Jorge Lorenzo - © GP-Fever.de

© GP-Fever.de – Beim ersten Test hinterließ Jorge Lorenzo einen guten Eindruck auf der Desmosedic

Jorge Lorenzo tritt in die Fußstapfen von Valentino Rossi und verlässt Yamaha in Richtung Ducati.

Während Rossi seine Jahre in rot am liebsten vergessen würde, sieht es bereits nach einer guten Entscheidung von Lorenzo aus.

Sechs Jahre liegen zwischen den beiden Wechseln. Rossis Ducati-Jahre 2011 und 2012 sind eine unglückliche Fußnote in seiner ansonsten glänzenden Karriere. Mit Honda und anschließend Yamaha gewann er in elf Jahren sieben WM-Titel. Er wollte, dass es auch bei Ducati klappt.

Rossi ersetzte Casey Stoner, der in seinem ersten Ducati-Jahr 2007 den WM-Titel gewinnen konnte. Anschließend reichte es aber „nur“ zu weiteren Rennsiegen. Wie sich herausstellte, holte Stoner mit einem widerspenstigen Bike Platzierungen, die das Motorrad gar nicht verdiente. In seinen Ducati-Jahren war der Australier der einzige Fahrer, der das Motorrad verstand und damit schnell war. Seine Teamkollegen Marco Melandri und Nicky Hayden, der Weltmeister von 2006, hatten Mühe. Auf der anderen Seite der Garage gab es kaum gute Resultate.

Rossi ging zu Ducati, um Weltmeister zu werden. Yamaha wollte ihm gegen den aufstrebenden Teamkollegen Lorenzo keine Sonderrechte einräumen. Es hätte Rossis Krönung werden sollen: Weltmeistertitel mit drei verschiedenen Herstellern, darunter einer italienischen Marke. Aber es wurde zum Albtraum. Die Anzeichen dafür gab es von Beginn an. Bei seinem ersten Test in Valencia Ende 2010 war Rossi mit 1,7 Sekunden Rückstand 15.

Valentino Rossi: Ducati-Wechsel wurde zum Albtraum
Anschließend folgten nur drei Podestplätze bei 35 Grands Prix. Es gab keine Siege und nur die Plätze sieben und acht in der Weltmeisterschaft. Die Romanze war rasch vorbei und er ging so schnell wie möglich zurück zu Yamaha. Jahre später gab er zu, dass es ein Fehler war, wegen des verlorenen Nummer-1-Status bei Yamaha zu Ducati zu wechseln. In diesem Jahr wurde darüber mehr gesprochen als früher, weil sich Lorenzo sehr früh dazu entschlossen hat, Yamaha zu verlassen, um ab 1. Januar offiziell bei Ducati zu sein.

Lorenzo ist in der MotoGP ausschließlich Yamaha gefahren. Er debütierte 2008 und holte in neun Jahren drei WM-Titel, 44 Siege und 39 Poles. Aber so wie bei Rossi war die Verlockung einer neuen Herausforderung groß. Ein großzügiges Taschengeld hat sicherlich auch geholfen. Aber wird es erfolgreich? Kann Lorenzos Stil auch mit einem anderen Bike als der Yamaha funktionieren? Und ist die Ducati gut genug, um dieses Motorrad zu sein? Wird es ihm gelingen, besser zu sein als Rossis miserable beiden Jahre?

Lorenzo hatte eine wichtige Woche in Valencia. Beim Grand Prix war er unantastbar. So wie das Rennwochenende selbst, hätten seine ersten beiden Ducati-Tage nicht besser laufen können. Noch darf er nicht darüber sprechen, aber sein Lächeln war offensichtlich. Alles schien zu funktionieren. Am Dienstag war Lorenzo der Erste auf der Strecke, als die Boxengasse um 10:00 Uhr geöffnet wurde. Das war zum Teil Absicht, zum Teil notwendig. Von Yamaha hatte er nur die Freigabe für diesen Test und er war sofort im Einsatz.

