(Motorsport-Total.com) – Die Kollision von Alex Marquez und Francesco Bagnaia war der große Aufreger des MotoGP-Rennens in Aragon.
Beim Kampf um Platz drei waren sich die beiden Ducati-Piloten uneinig und kamen in Kurve 13 zu Sturz. Eine Strafe wurde nicht ausgesprochen.
Die FIM-Stewards stuften den Vorfall als Rennunfall ein. Doch im Fahrerlager hörte man sehr unterschiedliche Sichtweisen, die zum Teil auch von der persönlichen Beziehung zum jeweiligen Fahrer beeinflusst wurden.
So war es wenig überraschend, dass Sieger Marc Marquez seinem Bruder keinen Vorwurf machte. Ebenso vorhersehbar war, dass die italienischen Fahrer tendenziell eher auf Francesco Bagnaias Seite waren. Die Mitglieder der VR46 Academy sahen in Alex Marquez den klaren Verursacher der Kollision.
Hätte Alex Marquez die Position aufgeben sollen?
Auch Simon Crafar, der zukünftige FIM-Chefsteward, kommentierte gegenüber MotoGP.com den Vorfall. Der 55-jährige Neuseeländer begleitet noch bis zum Saisonende die Übertragungen von Rechteinhaber Dorna als Experte und Kommentator und sieht die Schuld tendenziell eher bei Alex Marquez.
„Alex Marquez verbremste sich in der Kurve (zuvor). Dann wollte er seine Position nicht aufgeben“, beschreibt Crafar seine Sicht der Dinge. „Beide Fahrer fuhren auf dieser schmalen Linie, auf der die Haftung gut war.“
„‚Pecco‘ war vorn. Alex hätte die Position aufgeben sollen“, ist Crafar überzeugt. Dass Alex Marquez die rote Ducati neben sich nicht sah, bezweifelt Crafar. Denn auf Grund der Boxentafel wusste Marquez, dass direkt hinter ihm ein anderer Fahrer ist. „Alex sah, dass ‚Pecco‘ näher kam. Er holte 2,5 Sekunden innerhalb weniger Runden auf“, so Crafar. Und durch den Fehler in Kurve 12 war die Tür offen. Noch bevor die Fahrer in Schräglage gingen, lag Bagnaia leicht vorn.
„Beide waren entschlossen in die Kurve gefahren, doch ‚Pecco‘ lag vorn“, erkennt Crafar und schlussfolgert: „Beim Sprint zur nächsten Kurve muss der Fahrer zurückziehen, der hinten liegt.“ Für seine Einschätzung hatte Crafar im Gegensatz zu den aktuellen Stewards allerdings nicht alle Blickwinkel zur Verfügung. Deshalb verzichtet der 55-jährige Neuseeländer auf eine klare Schuldzuweisung.
Warum ein Rückzieher von Francesco Bagnaia nicht möglich war
Die schlechten Gripverhältnisse auf dem neu asphaltierten Kurs im Motorland Aragon spielten laut Crafar eine zentrale Rolle. Das ist auch ein Grund, warum Bagnaia nicht zurückstecken konnte, denn ein Rückzieher vor der Kurve hätte zwangsläufig zu einem Ausritt ins Kiesbett und voraussichtlich zu einem Sturz geführt.
„‚Pecco‘ musste entschlossen in die Kurve fahren. Es ist eine sehr schnelle Kurve. Man muss auf diesem schmalen Streifen fahren. Wenn man das Motorrad aufrichtet, um den Fahrer dahinter Platz zu geben, dann kommt man auf den schmutzigen Teil. Und dann kommt man von der Strecke ab oder stürzt sogar“, analysiert Crafar die Situation von Bagnaia.
Laut Crafar hätte Bagnaia anders reagiert als Alex Marquez. „Neun von zehn Mal hätte ‚Pecco‘ die Position aufgegeben und akzeptiert, dass er überholt wird. Dann hätte er sich so vorbereitet, dass er einen Konter starten kann“, bemerkt Crafar.
Auch Alex Hofmann macht die Bedingungen verantwortlich
ServusTV-Experte Alex Hofmann stuft den Vorfall ebenfalls als Rennunfall ein und gibt den schlechten Bedingungen eine Mitschuld. „Die Ideallinie ist so schmal“, verweist Hofmann auf die alles andere als idealen Gripverhältnisse in Aragon.
„Nach dem Fehler von Alex Marquez waren beide voll verzweifelt, wieder auf die Linie zu kommen“, beschreibt Hofmann seine Sicht der Dinge. „Alex war damit beschäftigt, das Bike gerade zu halten und wieder auf die Linie zu kommen. ‚Pecco‘ hingegen versuchte, den Moment zu nutzen.“
Dass Alex Marquez nicht nachgab, überrascht Hofmann nicht. „Natürlich war Alex gedanklich schon mit einem Bein auf dem Podium und wollte mit seinem Bruder die Party miterleben. Es war natürlich ein verzweifeltes Gegenhalten. Es kam alles zu einem schlechten Zeitpunkt zusammen, weil es nur einen Meter gute Ideallinie gab“, kommentiert Hofmann bei ServusTV.
Text von Sebastian Fränzschky
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