(Motorsport-Total.com) – Schon bevor Aleix Espargaro am Samstagabend im MotoGP-Sprint in Katar von Aprilia-Markenkollege Miguel Oliveira vom Motorrad gerissen wurde, wobei sich beide verletzt haben, war es für Espargaro ein ausgesprochen turbulenter Tag.
Im zweiten Freien Training nämlich fing sich Aprilia-Werkspilot Espargaro eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro und zudem eine Grid-Strafe ein. Grund war eine Handgreiflichkeit gegen Yamaha-Pilot Franco Morbidelli auf der Strecke.
Ausgelöst wurde der Zwischenfall, als Alex Marquez (Gresini-Ducati) in Kurve 2 einen harmlosen Sturz bei niedrigem Tempo hatte. Weil daraufhin an dieser Stelle Gelb geschwenkt wurde, nahm unter anderem Morbidelli Gas weg. Ein paar Kurven später, in Kurve 5, drückte sich Morbidelli innen an Aleix Espargaro vorbei.
In Kurve 6 drückte sich Espargaro dann seinerseits wieder an Morbidelli vorbei. Dabei kam es zu einem Rempler, aber beide blieben auf ihrem Motorrad sitzen. Espargaro schüttelte den Kopf und gestikulierte wild in Richtung Morbidelli. Als der Yamaha-Pilot langsam neben ihn fuhr und den Aprilia-Piloten beruhigen wollte, brannten Espargaro die Sicherungen durch. Er gab Morbidelli einen kräftigen Klaps auf den Helm, der alles andere als freundlich gemeint war.
Was zwischen Kurve 2 (wo Alex Marquez gestürzt ist) und Kurve 5 (wo sich Morbidelli innen an Espargaro vorbeidrückte) passiert war – nämlich ein Überholen von Espargaro an Morbidelli – das wurde von den TV-Kameras nicht eingefangen. Und für die TV-Interviews am Abend stand nur Morbidelli zur Verfügung, weil sich Espargaro beim eingangs erwähnten Unfall in der ersten Runde im Sprint verletzt hat.
Morbidelli übt heftige Kritik an Aleix Espargaro
Morbidelli schildert den Zwischenfall aus dem zweiten Freien Training ganz ausführlich aus seiner Sicht: „Ich fuhr mein Training als Alex Marquez in Kurve 2 gestürzt ist und es eine gelbe Flagge gab. Vor mir nahm [Jorge] Martin Gas weg. Auch ich habe verlangsamt. In Kurve 4 wurde ich dann von Aleix überholt. Daraufhin habe ich ihn wieder überholt, weil ich mir meine ursprüngliche Position zurückholen wollte. Daraufhin hat er mich wie verrückt in Kurve 6 überholt, wobei wir beide fast gestürzt wären.“
„Ich wollte ihm daraufhin zu verstehen geben, dass er ruhig bleiben soll, denn nachdem er mich berührt hatte, war er sauer auf mich und machte unschöne Gesten, wie er es immer macht. Als ich ihm zu verstehen geben wollte, dass er sich beruhigen soll, hat er dann das gemacht, was von allen zu sehen war“, spricht Morbidelli auf den Schlag an, den er von Espargaro auf seinen Helm bekam.
„Das war eine unfassbar respektlose Aktion gegen mich“, so der Yamaha-Pilot und weiter: „Die ist schwer zu schlucken, aber ich nehme sie hin. Die Kommissare haben ja alles analysiert und die Maßnahmen ergriffen, die sie für richtig hielten. Meiner Meinung nach haben sie aber gar nichts getan.“
Morbidelli kritisiert Rennkommissare für Art der Strafe
Abgesehen von einer Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro wurde Espargaro von den Rennkommissaren mit einer Grid-Strafe für den Grand Prix am Sonntag belegt. Sechs Startplätze muss der Aprilia-Pilot nach hinten. Das bedeutet für ihn anstatt des zehnten den 16. Startplatz.
Wenngleich derzeit aufgrund von Espargaros Wadenbeinverletzung aus dem Sprint noch nicht feststeht, ob er am Grand Prix überhaupt teilnehmen wird, ist Morbidelli von der Art der Strafe gegen den Aprilia-Piloten alles andere als begeistert.
„Was [die Kommissare] gemacht haben, das ist, dass sie ihn für morgen in der Startaufstellung direkt neben mich platziert haben“, so Morbidelli. „Und das heutige Rennen durfte er fahren als wäre nichts gewesen Deshalb finde ich, dass [die Kommissare] überhaupt nichts getan haben in Reaktion auf diese riesengroße Respektlosigkeit einem anderen Fahrer gegenüber. Die wäre in anderen Sportarten ganz anders geahndet worden. Aber es ist wie es ist. Ich fahre weiter.“
Auf Nachfrage, was seiner Meinung nach eine angemessene Strafe gegen Espargaro gewesen wäre, antwortet Morbidelli: „Ich will nicht darüber reden, was eine angemessene Strafe wäre, aber ihn für das morgige Rennen direkt neben mich in der Startaufstellung zu stellen, das ist doch ein Witz. Auch das ist respektlos, denn sie haben ihm ausgerechnet sechs Startplätze aufgebrummt, sodass er direkt neben mir startet. Ich will ihn 100 Meter von mir entfernt haben, und zwar immer. Stattdessen wird er direkt neben mir stehen.“
Nachsatz von Morbidelli in Bezug auf Espargaro: „Er hat in seiner Karriere schon so oft überreagiert. Er hat viel mehr Kapitel geschrieben, für die er sich schämen sollte als Kapitel, auf die er stolz sein sollte. Ich frage mich, was er wohl seinen Kindern sagen wird.“
Aleix Espargaro meldet sich aus dem Hotel
Wenngleich für Aleix Espargaro aufgrund der ärztlichen Untersuchung im Medical-Center der Strecke die Medienrunde am Lusail International Circuit am Samstagabend abgesagt wurde, so gibt es vom Aprilia-Piloten trotzdem eine kurze Stellungnahme.
In einem Video auf seinem Instagram-Account meldet sich Espargaro aus seinem Hotelzimmer, spricht dabei auf Spanisch unter anderem über den Zwischenfall mit Morbidelli und entschuldigt sich für seine Handgreiflichkeit.
„Es war ein Tag zum Vergessen, der mit dem Zwischenfall mit Morbidelli begann. Ich habe eine sehr schlechte Reaktion gezeigt. Er schlich in der Mitte der Strecke vor sich hin, er hätte mich zweimal beinahe gerammt, er stand mir im Weg“, so Espargaro.
„Ich habe daraufhin die Fassung verloren und vollkommen überreagiert. Dafür habe ich eine Strafe erhalten, die meiner Ansicht nach zu heftig ausgefallen ist. Ich akzeptiere sie aber, denn das Bild ist natürlich kein gutes“, ist sich Espargaro der Außenwirkung seines Verhaltens bewusst.
Gut oder schlecht für MotoGP als Ganzes?
Im MotoGP-Fahrerlager gibt es am Samstag einerseits Stimmen, die Espargaro kritisieren. Dazu gehört etwa Massimo Meregalli, der Teammanager von Franco Morbidellis Arbeitgeber Yamaha.
So sagte Meregalli noch während der Live-Übertragung des zweiten Freien Trainings gegenüber Dorna Sports: „Möglicherweise war Franco nicht an der richtigen Stelle [auf der Strecke]. Aber handgreiflich gegen jemanden zu werden, das ist meiner Ansicht nach nicht die richtige Reaktion, schon gar nicht in unserem Sport. Wir sollten doch den Leuten ein Vorbild sein.“
Aber es gibt auch Stimmen, die eine etwas andere Sichtweise darlegen. „Wir haben heutzutage so viele Rennen im Kalender. Je mehr Rennen wir haben, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir auch Situationen wie diese sehen“, bemerkt etwa Marc Marquez, bevor er sagt: „Für die Motorrad-WM als Ganzes ist so etwas natürlich nicht das Beste. Der Strafe, die man Aleix auferlegt hat, stimme ich zu.“
„In gewisser Weise aber“, so Marquez weiter, „sind solche Dinge sogar gut. Solange du selber nicht beteiligt bist, sorgen sie auf Social-Media für jede Menge Gesprächsstoff. Aber für das Image des Sports ist es natürlich nicht gut. Wir müssen da wirklich aufpassen“.
Text von von Juliane Ziegengeist
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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