Dass Valentino Rossi seinen Vertrag bei Yamaha verlängert und der MotoGP bis einschließlich 2020 als aktiver Fahrer erhalten bleibt, war keine wirkliche Überraschung.
Dennoch schlug die Nachricht vor einer Woche – perfekt getimed zum Saisonauftakt in Katar – ein wie ein Blitz. Dass Rossi auch im Alter von 41 Jahren noch MotoGP-Rennen fahren würde, hatten viele gehofft, nach den Ups und Downs von Yamaha im Vorjahr aber nicht immer geglaubt.
Der Italiener selbst hatte immer wieder betont, dass er seine Entscheidung anhand des Gefühls und der Performance in den Wintertests treffen werde. Da diese besser als noch ein Jahr vorher verlaufen waren, machte er noch vor dem ersten Rennen der Saison Nägel mit Köpfen – und bewies anschließend mit einem dritten Platz, dass er nichts an Biss, Motivation und Tempo verloren hat. Der „Doktor“ ist und bleibt eben ein „Sonntagsfahrer“.
„In unserem Sport wie auch in jedem anderen zählt nur das Ergebnis“, weiß Rossi. „Ich fahre keine Rennen, um den Leuten zu demonstrieren, dass ich nicht zu alt bin. Ich fahre Rennen, um mir zu beweisen, dass ich an der Spitze bleiben kann.“ Für die MotoGP-Saison 2018 hegen er und Yamaha keinen Zweifel daran, dass das möglich ist. Auch wenn das Team noch mit der ein oder anderen Schwachstelle an der aktuellen M1 zu kämpfen hat.
Lin Jarvis: „Wir wollen konkurrenzfähige Fahrer“
Zweifel daran, Rossi zu verlängern, habe es teamseitig aber zu keinem Zeitpunkt gegeben, betont Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis: „Valentino ist Valentino. Er fährt in diesem Jahr seine 13. Saison für Yamaha. Er fährt auf einem absoluten Spitzenlevel. Er ist der erfolgreichste Yamaha-Fahrer aller Zeiten. So etwas ändert man nicht einfach so. Wenn Valentino weiterhin fahren möchte, dann zeigt das, dass er zuversichtlich und konkurrenzfähig ist.“
Bei Yamaha habe man deshalb eigentlich nur auf das Go von Rossi gewartet, blickt der Teamchef zurück. „Wir hatten im Laufe der Wintersaison mehrere Gespräche und ticken ziemlich ähnlich. Er wollte nur dann weitermachen, wenn er überzeugt ist, dass er bereit ist, diese maximale Leistung zu erbringen, und wenn er überzeugt ist, dass er wettbewerbsfähig sein kann. Dasselbe gilt für uns. Wir wollen konkurrenzfähige Fahrer“, sagt Jarvis.
Weil beide Seiten davon überzeugt waren, wurde die Vertragsverlängerung zur reinen Formsache. Die Frage, ob ein oder zwei Jahre, stellte sich zwar nicht, doch Jarvis hält fest: „Wenn er sich für eine Verlängerung um ein Jahr entschieden hätte, hätten wir Ja gesagt. Wenn er zwei Jahre gesagt hätte, hätten wir Ja sagen. Wenn er fünf Jahre gesagt hätte, würde ich zögern.“ Des Risikos sind sich Rossi und Yamaha auch bei „nur“ zwei Jahren bewusst.
Zweijahresvertrag ein Risiko? Das sagt Jarvis
„Es ist immer ein Glücksspiel“, sagt der Renndirektor. „Das ganze Leben ist ein Glücksspiel. Zu jeder Zeit trifft man eine Entscheidung, die darauf basiert, wie man sich fühlt, was man weiß – und alles kann sich morgen ändern. Man kann sich nie sicher sein.“ Gedanken daran, dass Rossi nicht so performen könnte wie erhofft, treiben Jarvis aber nicht um. Schließlich sei es keine reine Performance-Entscheidung gewesen, mit ihm weiterzumachen.
