(Motorsport-Total.com) – Über die Jahre ist der Motorrad-Rennsport in Deutschland komplett aus dem Mainstream verschwunden.
Waren die deutschen Grand-Prix-Helden einst in Formaten wie dem aktuellen Sportstudio regelmäßige Gäste, so wanderte die Sportart immer weiter in eine Nische und erreicht heutzutage nur noch einen harten Kern an Fans. Wir haben uns exklusiv mit ServusTV-Experte und Ex-MotoGP-Werkspilot Alex Hofmann über diese Entwicklung unterhalten.
Im Rahmen des Deutschland-Grand-Prix auf dem Sachsenring, der in diesem Jahr die Rekordmarke von 252.826 Besuchern erzielte, sprachen wir mit Hofmann über den schweren Stand des Motorrad-Rennsports in Deutschland.
Kurios: Obwohl das Thema Motorrad hierzulande ein absolutes Nischendasein fristet, kommen alljährlich über 200.000 Besucher nach Hohenstein-Ernstthal und machen das Event zur größten Einzelsportveranstaltung des Landes. Wie lässt sich das erklären?
Auf dem Sachsenring wird Alex Hofmann wie ein Promi behandelt
„In dieser Region besteht die Tradition, den Motorrad-Rennsport zu verfolgen. Das hat sich zum Glück nicht verändert“, freut sich Hofmann. „Über die Generationen wurde diese Tradition fortgeführt. Ich finde es sehr schön, das zu sehen.“
Wenn Hofmann im Sommer zum Sachsenring kommt, dann fühlt er sich teilweise wie ein Prominenter. „Ich werde in dieser Region bei jedem Bäcker mit meinem Namen begrüßt. Das ist in meiner ursprünglichen Heimat nicht so. Dort hat mich kein Schwein gekannt. Das ist die Realität, aber auch das Schöne am Sachsenring. Die Region lebt die MotoGP. Ich hoffe, dass das noch einige Jahre so fortgeführt werden kann“, erklärt der mittlerweile 44-Jährige.
Warum ist die MotoGP aus den Mainstream-Medien verschwunden?
Verglichen mit anderen Sportarten mangelt es der MotoGP nicht an Action und spannenden Geschichten. Warum ist die Sportart kein Thema für die Mainstream-Medien, obwohl gute Unterhaltung geboten wird?
„Der deutsche Sportzuschauer ist schon sehr fokussiert auf das Thema Fußball“, stellt Hofmann fest. „Diese Sportart überschattet in Deutschland alles. Fußball funktioniert immer. TV-Sender kaufen lieber die Rechte für die Regionalliga, anstatt einen neuen Sport zu probieren. Man kann sich sicher sein, dass die Leute hängen bleiben, wenn Fußball gezeigt wird. Das ist Grund Nummer eins.“
„Fußball ist für jeden leicht zu verdauen. Jeder hat irgendwann mal gegen einen Ball gekickt. Und jeder kann sich mit irgendeinem Verein identifizieren“, begründet Hofmann. „Wenn sich zehn der Kumpels für Fußball interessieren, dann zieht man da einfach mit.“
Aber auch das allgemeine Interesse am Sport generell hat sich laut Hofmann verändert: „Der zweite Grund ist, dass wir generell weniger mit dem Thema Sport am Hut haben als vor 20 oder 25 Jahren. Die allgemeine Bereitschaft, sich zu quälen, Sport zu machen und rauszugehen, ist zurückgegangen.“
„Wenn man sich mit dem Thema Sport nicht identifizieren kann, dann ist es schwierig. Man sieht dann nicht die Faszination, die dahinter steckt“, schildert der ehemalige Motorrad-Profi, der seine Heimat mittlerweile verlassen hat und in Spanien lebt.
Deutlich größere Begeisterung für den Sport in Österreich
Auf Grund der Arbeit für ServusTV konnte sich Hofmann einen guten Überblick verschaffen, wie die Nachbarn in Österreich mit dem Thema Motorrad-Rennsport umgehen. Hofmann erkennt deutliche Unterschiede zur Situation in Deutschland.
„In Österreich ticken die Leute ganz anders als in Deutschland. Sie lieben den Motorsport und leben den Motorsport. Sie sind sehr aufmerksam und hören zu, wenn man versucht, die Faszination des Sports rüberzubringen“, staunt Hofmann. „Wir in Deutschland ticken anders. Wir haben andere Hobbys, unser Alltag ist anders. Der Sport steht nicht mehr so weit oben.“
Alex Hofmann ist sich sicher: Ein deutsches Supertalent würde alles verändern
„Natürlich fehlt auch die deutsche Komponente“, nennt Hofmann einen weiteren Grund für das schwache Interesse am Motorradsport und nennt ein Beispiel: „In Deutschland redet man normalerweise auch nicht von einer Basketball-WM oder von einer Eishockey-WM. Wenn das deutsche Team dann im Viertel- oder Halbfinale landet, dann ist auf einmal jeder ein Basketball- oder Eishockey-Fan.“
„Die deutsche Karte zieht extrem“, unterstreicht Hofmann. „Ich bin mir sicher, wenn wir zwischen ‚Pecco‘ Bagnaia, Marc Marquez und Jorge Martin einen deutschen MotoGP-Star hätten, dann würde es ganz anders aussehen. Dann würde Deutschland extrem auf dieses Thema springen und der Sport wäre ums drei- oder vierfache beliebter.“
Ein Deutscher in der MotoGP – das wird man nach Stefan Bradls letztem MotoGP-Start beim Saisonfinale 2024 vorerst nicht so schnell erleben. Hofmann bestätigt, dass „dieses Szenario weder kurz- noch langfristig absehbar“ ist.
„Es gibt aber einige Talente, die das Potenzial haben, den Schritt in die Motorrad-WM zu meistern. Dann geht es aber eher erst einmal um die Teilnahme. Um dann dominant an der Spitze zu fahren, muss noch einiges passieren“, erklärt der ServusTV-Experte.
Text von Sebastian Fränzschky
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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