhaus und verpasste das WSBK-Event in Assen. Bei einem Motocross-Sturz fiel der Italiener aus großer Höhe und zog sich viele schwere Verletzungen zu.

„Mitte April lag ich im Hotel. Mein Gesicht war komplett zerstört. Ich hatte ein gebrochenes Schlüsselbein und eine gebrochene Schulter“, blickt er zurück. „Der Arzt meinte, dass so viele Menschen im Krankenhaus liegen und ich wegen meiner Leidenschaft stürze. Er fragte mich, warum ich das mache, warum ich mein Leben riskiere, während andere Menschen schon so um ihr Leben kämpfen.“

„Ich begründete das alles mit meiner Leidenschaft“, erinnert sich Petrucci an das Gespräch mit dem Arzt. „Meine Leidenschaft hält mich am Leben. Vielleicht ist sie irgendwann der Grund, warum ich sterbe. Doch es ist der Grund, warum ich jeden Tag aufstehe. Das mache ich alles für Tage wie diesen. Solche Tage lassen alles vergessen, alle Schmerzen und alle Opfer.“

Warum Petrucci den Ort Cremona jahrelang verflucht hat
An Cremona hatte Petrucci jahrelang keine guten Erinnerungen. Eine unschöne Erfahrung sorgte dafür, dass er den Ort verflucht hat. Am Sonntagabend präsentierte Petrucci den anwesenden Journalisten eine Narbe am linken Oberarm.

„Das habe ich mir in Cremona zugezogen“, erklärt er. „Das passierte 2001 bei einem Motocross-Sturz. Es war der schlimmste Unfall, als ich jung war. Damals war ich ein kleine Kind, elf Jahre alt. Ich wurde mit Cortison vollgepumpt, weil ich im Dreck stürzte. Das war mein erster schlimmer Unfall“, erinnert sich Petrucci und fügt hinzu: „Der schlimmste Ort wurde jetzt zum besten.“

Während viele seiner WSBK-Kollegen vor dem Rennwochenende testen konnten, sammelte Petrucci nur einige Erfahrungen bei einem Trackday mit dem Serienmotorrad. „Ich war ein bisschen verunsichert, weil der Kurs so schmal ist“, gesteht er. „Doch am Samstag startete ich von P6 und überholte an drei verschiedenen Stellen. Wir müssen uns an derartige Strecken gewöhnen.“

„Die BSB und die MotoAmerica fahren auch auf solchen Strecken und es gibt viele Überholmanöver. Die Superbike-WM muss solche Orte für sich entdecken. Strecken, zu denen viele Zuschauer kommen. Der Kurs ist klein, aber er ist gut für die Zuschauer und die Show“, befürwortet Petrucci eine WSBK-Zukunft der Strecke. „Die Superbike-WM bietet eine gute Show. Ich hoffe, dass Cremona noch viele Jahre im Kalender bleibt“, so der Ducati-Pilot.

Nach dem WSBK-Debütsieg am Samstag ging Petrucci am Sonntag als Favorit in die beiden Rennen. Dieser Rolle wurde er gerecht. „Das zweite Rennen war ziemlich lang. Mein Plan war, dass ich mich aus dem Chaos heraushalte. Ich wollte an der Spitze mein Tempo fahren“, beschreibt er seine Strategie.

Danilo Petrucci rechnete vor allem mit Alvaro Bautista
„Als ich erkannte, dass ich eine Sekunde Vorsprung habe, schaute ich auf den großen Bildschirm und sah, dass Bautista kommt. Von da an war mir klar, dass ich alles geben muss, denn Alvaro ist gegen Rennende immer sehr stark“, schildert Petrucci.

Er verwaltete einen Vorsprung von etwa zwei Sekunden. „Es fühlt sich unglaublich an! Ich bin 23 Runden an der Spitze gefahren“, freut sich Petrucci, der auch das Sprintrennen vom Start weg kontrollierte. „So viel habe ich wirklich nicht erwartet“, gesteht der Italiener nach seinem Erfolg in Cremona.

In der Fahrerwertung kam Petrucci bis auf drei Punkte an Alex Lowes (Kawasaki) auf P4 heran. Uns selbst Weltmeister Alvaro Bautista liegt als aktueller WM-Dritter noch in Reichweite. Lediglich 31 Zähler trennen Petrucci von Bautista und einem Platz in den Top 3 der WM. „Ich will das am kommenden Wochenende in Aragon wiederholen. Dann verstehe ich besser, was los ist“, bemerkt Petrucci mit Blick auf seine Form.

Warum Alvaro Bautista nicht überrascht ist
Titelverteidiger Alvaro Bautista wurde am Sonntag die Erfolge seines Ducati-Markenkollegen angesprochen. „Er war schnell, sein Stil passt gut zu dieser Strecke. Er ist groß und kann das Motorrad sehr leicht manövrieren“, begründet Bautista den Hattrick seines Ducati-Markenkollegen und verweist auf dessen gute Ergebnisse bei den zurückliegenden WSBK-Events in Magny-Cours und Portimao.

„Es ist nicht so, dass er es geradeso in die Punkte schaffte und jetzt gewann. Nein, er arbeitete die gesamte Saison über sehr gut“, lobt Bautista und freut sich über Petruccis Erfolg: „Er verdient es. Nach seiner schweren Verletzung zu Saisonbeginn arbeitete er sehr hart. Es ist ein wirklich sehr verdientes Ergebnis.“

Danilo Petrucci ist laut Iker Lecuona „ein wahrer Meister“
Auch Ex-MotoGP-Teamkollege Iker Lecuona (Honda) kommentierte den Erfolg der Startnummer 9: „Es war sein Wochenende. Er gewann alle drei Rennen, fuhr ein beeindruckendes Tempo und triumphierte beim Heimspiel.“

„Er gewann bei der Dakar, in der MotoGP und jetzt auch hier. Er ist ein wahrer Meister“, stellt Lecuona klar. Dabei harmonierte der Spanier in der Vergangenheit überhaupt nicht mit Petrucci. Zu Beginn der gemeinsamen Saison bei Tech-3-KTM gab es einige Spannungen.

„Mitte der MotoGP-Saison 2021 realisierten wir, dass KTM richtig schlimme Dinge mit uns macht. Wir sprachen miteinander und erkannten, dass wir uns nicht gegenseitig bekämpfen sollten. Von da an arbeiteten wir zusammen“, erinnert sich Lecuona.

„Ich erinnere mich, wie ich ihm in den USA im Qualifying Windschatten gab. Wir versuchten, uns gegenseitig zu helfen. Unser Verhältnis wurde viel besser und jetzt kommen wir sehr gut klar. Ich freue mich für ihn!“, so der spanische Honda-Werkspilot.

Text von Sebastian Fränzschky

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