Wir befinden uns im Jahre 2010 n. Chr. Ganz Gaskrankien ist von den Warnwesten besetzt … Ganz Gaskrankien? Nein! Eine von unbeugsamen Gaskranken bevölkerte Boxengasse hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die grellgelben Besatzer, denn dem Reservat Rennstrecke ist selbst mit den besten Bedenkenargumenten kaum beizukommen. Trotz Motorradrezession scheint dieses Geschäft zu boomen, und es sind vor allem die Neulinge, die Spaßfahrer, die von immer mehr Anbietern hofiert werden.
Einer dieser Anbieter ist die Agentur Grenzbereich (www.agentur-grenzbereich.de), die unter der Marke „Setup your Limit“, in Kooperation mit Gaskrank.TV, am 23. und 24. August in Hockenheim allen Interessierten anboten, Rennstreckenluft durch die Airbox zu ziehen. Chef Patrick Lenhard veranstaltet sonst Sicherheitstrainings auf zwei oder vier Rädern, und auch am Hockenheimring hat er einen Übungsparcours auf der großen freien Parkfläche an der Tankstelle aufgebaut. Für die Instruktorennachbesprechung hat er eine Kiste Onboard-Kameras mitgebracht, die emotionslos jeden Fehler aufzeichnen. Diese Art Feedbacktraining hat sich in anderen Sportarten bewährt, weil ja niemand so ganz genau weiß, wie er aussieht, wenn er jenseits der 200 auf dem Bock rumkraxelt.
Setup hat sich für diesen August-Termin mit Speer Racing zusammengetan, denn die sind praktisch jeden Montag in Hockenheim, ist das eingeschliffene Routine. Die Strecke ist weniger anfängergeeignet als Micky-Maus-Kurse wie Oschersleben, dafür liegt sie eben auch nicht wie Oschersleben auf einem Kartoffelacker am Ende der Republik. Hockenheim ist eine Strecke, die Bremsen fordert — Bremsen als Material genauso wie Bremsen als Fertigkeit. Gelegentlich verkochen hier beide Varianten, dann fährt jemand in einer engen Ecke nach einem schnellen Abschnitt gerne mal raus ins freie Gelände. Am Hocken gibt es außerdem eine Art Mutkurve: die Parabolika. Diese lange Links wird allerdings erst dann eine Mutkurve, wenn das Motorrad schnell genug ist. Auf einem lahmen Reisekrapfen ist sie nichtmal als Kurve wahrnehmbar. Auf einer Tausender jedoch wird es schon ganz schön schräg, bei ganz schön hoher Geschwindigkeit: selbst eine gute Sechshunderter zeigt am Bremspunkt auf dem Tacho über 260 km/h an, wenn der Fahrer die einleitende S-Kurve gut gekriegt hat. Hier auf der Tausender auch nur eine Zeitlang im Leistungsbereich am Gasanschlag zu bleiben, lehrt Nervenstärke.
Patrick Lenhard lehrt Nervenstärke am persönlichen Beispiel. Komplexe Frage: Warum eine Veranstaltung bei ihm buchen? Einfache Antwort: Weil er er ist. Er ist einer dieser Menschen mit einer unerschütterlichen Frohnatur aus tausend Tonnen Granit. Wenn die Alarme losgehen, jemand zu ihm gerannt kommt und schreit: „Die Tore zur Hölle sind offen! Die Russen kommen! Da hinten ist eine Atombombe losgegangen! Die Zivilisation, wie wir sie kennen, ist zugrunde gegangen, und außerdem hab ich Durst!“, dann wird er weiter lächeln und das irgendwie hinkriegen. Ich glaube, Patrick und seine Jungs sind die richtigen Leute, weitere Renntrainings hinzukriegen.
Wer eine Veranstaltung besucht hat und das liest: Schildert doch mal eure Eindrücke in den Kommentaren.
Text von Clemens Gleich www.mojomag.de
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