Erstes Abtasten: Lorenzo hat keine Probleme beim Test
Trotz kühler Verhältnisse, die 2016 seine Achillesferse waren, drehte Lorenzo zunächst fünf Runden, während die anderen noch an der Box waren. Am Ende des Tages hatte er 60 Runden abgespult. Bis auf eine Checkrunde verbrachte er den kompletten Dienstag mit dem 2016er-Bike, bevor er sich am Mittwoch mehr mit dem neuen Prototypen beschäftigte. Seine Pace wurde am ersten Tag kontinuierlich besser und er belegte den dritten Platz. Nach weiteren 66 Runden am zweiten Tag war er Achter, aber die Rundenzeiten waren bei diesem ersten Test nicht extrem wichtig.

„Die Rundenzeit könnte besser sein, aber wenn wir eine bessere Rundenzeit haben wollen, müssten wir anders arbeiten“, sagt Ducati-Rennchef Luigi Dall’Igna. „Wir haben noch keine richtige Abstimmung für ihn erarbeitet, aber wir evaluierten viel Material. Damit bin ich zufrieden.“ Es wurde methodisch gearbeitet, wie zum Beispiel seine Sitzposition kontinuierlich optimiert. Außerdem arbeitete Lorenzo erstmals mit Cristian Gabbarini zusammen, der bei Ducati und Honda die rechte Hand von Stoner gewesen ist.

Lorenzo fuhr an den beiden Tagen insgesamt 24 Mal auf die Strecke. Nur Teamkollege Andrea Dovizioso, Scott Redding und Suzuki-Testfahrer Takuya Tsuda kamen auf 25 Runs. Es ging für Lorenzo darum, sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Dass er sich wohlfühlte, wurde schon nach einem halben Tag ersichtlich, als er die Kurven mit seiner gewohnten Präzision attackierte. Die Ducati machte, was er wollte. „Sieht aus, als hätte er eine Yamaha mit etwas mehr Leistung“, kommentierte Aprilia-Fahrer Sam Lowes nach einem Rundgang um die Strecke.

Ducati noch nicht das absolute Siegerbike
Bei der Topspeed-Messung hatte Lorenzo am Dienstag die Nase vorne und war am Mittwoch Zweiter, aber diese Zahlen müssen nicht viel bedeuten. Zum Beispiel war am zweiten Tag Alvaro Bautista mit der Aspar-Ducati auf der Geraden der Schnellste, in der Zeitenliste belegte der Spanier nur Platz 14. Die Ducati-Power wurde beim Valencia-Rennen offensichtlich, als Andrea Iannone Rossi und Marquez lange im Kampf um Platz zwei in Schach halten konnte. Marquez kam schließlich vorbei, aber für den Yamaha- und Honda-Fahrer war es frustrierend, wie die Ducati auf der Geraden vorbeizog.

Nach dem Freitagstraining wurde Iannone gefragt, wo er Zeit verliert. Offen und ehrlich antwortete er: „In den Kurven. Wenn du mit hohem Speed in Schräglage umlenken willst, dann ist das sehr schwierig.“ Ducati gewann 2016 zwei Rennen, die ersten seit Stoner 2010. Aber man könnte auch argumentieren, dass zwei Siege zu wenig waren. Iannones-Sieg kam auf dem Red-Bull-Ring und Dovizioso gewann im Regen von Sepang. Das 2016er-Bike war ein klarer Fortschritt, aber es hatte dennoch seine Einschränkungen.

Darauf liegt der Fokus beim neuen Motorrad. Die Änderungen sind nicht auf den ersten Blick erkennbar, aber der Motor ist etwas anders mit dem Chassis verschraubt. Nach dem Valencia-Test meinte Dovizioso, dass sich alle Aspekte etwas verbessert haben und der Motor etwas sanfter ist. Dass das Motorrad besser umlenkt, war aber nicht sofort ersichtlich, meinte Dovizioso.

