Eine Analyse der Kräfteverhältnisse war nach dem ersten Schlagabtausch beim Test in Sepang schwierig. Große Zeitabstände, unterschiedliche Strategien und wechselnde Bedingungen verhindern die erhoffte Transparenz.
Mit einem Blick auf die Rundenzeiten wird aber zweifellos klar, dass der WM-Titel nur über Weltmeister Jorge Lorenzo geht. Der Spanier führte beim Test in Sepang die Zeitenliste souverän an und war der einzige Fahrer, der es unter die magische Zwei-Minuten-Marke schaffte.
Fragezeichen stehen hinter der Form der Honda-, Ducati- und Suzuki-Piloten. Es deutet sich ab, dass die Honda-Piloten die größten Probleme haben, sich an die neue Elektronik und die Charakteristik der Michelin-Reifen zu gewöhnen. Bis Ende 2015 galt die HRC-Elektronik als bestes System der MotoGP. Nach dem Wechsel zur Einheitselektronik verlor Honda diesen Vorteil. Zudem harmoniert die RC213V noch nicht mit der wenig ausgeprägten Stabilität der Michelin-Vorderreifen.
Unklar ist aktuell, wie stark Ducatis 2016er-Modell ist. Selbst Ducati-Corse-Chef Luigi Dall’Igna grübelt nach den drei Tagen in Sepang, ob die Neuentwicklung tatsächlich besser ist als die GP15, die man 2015 immer besser verstand. Bisher scheint Ducati noch kein passendes Setup für die neue Maschine gefunden zu haben. Werkspilot Andrea Iannone war in Sepang langsamer als Pramac-Pilot Danilo Petrucci. Selbst Avintia-Pilot Hector Barbera war mit seiner 2014er-Ducati schneller als Iannone.
Doch wenn man sich die starken Zeiten der Ducati-Satellitenfahrer auf der Zunge zergehen lässt, dann muss man 2016 auf jeden Fall mit Ducati rechnen. Das Potenzial der 2016er-Desmosedici dürfte höher sein als das der Vorjahresmaschine. Dall’Igna ist stolz auf die vielen Detailverbesserungen und hofft, bald das Maximum aus seiner Kreation herausholen zu können. Wird Ducati nach der Analyse der Daten beim kommenden Test in Australien schon deutlich stärker auftreten?
Ex-Ducati-Pilot Cal Crutchlow ist überzeugt, dass Ducati beim Saisonstart das Team sein wird, das es zu schlagen gilt. Ducatis Hintergrundwissen über die Elektronik besorgt den Briten. „Sie wissen, wie sie damit umgehen müssen. Sie sind sehr clever, wenn es um die Elektronik geht“, betont Crutchlow, der die jahrelange Zusammenarbeit zwischen Ducati und Magneti Marelli als großen Vorteil wertet.
„Im Moment haben sie den größten Vorteil. Sie liegen soweit voraus“, betont der LCR-Honda-Pilot, der Jorge Lorenzos Testzeiten nicht überbewerten möchte: „Yamaha hat ein tolles Paket und tolle Fahrer. Sie verfügen über ein sehr neutrales Paket und können unter allen Umständen schnell sein. Doch bei der Elektronik sind sie nicht mal ansatzweise so weit wie Ducati.“
„Ich wäre wirklich überrascht, wenn Ducati in Katar nicht gewinnt. Sie haben gute Fahrer und clevere Leute, die wissen, wie man die Regeln richtig nutzt“, schildert der ehemalige Supersport-Weltmeister, der von der aktuellen Situation etwas überrascht ist: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand in den vergangenen fünf oder sechs Jahren von sich behaupten konnte, er wolle Ducati kopieren. Doch im Moment ist das der Fall. Sie arbeiten gut.“
Text von Sebastian Fränzschky & David Emmett
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