Jorge Martin hat in Australien seinen WM-Vorsprung ausgebaut

(Motorsport-Total.com) – Die Arbeitsweise von Ducati erlaubt es den Fahrern, sich im Laufe eines MotoGP-Wochenendes deutlich zu verbessern.

Das ist in Australien bei Francesco Bagnaia aber aus mehreren Gründen nicht passiert. Die Gerissenheit von Jorge Martin sorgt dafür, dass er im Duell um den WM-Titel Momentum gewinnt.

Das Gesicht von Bagnaia am vergangenen Sonntag in der Pressekonferenz nach dem Rennen auf Phillip Island sprach Bände. Es war der Ausdruck, wenn man zehn Sekunden hinter dem Sieger Marc Marquez und Jorge Martin ins Ziel kommt.

Der Ausdruck des amtierenden Weltmeisters drückte Sorge aus. Eine logische Reaktion, wenn man den Rückstand bedenkt. Noch dazu, weil Marquez den Start wegen seines eigenen Abreißvisiers verpatzt hatte und auf den ersten Metern nur im Bereich von Platz 13 war.

Aber dann zeigte die Startnummer 93 eine der besten Aufholjagden der jüngeren Vergangenheit und eroberte seinen dritten Saisonsieg. Neben dem offensichtlichen Potenzial der Desmosedici sind auch die Arbeitsmethoden ein Grund, warum die Performance der acht Motorräder so gut ist.

Wenn ein Motorrad zurück an die Box kommt, wird die Datenaufzeichnung heruntergeladen. Diese Daten werden auf einen Server gespielt. Darauf haben die autorisierten Techniker aller vier Teams Zugriff. Das passiert fast in Echtzeit.

Die Daten werden auch mit fortgeschrittenen Analysetools und Künstlicher Intelligenz aufbereitet. Die Kapazität für die Interpretation ist sehr hoch. Das erklärt, warum die Ducati-Fahrer im Laufe eines Wochenendes so große Fortschritte machen.

Das geschieht vom Freitag auf Samstag und dann von Samstag auf Sonntag, wenn die Daten des Sprintrennens der beste Indikator für Informationen sind. Diese Fortschritte sind oft bei Bagnaia zu sehen, während Martin meistens vom ersten Training an schnell ist.

„Wir wissen alle, dass ‚Pecco‘ am Sonntag gewinnen kann. Es spielt keine Rolle, wenn er am Freitag Probleme hat. Denn am Samstag macht er einen Schritt und am Sonntag noch einen“, sagt eine Stimme aus dem Fahrerlager.

Das zeigt auch die Statistik. Gäbe es keine Sprints, würde Bagnaia die WM-Wertung mit 295 Punkten anführen (mit Sprints sind es 404). Ohne Sprints hat Martin bisher 281 Punkte gesammelt. Mit Sprints führt er die WM mit 424 Punkten an.

Es wird versucht, Informationen zu verschleiern
Allerdings gibt es im Kontext eines engen Duells auch Möglichkeiten, diese Informationen zu verschleiern und zu versuchen, diese Fortschritte komplizierter zu gestalten. Das Wochenende in Australien hat das gezeigt.

Bagnaias Rückstand von zehn Sekunden kann mit mehreren Faktoren erklärt werden, die zusammen gegen den Ducati-Werksfahrer gearbeitet haben. Erstens ist die Strecke neu asphaltiert worden, weshalb die Daten des Vorjahres nicht mehr akkurat waren.

Zweitens spielte das Wetter eine Rolle. Das ist ein ideales Szenario für das Genie Marquez sowie für die Explosivität Martins. Aber es ist ein weniger gutes Szenario für einen Denker und Analysten wie Bagnaia.

Freitagvormittag musste das Training aufgrund von Starkregen abgesagt werden. Im zweiten Training, wo es schon um die Q2-Plätze ging, war es trocken, aber kühl. Es war die erste Möglichkeit, Daten auf dem neuen Asphalt zu sammeln.

Das Training am Samstagvormittag fand auf feuchter Strecke statt. Der Asphalt trocknete für das Qualifying. In der Theorie waren das ideale Bedingungen für Marquez, aber Martin fuhr eine außergewöhnliche Runde und eroberte mit sechs Zehntelsekunden Vorsprung die Poleposition.

Diese Runde hat schon die Form von Martin gezeigt. Am Samstag hat er den Sprint gewonnen und am Sonntag den Grand Prix erst in der Schlussphase knapp gegen Marquez verloren. Martin wollte am Ende kein Risiko mehr eingehen und keinen Sturz riskieren.

„Es war ein unglaubliches Wochenende, denn ich habe so viele Punkte wie erhofft gesammelt“, sagte Martin nach dem Podium gegenüber Motorsport.com Spanien, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network.

„Ich hätte um den Sieg kämpfen können, oder ich hätte stürzen können. Ich konzentriere mich nicht so sehr auf Siege, sondern darauf, dass ich konkurrenzfähig bin“, betont der Pramac-Fahrer. „Genau so müssen wir weitermachen.“

Jorge Martin hat die Strategie verändert
Kurz vor dem Rennen hat jemand aus Martins engem Umfeld gegenüber Motorsport.com Spanien bestätigt, dass sich die Strategie für den aktuell entscheidenden Abschnitt der Saison verändert hat.

„Wenn wir wissen, dass Martin auf einer Strecke einen Vorteil hat, dann werden wir nicht von Anfang an alles zeigen. Wir wollen diese Information nicht aus der Hand geben.“ Denn seine Daten können von allen Ducati-Fahrern studiert werden, auch von Bagnaia.

„Es gibt Wege, dieses Spiel der Irreführung zu spielen, um keine Hinweise zu geben“, sagt ein Ingenieurs eines Weltmeisters zu Motorsport.com Spanien. „Zum Beispiel, wenn man sich einen bestimmten Sektors oder eine bestimmten Kurve in einer schlechten Runde ansieht.“

„Man versucht immer, seine Waffen so spät wie möglich zu zeigen, damit die anderen deine Daten nicht sehen und davon profitieren können.“ Dass Bagnaia in Australien nicht diese Referenzwerte hatte, ist eine Erklärung für seinen großen Rückstand im Ziel.

Das sagte der Italiener sogar schon nach dem Sprint: „Jorge spielt mit uns, weil er viel schneller ist.“ Martin hat in Australien seinen WM-Vorsprung auf 20 Punkte verdoppelt. Bei den restlichen Rennen werden noch maximal 111 Zähler vergeben.

Am kommenden Wochenende gastiert die MotoGP in Thailand. Im Vorjahr hat Martin in Buriram von der Poleposition den Sprint und den Grand Prix gewonnen. Man kann davon ausgehen, dass er versuchen wird, seine Karten so spät wie möglich aufzudecken.

Gelingt Martin in Thailand eine Wiederholung der Vorjahreserfolge, dann könnte er bereits am Wochenende darauf in Malaysia den ersten rechnerischen Matchball für seinen ersten WM-Titel haben.

Auf der anderen Seite weiß Bagnaia, dass Ducati klargestellt hat, dass man nicht ins WM-Duell eingreift. Zusätzlich wird ihm bewusster, dass sein nächstjähriger Teamkollege Marquez immer stärker wird.

Text von Oriol Puigdemont, Übersetzung: Gerald Dirnbeck

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