„Es gibt so viele Gründe, dass es schwierig ist, einen zu nennen“, betont der Brite und erklärt: „Wegen allem, was er zu Yamaha bringt, was er dem Sport und dem Team gibt, wegen dem, wer er ist. Das ist die Motivation.“ Und diese sei bei Team und Fahrer gleichermaßen hoch, weshalb Jarvis auch nicht damit rechnet, dass Rossi seine Meinung noch ändern und doch vorzeitig aus seinem Vertrag für die Saisons 2019/20 austreten könnte.
Und wenn, würde es den Hersteller nicht vor unlösbare Probleme stellen: „Ich denke, man wird dann eine andere Lösung finden. Valentino hat sich mit seiner Entscheidung für einen Zweijahresvertrag an die Gesetze des Fahrermarktes angepasst. Das macht es einfacher. Es gibt ein paar Fahrer, die aus diesem Muster herausfallen, aber ich denke, wenn ein Platz in einem der Top-Teams frei wird, wirst du eine Lösung finden.“
MotoGP-Fahrermarkt wird immer umkämpfter
Insgesamt stellt der Yamaha-Rennleiter fest, dass die frühen Vertragsabschlüssen ein Zeichen dafür seien, dass die Silly Season tatsächlich immer verrückter werde. „Es ist ein wenig ironisch, wenn ich das sage, weil wir diejenigen waren, die die Dinge vorangebracht haben. Aber das macht es heutzutage komplizierter. Weil jetzt sechs Hersteller involviert sind, muss man seine Züge früher machen“, ordnet Jarvis die Gesamtsituation ein.
Wen stößt man ab, wen wirbt man an? All das hat Folgewirkungen: „Wenn jemand wechselt, heißt das für einen der Fahrer, die in diesem Team sind, dass er raus ist. Zu Beginn der Saison zu wissen, dass du im nächsten Jahr vielleicht nicht mitfahren wirst, ist nicht besonders gut.“ Zugleich wird auch den Managern und Herstellern immer mehr Weitblick abverlangt, denn sich müssen entscheiden, wer für die Zukunft das größte Potenzial hat.
„Es ist wie ein Schachspiel, man muss seine Züge machen und sich vorstellen, wer in Zukunft konkurrenzfähig sein wird“, erklärt Jarvis. „Das ist nicht so einfach. Mit sechs Herstellern ist es definitiv ein heißer Markt und man muss sehr auf Zack bleiben. Aber es ist nicht ganz neu. Wir haben (Jorge) Lorenzo zum Beispiel unter Vertrag genommen, als er inder 250er-Klasse noch anderthalb Saisons zu fahren hatte.“
Kundenteams schwieriger zu finden und zu halten
Der Fahrermarkt habe sich daher nicht völlig geändert, sei aber – wie auf der Strecke auch – umkämpfter und wettbewerbsfähiger geworden. Und das gilt nicht nur für die Frage, welcher Pilot in welchem Team fährt, sondern auch welches der Kundenteams mit welchem Hersteller zusammenarbeitet. „Aus sportlicher Sicht ist das eine positive Entwicklung“, findet Jarvis. „Wenn du also die Dorna bist, ist es toll.“
Doch für die Hersteller selbst beginnt damit neben dem Ringen um Fahrer auch das um Kundenteams. „Wir haben jetzt sechs Hersteller im Spiel und sechs Hersteller, die bereit sind, Satellitenteams zu beliefern“, sagt der Yamaha-Motorsportchef, „und die Realität ist, dass KTM das Poncharal-Team beliefern wird.“ Damit endet in dieser MotoGP-Saison eine 20-jährige Kooperation zwischen Tech3 und Yamaha als Ausstatter.
„Wussten wir, dass es eine Bedrohung war? Haben wir es so früh kommen sehen? Nein. Sind wir froh, dass wir es so früh entdeckt haben? Ja, denn jetzt können wir zumindest eine Alternative planen“, kommentiert Jarvis die Situation. Ein gutes Satellitenteam zu finden und zu halten, werde jedoch immer schwieriger. Zumal auch das Budget jedes Herstellers begrenzt sei. „Du kannst nicht einfach deine Brieftasche öffnen und alles rauswerfen.“
Text von Juliane Ziegengeist & Oriol Puigdemont
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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