Während Otto Normalverbraucher den Ostersamstag in der Regel in überfüllten Supermärkten oder auf dem Weg zur lieben Verwandtschaft verbringt, eröffnen die Zweiradinfizierten der Nation an diesem Tag traditionell die Rennsport-Saison beim Rennen zu den 1000 Kilometer Hockenheim.
Dass diese Veranstaltung mehr ist als ein normales Motorradrennen, zeigt sich nicht nur daran, dass sich die 1000 KM in diesem Jahr bereits zum vierzigsten Mal jährten, sondern vor allem auch am immer prall gefüllten Starterfeld. Ganze 77 Teams und über 200 Fahrer hatten heuer für das Event genannt, um in gewohnt familiärer Atmosphäre um die ersten Trophäen des Jahres zu kämpfen.
Doch was die Jubiläumsausgabe des Klassikers für Fahrer, Teams und Fans bereithielt, war alles andere als ein entspannter Saisonauftakt. Sah es am Freitag noch so aus, als sei Petrus auch in diesem Jahr gnädig und würde 2015 das zweite Jahr in Folge einen sonnigen Renntag bescheren, wendete sich in der Nacht zum Samstag das Blatt und die Strecke empfing die Fahrer am Morgen mit Dauerregen und unwirtlichen 4 Grad über Null.
Entsprechend verhalten war der Betrieb in der Boxengasse, als der Kurs um Punkt neun für das eineinhalbstündige Training freigegeben wurde. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis es in den ersten Boxen hektisch wurde. Nach nicht einmal 4 Minuten schob der erste Fahrer sein zerstörtes Motorrad durch die Boxengasse, während zeitgleich in den Kiesbetten rund um die Strecke Hochkonjunktur herrschte.
Gestürzt wurde überall, doch vor allem die Einfahrt zur Parabolika und die Mercedeskurve entwickelten sich zu wahren Hotspots. Hier warteten teils fünf oder sechs Fahrer gleichzeitig auf den Lumpensammler. Bis zum Ende des Trainings wurden über 60 Stürze gezählt und es gab sprichwörtlich keine Box, in der nicht mindestens ein lädiertes Motorrad stand. Aber auch diejenigen, die nicht unsanft zu Boden mussten, hatten alles andere als einen entspannten Vormittag. Den neben den schlechten Gripverhältnissen ließen Regen und niedrige Temperaturen die Turns für alle Piloten zur Tortur werden.
Den Bedingungen entsprechend waren die Zeiten, die am Morgen gefahren wurden. Trotz der widrigen Umstände gelang dem Team MGM Performance Racing mit den Piloten Michael Galinski, Toni Heiler und Jörg Teuchert zwar eine sturzfreie 2:09.078 Minuten, der Großteil des Feldes fuhr aber Zeiten jenseits der 2:30 Minuten.
Die chaotischen Zustände auf der Strecke sind natürlich auch an der Rennleitung nicht unbemerkt vorrübergegangen, sodass nach dem Training die nötigen Konsequenzen gezogen wurden. In Hoffnung auf Wetterbesserung wurde nicht nur der offiziellen Rennstart um eine Stunde verschoben, sondern aus Sicherheitsgründen verzichtet man auch auf den für Langstreckenrennen üblichen LeMans-Start. Stattdessen entschied man sich dafür, dem Fahrerfeld hinter dem Safety Car einige Besichtigungsrunden zu ermöglichen und startete das Rennen mit einem fliegenden Start.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Fahrerfeld aber schon gelichtet. Neben einigen Teams, deren Fahrer schon während des Trainings mehrmals zu Boden gegangen waren und aufgrund zu großer Schäden an den Motorrädern nicht mehr starten konnten, zogen es andere vor, das Rennen gar nicht erst anzutreten, um Schlimmeres zu vermeiden. So entschieden sich auch die Sieger der Klasse 2 aus vergangenen Jahr Malte Bigge, Sascha Schoder und Kjel Kathrin vom Continental Racing Team gegen einen Rennstart.
Und das Rennen machte nicht nur da weiter, wo das Training aufgehört hatte, sondern setzte nach zwei Stunden sogar noch einen oben drauf. Infolge eines Vorderradrutschers von Dennis Günther vom Chaoten Dreamteam by John Porno Racing stürzte auch der direkt hinter ihm fahrende Dirk Schnieders und wurde dabei so heftig von seinem Motorrad getroffen, dass er reglos im Kiesbett liegenblieb. Bei der anschließenden Erstversorgung und der Bergung der Motorräder aus der Sturzzone wurde halbstündiger Einsatz des Safety Cars nötig.
Während die alten Haudegen vom Team MGM nicht nur die schnellste Trainingszeit gefahren waren, sondern mit zwei Runden Vorsprung auch schon am frühen Nachmittag deutlich machten, dass an ihnen als Sieger der Klasse 1 kaum ein Weg vorbeiführen würde, verabschiedete sich mit dem Team Bornhäusser Motorsport ein weiterer, heißer Anwärter auf einen Podestplatz. Die Vorjahressieger in der Klasse 3 mit den Fahrern Stefan Höfle, Marc Bornhäusser und Daryl Dörlich hatten zwar das Training ohne Zwischenfälle überstanden, kassierten aber am Nachmittag durch eine defekte Lichtmaschine einen herben Rückschlag, verloren 5 Runden auf die Podestplätze und entschieden sich aufgrund der immer noch schlechten Bedingungen zur Aufgabe.
