Motorradmagazin » Racing » „Wie könnte ich da nicht wütend sein?“: Joan Mir kritisiert Stillstand bei Honda
(Motorsport-Total.com) – Während Yamaha beim MotoGP-Nachsaisontest in Barcelona einen positiven Eindruck hinterließ, konnte sich Sorgenkind Honda nicht sonderlich stark in Szene setzen.
Besonders groß war der Frust bei Werkspilot Joan Mir, der für den Testtag gewisse Erwartungen hatte, am Dienstagabend aber sehr ernüchtert wirkte. Mit 1,267 Sekunden Rückstand reihte sich Mir auf P15 der Wertung ein.
Joan Mir hatte die Hoffnung, ein komplett neues Motorrad zu testen, war am Dienstagabend aber „nicht besonders happy“ mit dem, was er in seiner Box vorfand. „Es war kein produktiver Tag. Alles, was wir probiert haben, hatten wir bereits vorher getestet“, schimpft der Spanier.
„Wir hatten keine neuen Teile, die es uns erlauben, schneller zu sein. Wir arbeiteten mit unserer Standard-Konfiguration und mit einer Konfiguration, die bereits in der Vergangenheit nicht funktionierte. Man kann sich also vorstellen, dass der Tag nicht so verlief, wie ich es mir erhofft hatte“, spricht Mir gegenüber den anwesenden Medienvertretern Klartext.
„Ich bin 70 Runden mit Teilen gefahren, die ich bereits zwei Mal getestet hatte. Ich denke, alle im Team haben mehr erwartet“, macht Mir seinem Frust freien Lauf. „Ich bin sehr überrascht, was diesen Tag angeht. Ich erwartete deutlich mehr. Ich hoffe, dass wir kommende Woche mehr haben.“
Warum testet HRC die Updates erst beim Jerez-Test?
Nächste Woche folgt ein privater Test in Jerez. Mir hofft auf „interessante“ Updates, geht aber nicht von einem komplett neuen Bike aus. „Es sieht nicht so aus, als ob sie eine Rakete oder ein neues Motorrad bringen. Es werden Teile sein, die dem aktuellen Paket helfen sollen. Vielleicht gibt es eine neue Motorkonfiguration. Ich weiß es aber nicht und stelle es mir nur so vor“, grübelt der Ex-Weltmeister.
Für das Honda-Werksteam wäre es allerdings gut gewesen, die HRC-Updates in Barcelona zu erhalten, um sie besser mit den Daten vom finalen Grand-Prix-Wochenende der Saison 2024 vergleichen zu können. Mir stimmt zu. „Wir benötigen die neuen Teile so schnell wie möglich, um den Rückstand auf die Spitze zu verringern“, stellt er klar.
Was hat sich bei Honda im Vergleich zum Saisonauftakt getan? Mir bestätigt, dass das Turning im Saisonverlauf besser geworden ist. Doch die Liste der Probleme ist nach wie vor lang: „Wir benötigen noch mehr Abtrieb, wenn die Leistung einsetzt, auch wenn wir im Moment nicht genug Leistung haben, um das Vorderrad nach oben zu bringen.“
Dass HRC derart wenig Neuerungen beim Test hatte, trägt nicht unbedingt dazu bei, Mir zu motivieren. „Wie könnte ich da nicht wütend sein?“, fragt er und stellt klar: „Ich bin nicht happy. Es gibt keinen Grund, happy zu sein. Wir sitzen alle in diesem Boot und wollen diese Situation hinter uns lassen.“
„Es passiert nichts. Man muss aber weiterhin daran glauben, weil ich noch zwei Jahre hier bin“, schaut Mir auf seine Zukunft in der MotoGP. Im Laufe der Saison 2024 verlängerte der Champion von 2020 seinen Vertrag bei Honda und wird bis Ende 2026 für das Werksteam der Japaner antreten.
Aleix Espargaro minimal schneller als Joan Mir und Luca Marini
Der MotoGP-Test in Barcelona war für Neuzugang Aleix Espargaro die erste Chance, um die Honda RC213V zu testen. Der neue HRC-Testpilot fand sich schnell zurecht und reihte sich mit 1,204 Sekunden Rückstand auf P14 der Tages-Wertung ein. Damit lag Espargaro noch vor den beiden Honda-Werkspiloten.
Laut Joan Mir fuhr Aleix Espargaro mit der in der Saison 2024 verwendeten Spezifikation. „Meines Wissens nach hat er keine Neuerungen getestet“, erklärt Mir und reagiert sarkastisch. „Er war beeindruckt (lacht; Anm. d. Red.)“, bemerkt Mir und sorgt für großes Gelächter.
„Was er geäußert hat, entspricht unseren Aussagen und betrifft den Mangel an Drehmoment, an Leistung und Grip. Die anderen Bereiche, über die wir uns nicht beschweren, hat er nicht besonders stark kritisiert“, schildert Mir.
„Das Turning ist mehr oder weniger okay. Hinsichtlich der Geometrie hat er sich nicht beschwert. Das ist okay. Doch der Mangel an Grip und Beschleunigung und Topspeed hat ihn beeindruckt (lacht; Anm. d. Red.)“, kommentiert Mir mit einer Portion Galgenhumor.