Dall’Igna kam für Rossi zu spät
Ein wichtiger Mann für den Aufschwung ist Technikmeister Dall’Igna. Er kam von Aprilia, aber erst nachdem Rossi weg war. Ende 2013 stand das Team vor einer schwierigen Phase. Dall’Igna hat die Probleme identifiziert und lenkt das Schiff in die richtige Entwicklungsrichtung. Für die GP14 kam er zu spät, aber mit der GP14.2 gab es ein deutliches Update. Anschließend kamen die GP15 und die GP16. Mit jedem Schritt gab es klare Fortschritte.

Auch wenn Dovizioso und Iannone gute Fahrer sind, bleibt immer die Frage was möglich wäre, und wie gut die Ducati mit einem der Topstars wäre. Mit einem Lorenzo, Marquez, Rossi oder (wie jetzt auch) Vinales. Ducati wollte einen großen Namen und verpflichtete Lorenzo. Das folgt auf die Rückholung von Stoner vor einem Jahr als Testfahrer. Dall’Igna kennt Lorenzo von der 125er- und 250er-Klasse, als der Spanier für Derbi und Aprilia fuhr. Lorenzo nannte ihn in diesem Jahr „ein Genie“. Dall’Igna gab dieses Lob zurück. Die beiden verstehen und vertrauen einander.

Eine Herausforderung für Ducati wird sein, wie man ohne den Winglets zurechtkommen wird. Sie haben bei der superben Beschleunigung geholfen. Dazu kommt die clevere Arbeit mit der Einheits-ECU. Honda hatte von Beginn an Probleme und Yamaha scheint zu stagnieren. Beim Test arbeitete Ducati mit den Winglets weiter und nannte als Grund, dass man genauere Vergleiche zum Rennwochenende ziehen kann.

Wie wirkt sich das Winglet-Verbot für Ducati aus?
Es bleibt abzuwarten, wie sich das Winglet-Verbot auswirken wird. Selbst von Ducati kamen gemischte Reaktionen. Dall’Igna spielte die Auswirkungen herunter, während Dovizioso meinte, der Unterschied fühlt sich auf dem Motorrad ziemlich groß an. Pramac-Fahrer Scott Redding fuhr beim Test erstmals die 2016er Desmosedici und meinte, dass man „mit den Wings etwas lockerer sein kann“. Vor allem mit der Ducati-Power wird es ohne Flügel deutlich schwieriger, das Vorderrad auf dem Boden zu halten. Bei der alten Elektronik half die Anti-Wheelie-Kontrolle deutlich besser.

„Wir versuchen das Motorrad so einzustellen, dass man nicht so weit hinten sitzt. Aber dadurch verliert man an anderen Stellen“, meinte Redding nach dem ersten Tag. Für ihn wird es im nächsten Jahr sicherlich zu einer Herausforderung, weil die GP16 für die Wings gebaut wurde. Wenn Lorenzo am 30. Januar in Sepang mit den Wintertests startet, wird er bestimmt ohne Winglets ausrücken.

Außerdem sieht es vielversprechend aus, dass er schon schnell ist. Lorenzo sah in Valencia auf dem alten und dem neuen Bike wie zu Hause aus. Und da Michelin immer weiterentwickelt, scheint sich auch der Reifentrend in seine Richtung zu bewegen und weg von Konstruktionen, die ihm nicht liegen. Zwei Siege machen eine Saison noch nicht erfolgreich, zwei Testtage Mitte November sind auch kein Angriff auf die WM. Die ersten Anzeichen sind aber gut, dass es mit Lorenzo und Ducati klappen wird.

Es ist unbestritten, dass Lorenzo zum richtigen Zeitpunkt zu Ducati gekommen ist, während es bei Rossi im Rückblick 2011 nicht schlechter hätte kommen können. Da beide von Yamaha zu Ducati gegangen sind, werden die nächsten Jahre zeigen, wo die Parallelen zwischen den beiden Weltmeistern enden.

Text von Mitchell Adam (Haymarket)

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