Toprak Razgatlioglu zog sich laut der ersten Untersuchung eine Rückenprellung zu

(Motorsport-Total.com) – Die BMW-Bestzeit von Michael van der Mark rückte beim Trainings-Freitag der Superbike-WM in Magny-Cours (Frankreich) in den Hintergrund. Ein schwerer Sturz von Teamkollege Toprak Razgatlioglu überschattete das Nachmittags-Training auf dem Circuit de Nevers.

UPDATE, 21:19 Uhr: Am Freitagabend bestätigte BMW, dass das Rennwochenende für Razgatlioglu vorzeitig beendet ist. Der WM-Spitzenreiter ist nach Untersuchungen im Krankenhaus für „nicht fit“ erklärt worden. Ein Update zu seiner Genesung will BMW „zur gegebener Zeit“ folgen lassen.

Derzeit vermeldet man im Namen von BMW-Motorsportchef Sven Busch: „Die gesamte Familie von BMW Motorrad Motorsport wünscht Toprak eine schnelle Genesung. Nach seiner großartigen Erfolgsserie ist das natürlich ein Rückschlag, aber die Gesundheit ist das Allerwichtigste. Wir freuen uns darauf, ihn so bald wie möglich wieder mit uns an der Strecke zu haben.“

Bei seiner ersten fliegenden Runde im FT2 am Freitagnachmittag in Magny-Cours verlor Razgatlioglu im schnellen Linksknick zwischen Kurve 14 und Kurve 15 die Haftung am Vorderrad und rutschte in den inneren Teil der Strecke.

In diesem Bereich steht eine Mauer hervor, die verhindern soll, dass gestürzte Motorräder wieder auf die Strecke rutschen und andere Fahrer treffen. Doch in diesem Fall rutschte das Motorrad nach außen und der Fahrer nach innen.

Razgatlioglu krachte bei hohem Tempo – an dieser Stelle befindet man sich laut seinen Kollegen im fünften Gang – in die hervorstehende Mauer, die lediglich durch Reifenstapel geschützt wurde. Nach der ersten Untersuchung im Medical-Center zog sich Razgatlioglu eine Rückenprellung zu. Der BMW-Pilot wurde für weitere Untersuchungen ins Krankenhaus gebracht.

Warum die Verantwortlichen auf Airfences verzichteten und die Mauer lediglich durch Reifenstapel sicherten, war eine der großen Fragen am Freitag. Aber auch die Arbeit der TV-Regie verärgerte die WSBK-Piloten, allen voran Jonathan Rea.

Große Betroffenheit und Frust bei Jonathan Rea
Rekord-Champion Jonathan Rea wirkte bei seiner Medienrunde sichtlich mitgenommen. „Verdammte Scheiße! Ich verstehe nicht, warum die Regie entschieden hat, den Sturz erneut zu zeigen. Es war schrecklich“, schimpft der Yamaha-Pilot, der die Bilder während der Unterbrechung auf den Monitoren sah.

„Ich hatte noch den Helm auf, als ich die TV-Bilder sah. Ich musste schreien!“, gesteht Rea. „Meine Mechaniker mussten mich beruhigen. Sie meinten, er konnte aufstehen und gehen. Doch ich begreife wirklich nicht, warum man so etwas während einer Session zeigen muss. Es war ziemlich dumm, was im TV-Truck gemacht wurde.“

Laut Rea ist die Mauer an dieser Stelle notwendig, aber problematisch. „Wir haben das Thema mit der Mauer sehr oft besprochen. Wir sprechen jedes Jahr darüber. Doch eine Mauer ist nötig, weil sonst ein Motorrad über die Strecke fliegen und dann einen anderen Fahrer treffen kann“, zeigt Rea Verständnis.

„Aber Toprak krachte in diese verdammte Mauer. Es wäre ein Desaster gewesen, wenn er in einem anderen Winkel einschlagen wäre“, kommentiert Rea, der in Airfences eine naheliegende Lösung sieht.