In der Zwischenzeit hatte sich mit Ralf Eckert, Markus Knandel und Daniel Vogel vom Eckert Racing Team ein weiteres Trio aus Klasse 3 mit zügigen Runden sowie Konstanz auf den sechsten Gesamtrang und als schnellste Nicht-Superbike-Mannschaft nach vorne gekämpft. Ebenfalls sturzgeplagt und mit einer Runde Rückstand folgten die schnelle Jungspunde vom Team JuniorBiker.de. Die Racer um den IDM Supersport Champion 2014 Marvin Fritz macht von Anfang an kontinuierlich Druck, wurden durch Stürze aber immer wieder zurückgeworfen. Und sie sorgten am Nachmittag auch für die zweite Safety Car Phase. Lukas Tulovic, der mit 14 Jahren jüngste Fahrer im Team, stürzte zur Rennmitte in der Mercedeskurve und ölte mit seiner waidwunde R6 bei der anschließenden Rückfahrt zur Box weite Teile der Strecke ein.
Doch das war nicht der letzte Akt des jungen Heißsporns. Als die Sonne sich am späten Nachmittag dann doch noch ein Stelldichein lieferte, rückte er kurzer Hand zu einer Besichtigungsrunde aus, während sein Teamkollege Marvin Fritz offizielle Rennrunden absolvierte. Ob sich das mit dem Regelwerk der DLC vereinbaren lässt, ist mehr als fraglich. Von der Rennleitung bemerkt oder unbemerkt, trotz der Zwischenfälle fuhr das Team auf den vierten Gesamtrang und sicherte sich damit den Sieg in Klasse 3.
Wie früh im Rennen zu erwarten, gingen Gesamtsieg und Platz eins in Klasse 1 an MGM Racing Performance um Michael Galinski. In der mit nur 11 genannten Teams kleinsten Klasse 2 holte sich das Team Betreutes Fahren mit Manfred Kehrmann, Jörg Getzlaff und Guido Thielen den Klassensieg.
Besonders großer Respekt gebührt Axel Rauch, Florian Lupfer-Kusenberg und Matthijs van de Wall vom Team equipe37, die – wie in der Langstrecken-Klasse 4 vorgeschrieben – nur mit einem Motorrad antraten und sich nicht nur den neunten Gesamtrang sicherten, sondern auch den ersten Platz in ihrer Klasse einfuhren.
Das Langstreckenrennen etwas ganz besonderes sind und hier mit allem gerechnet werden muss, ist Zuschauern wie Teilnehmern immer bewusst. Aber auch wenn es etwas abgedroschen klingt: Nach einem Rennen wie den 1000 KM Hockenheim 2015 können sich tatsächlich alle als Gewinner fühlen, die nach mehr als sechs nasskalten, nicht enden wollenden Stunden das Ziel erreicht haben.
Doch dass die Fahrer nicht nur hart im Nehmen sind, sonder auch ein großes Herz haben, zeigte sich im Rahmen des Rennens ebenfalls. Der Motorradverein STREETBUNNYCREW e.V. schickte mit der Herrenbergerin Simone Müller, Benjamin Braun aus Schömberg und Reto Wiederkehr (Thun/CH) ein eigenes Benefiz-Team ins Rennen und lud zehn schwer krebskranke Kinder in ihre Box nach Hockenheim ein.
Zur Unterstützung waren fast 60 weitere Vereinsmitglieder vor Ort und sorgten in ihren Hasenkostümen für ein volles Verpflegungsprogramm, sodass die kleinen Gäste und ihre Betreuer nicht nur ein ereignisreiches Rennen zu sehen bekamen, sondern auch einen unbeschwerten Tag abseits des Alltags verleben konnten. Daneben erwies sich die pinke Hasenbande als geschickte Spendeneintreiber und sammelten im Laufe der Veranstaltung stolze 1110 Euro von Fahrern, Teams und Besuchern, die der Alexander von Württemberg Stiftung zu Gute kommen. Die Stiftung wurde 2012 in Ludwigsburg gegründet und engagiert sich für strukturierte Akut- und Langzeitbetreuung von Neugeborenen mit Lungenversagen. gaskrank.tv sagt: RESPEKT!
Klasse 1 (Moto 1000):
- Team MGM Racing Performance: Michael Galinski, Toni Heiler, Jörg Teuchert (Yamaha, BMW, BMW)
- Team ASR BMW RR Power Team, CH: Christian Walser , Daniel Kaufmann , Andreas Bürgi (3 x BMW)
- BMW Stilgenbauer: Dominik Vincon, Patrick Vincon (BMW, BMW)
Klasse 2 (Moto 750):
- Team Betreutes Fahren: Manfred Kehrmann, Jörg Getzlaff, Guido Thielen (3 x Suzuki GSX-R 750)
- Nutella Racing Team: Björn Henning, Frank Loibner, Markus Feddeler (3 x Suzuki GSX-R 750)
- PCS-Racing: Philipp Sehnert, Christopher Merz, Sebastian Schunk (3 x Suzuki GSX-R 750)
Klasse 3 (Moto 600):
- JuniorBiker.de: Marvin Fitz, Thomas Gradinger, Lukas Tulovic (3 x Yamaha R6)
- Eckert Racing Team: Ralf Eckert, Markus Knandel, Daniel Vogel (2 x Yamaha R6, Triumph Daytona)
- Motorex Racing Team: Matthias Kettner, Celina Scheffler, Mario Mantai (3 x Yamaha R6)
Klasse 4 (Endurance):
- Equipe 37: Axel Rauch, Florian Lupfer-Krusenberg, Matthijs van de Wall (Yamaha YZF R1)
- Hartz 4 Racing: Thomas Mayer, Fabian Mayer, Konstantin Linder (Suzuki GSX-R 750)
- RTT Racing: Klaus Quell, Joachim Zimper, Jüregn Speck (BMW S1000RR)
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