Teamkollege Luca Marini begrüßte die Tatsache, dass Neuzugang Aleix Espargaro ausgerechnet in Barcelona seine ersten Runden als HRC-Testpilot drehte. „Es ist vermutlich seine beste Strecke. Er ist hier super schnell und erzielte auf dieser Strecke mit Aprilia großartige Ergebnisse. Er wird bei der Entwicklung der Maschine sicher sehr hilfreich sein“, freut sich Marini auf die Zusammenarbeit mit Espargaro.
Luca Marini hatte auch ohne HRC-Updates „genug Aufgaben“
Marini selbst landete beim Test auf der 18. Position und hatte 1,429 Sekunden Rückstand. Der Italiener relativiert die Testergebnisse, denn Barcelona ist laut Marini die wohl schwierigste Strecke, während Valencia erfahrungsgemäß eine gute Strecke für Honda ist. Somit überrascht es Marini nicht, dass der Test auf dem Papier schlechter wirkte als der vor einem Jahr in Valencia.
Dass Honda keine großen Updates lieferte, hatte Marini so erwartet. Marini beschäftigte sich mit Vergleichen zwischen der bekannten Version der RC213V und der von Mir wenig geliebten Version mit den neuen Teilen. „Es gab viele Dinge, die ich testen wollte. Zudem erwartete ich nicht, etwas Neues zu probieren. Unterm Strich hatte ich aber genug Aufgaben“, kommentiert Marini seinen Testtag.
Marini testete eine neue Konfiguration, die nicht schneller war als das Motorrad, mit dem er das finale Rennwochenende absolvierte. Die mit den bereits mehrfach getesteten Updates ausgerüstete Maschine hatte einen anderen Rahmen.
„Der Rahmen ist eine riesige Änderung“, erklärt Marini, der positive Aspekte bei der Front erkennt, mit dem Heck aber unzufrieden ist und sich weitere Verbesserungen erhofft. „Die bereits sehr gute Front wurde damit weiter verbessert, doch beim Heck verloren wir etwas. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das voll und ganz mit dem Rahmen zusammenhängt. Wir müssen es in Jerez erneut probieren“, so der Honda-Werkspilot.
Marini geht aber davon aus, dass das Motorrad mit den neuen Teilen die Basis für die Zukunft sein wird. Dass Honda aber in der Saison 2025 wieder an der Spitze mitmischt, erwartet Marini nicht. Er bremst die Erwartungen für das nächste große Kräftemessen im Februar 2025 in Malaysia.
„Sepang ist vermutlich ein bisschen zeitig. Wir müssen sicher bis zur Halbzeit der Saison rechnen, um einen ordentlichen Schritt zu machen“, grübelt Marini, der 2025 seine zweite Saison als Honda-Werkspilot absolviert. Seine HRC-Debütsaison beendete Marini auf P22 der Fahrerwertung, direkt hinter Teamkollege Mir.
Was sich Johann Zarco von Honda wünscht
Dass Johann Zarco die MotoGP-Saison 2024 als bestplatzierter Honda-Pilot beenden konnte, kam für einige Experten überraschend. Der LCR-Pilot setzte sich einige Male stark in Szene und brachte Honda ins Q2.
Zarco sammelte 55 Punkte und hatte damit mehr Zähler auf seinem Konto als die beiden Werkspiloten in Summe. Und auch beim Test war Zarco als Zehnter der bestplatzierte Honda-Pilot.
Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass Honda sehr genau hinhört, was Zarco zu sagen hat. Am Dienstagabend gab es ein Meeting, bei dem auch Zarco vorsprach, um seine Feedbacks abzuliefern. Es sollte darum gehen, eine Entwicklungsrichtung zu definieren.
Zarco wünscht sich für die Zukunft mehr Leistung, damit er sich beim Anbremsen nach einer Geraden in einer Position befindet, in der er einen Überholversuch starten kann. Der größte Kritikpunkt des Franzosen ist weiterhin die ausbaufähige Haftung des Hinterrads.
„Wir fanden keine Antwort, um die Haftung besser zu kontrollieren“, bemerkt Zarco mit Blick auf den Test am Dienstag und fügt hinzu: „Wenn wir das Problem lösen, dann wird uns das beim Beschleunigen, aber auch in den Bremszonen helfen. Das sind die Schwächen unseres Motorrads.“
Zarco erkennt aber noch weitere ausbaufähige Punkte: „Wir müssen auch bei der Aerodynamik einen Schritt machen. Das kommt nächstes Jahr. Hinsichtlich des Fahrwerks gab es (beim Test) nicht viele Änderungen, es gab keine positiven Änderungen.“
Bei LCR erhält Zarco für die MotoGP 2025 einen neuen Teamkollegen. Takaaki Nakagami beendete seine Karriere als Stammpilot und wird in Zukunft das Testteam unterstützen. Somkiat Chantra übernimmt den Platz des Japaners. Beim ersten Test mit der Honda RC213V in Barcelona landete Chantra auf P23 und lag 2,492 Sekunden zurück.
Text von Sebastian Fränzschky, Co-Autor: Gerald Dirnbeck
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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