„Man erwartet nicht, an dieser Stelle zu stürzen. Doch wir haben bereits über diese Mauer gesprochen. Doch was passiert, wenn diese Mauer verschwindet?“, fragt Rea. „Was passiert bei einem Bremsverlust, wenn das Motorrad geradeaus steuert und es keine Mauer gibt, um es aufzuhalten? Was ist, wenn ein anderer Fahrer zwischen Kurve 15 und 16 getroffen wird?“

„Wir fahren hier Motorradrennen. Manchmal muss man mit dem Risiko leben“, grübelt der WSBK-Routinier. War Razgatlioglus Sturz ein Beleg, dass die Motorräder für viele Traditions-Rennstrecken zu schnell geworden sind?

„Als Fahrer will man immer schneller sein“, bemerkt Rea. „Es ist schwierig, alle happy zu machen und Wege und Möglichkeiten zu finden, um die Hersteller und die Regeln unter einen Hut zu bringen. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn wir mit Motorrädern fahren, die langsamer sind als die Serienversionen“, kommentiert der Nordire und verweist darauf, dass der Sturz mit einem etwa 80 PS schwächeren Supersport-Bike nicht viel anders verlaufen wäre.

Obwohl sich die Motorradprofis von Stürzen ihrer Gegner nur selten beeindrucken lassen, lieferte Rea ein Geständnis und offenbarte, dass er nach dem Razgatlioglu-Crash langsamer war: „Ich habe das Gas jede Runde ein bisschen weiter zugedreht, damit mir das Vorderrad nicht wegrutscht.“

Alvaro Bautista: 20 oder 30 Zentimeter verhinderten eine Katastrophe
Wie knapp die Superbike-WM am Freitagnachmittag an einer Katastrophe vorbei schlitterte, war auch Weltmeister Alvaro Bautista bewusst. „Toprak hatte so viel Glück. Es wäre in einem Desaster geendet, wenn er 20 oder 30 Zentimeter näher an der Mauer gewesen wäre“, bemerkt Bautista. „Es war eine große Erleichterung, zu sehen, wie er wieder aufsteht.“

„Es war ein merkwürdiger Sturz, doch solche Stürze können passieren. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man hier stürzen kann“, warnt Bautista und schlägt ebenfalls vor, die Stelle mit Airfences besser zu sichern.

Doch wie erklärt sich Bautista den Sturz an dieser eher ungewöhnlichen Stelle? „Er pushte sehr hart. Es war seine erste gezeitete Runde“, sucht Bautista nach der Ursache. „Vielleicht war der Reifen noch nicht im perfekten Zustand, um attackieren zu können?“

Mauer laut Michael van der Mark „nicht perfekt“, aber notwendig
Michael van der Mark überraschte am Freitag mit der FT2-Bestzeit und bescherte BMW die Tages-Bestzeit. Doch das sportliche Geschehen rückte klar in den Hintergrund. „Es war ein heftiger Sturz“, kommentiert Van der Mark den Sturz seines Teamkollegen. „Er hatte Glück, dass er so einschlug.“

Dass es an der Sturzstelle eine Mauer gibt, kann Van der Mark nachvollziehen: „Es gab Stürze, bei denen die Motorräder in der Mauer landeten. Bei diesen Vorfällen hat die Mauer also ihre Aufgabe erledigt.“

„Die Mauer ist nicht perfekt. Aber keine Mauer zu haben, ist ebenfalls nicht perfekt. Wenn etwas geändert werden sollte, dann die komplette Kurve. Doch es ist seit vielen Jahren so“, winkt Van der Mark ab.

„Es wäre gut, an dieser Stelle Airfences zu haben“, schlägt Garrett Gerloff vor und warnt: „Beim nächsten Mal geht es sicher nicht so glimpflich aus. Toprak hatte wirklich großes Glück. Es wäre unverantwortlich, nicht zu reagieren.“

Dass Razgatlioglu mit seinem Oberkörper einschlug und nicht mit den Beinen zuerst, war laut Gerloff ein sehr glücklicher Umstand. „Er hatte so großes Glück, dass er sich drehte und nicht zum Stopp kam. Es war wirklich beängstigend!“

Text von Sebastian Fränzschky, Co-Autor: Mario Fritzsche

Motorsport-Total.com
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
Motorsport-Total auf Facebook
Motorsport-Total auf Twitter

Dieser Beitrag wurde unter Racing abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert