(Motorsport-Total.com) – BMW kehrte in der Saison 2019 werksseitig in die Superbike-WM zurück.
Mit der damals frisch präsentierten S1000RR wollten die Münchner innerhalb von drei Jahren zu einem WM-Anwärter avancieren.
Nach den ersten Erfolgen legte BMW nach zwei Jahren nach und schickte mit der M1000RR eine noch radikalere Version des Superbikes an den Start.
Doch ein WM-Anwärter ist BMW auch im vierten Jahr des Projekts noch nicht, obwohl man mit Scott Redding und Michael van der Mark über eine der stärksten Fahrerpaarungen verfügt.
Redding kam im Winter zu BMW und brachte die Erfahrungen von 2020 und 2021 mit. Auf der Ducati Panigale V4R wurde Redding in der Saison 2020 Vize-Weltmeister und beendete die darauf folgende Saison als WM-Dritter. Diese Erfolgsserie wollte der Brite bei BMW fortsetzen. Podestplätze sind für den 29-Jährigen aus Gloucester aber aktuell außer Reichweite.
Beim zweiten WSBK-Event der laufenden Saison zeigte die Formkurve immerhin nach oben. Redding ließ sich beim Wochenende in Assen dennoch hinreißen, einige kritische Äußerungen über die Entwicklung bei BMW abzugeben.
Scott Redding äußert sich kritisch zur BMW-Philosophie
„Ich habe meine Ideen und Vorstellungen, doch die passen nicht ganz zum Konzept“, bemerkt Redding und deutet an, dass es zwischen BMW und ihm unterschiedliche Ansichten gibt. „Das ist der schwierige Teil für sie. Es ist nicht so, dass wir gegeneinander kämpfen. Doch meine Empfindungen sind nicht das, wovon sie denken, dass es richtig ist.“
„Ich denke nicht, dass ich der einzige Fahrer bin, der so denkt“, fügt Redding hinzu und bringt seine Kritik auf den Punkt: „Sie müssen mir vertrauen und nicht einem Computer. Computer sind toll, sie liefern viele Informationen. Doch ein Computer sitzt nicht auf dem Motorrad und dreht am Gas.“
Hat BMW an der Rennstrecke zu wenig Personal?
Das Team von Shaun Muir (SMR) kümmert sich seit BMWs Rückkehr in die Superbike-WM um den Einsatz auf der Rennstrecke. Im Vergleich zum Ducati-Werksteam, das durch Feel Racing unterstützt wird, erkennt Redding einige Unterschiede in der Struktur.
„Das Team hier ist kleiner. Bei Ducati gibt es eine größere Struktur mit mehr Leuten im Hintergrund. Hier ist es kompakter. Die einzelnen Mitarbeiter erledigen mehr Aufgaben“, erkennt Redding und wundert sich: „BMW hat die nötigen Ressourcen, doch das Rennteam ist ziemlich klein. Das ist ein Vorteil, um schnell reagieren zu können. Doch manchmal benötigt man mehr Personal.“
Wir möchten von Redding wissen, ob das vorhandene Personal ausreichend, um in der Superbike-WM die angestrebten Resultate einzufahren? Redding überlegt und sucht nach einer diplomatischen Antwort. „Alles ist möglich, doch wie lange benötigt man dafür?“, fragt er.
„Welche Fortschritte wurden in den vergangenen vier Jahren erzielt und welche Fortschritte erwarte ich in den kommenden vier Jahren?“, grübelt der BMW-Neuzugang. „Geduld wird eine Rolle spielen. Und ich habe keine Geduld. Ich werde älter. BMW hat die Ressourcen. Und ich denke, dass sie einen Plan haben.“
Das Horror-Wochenende in Aragon hat bei Scott Redding Spuren hinterlassen
Scott Reddings erstes Renn-Wochenende auf der BMW verlief absolut enttäuschend. Der WM-Dritte der vergangenen Saison fuhr in den drei Aragon-Rennen nur einen WM-Zähler ein und überraschte am Sonntag mit der Absage aller Medientermine. Laut eigenen Aussagen hatte er eine Woche lang mit niemandem gesprochen.
„Es war auf jeden Fall meine schlimmste Erfahrung, seit ich in der Superbike-WM fahre. Es kamen so viele Dinge zusammen“, blickt Redding mit etwas Abstand auf das Wochenende in Spanien zurück. Doch wie reagierte das Team auf diesen Rückschlag?
Scott Redding sieht sich nicht als das Problem an
Bekam er Rückendeckung oder wurde er unter Druck gesetzt? Immerhin fuhr Loris Baz mit der BMW im vorderen Mittelfeld. „Schlussendlich ist es mir egal, denn ich konnte in der Vergangenheit mein Potenzial zeigen. Jeder im Fahrerlager weiß, dass ich Rennen gewinnen kann. Jeder weiß, dass ich ein Kandidat für die Top 3 in der WM bin“, erklärt Redding.
„Ich bin nicht das Problem. Deshalb kann ich nachts gut schlafen. Ich weiß, was ich kann“, kommentiert der ehemalige Ducati-Pilot. Bereits in der MotoGP musste Redding einige Rückschläge verkraften. Die Erfahrung in Aragon war laut dem Briten aber nicht mit den Tiefpunkten in der MotoGP zu vergleichen.
„Als ich in der MotoGP fuhr und Probleme mit den Motorrädern hatte, sagten viele Leute, dass Scott dies und das macht und das gleiche Motorrad wie irgendein anderer Fahrer hat. Ich wusste, dass ich nicht das gleiche Material hatte. Ich wusste, dass ich zu mehr fähig war. Doch ich hatte nie die Ergebnisse, die nötig sind, um es zu zeigen. Doch hier habe ich das“, vergleicht Redding.
„Ich kämpfte in meinen beiden ersten Jahren um Siege und um die Meisterschaft. Mir war klar, dass es nicht an mir liegt, als ich nach dem Wechsel des Herstellers nur noch 15. wurde“, erklärt der BMW-Werkspilot.
Mit Platz fünf im zweiten Assen-Rennen feierte Redding beim zweiten Wochenende sein bisher bestes Ergebnis als BMW-Pilot. Ohne die Ausfälle wäre er aber nicht in die Top 5 gefahren. „Das Motorrad ist im Moment gut genug für die Positionen sechs bis zehn. Ich kann Rennen gewinnen. Ich gewann viele Rennen, doch ich spüre, dass mir das Motorrad nicht ermöglicht, diesen Schritt zu machen“, so Redding.
„Ich komme von einem Motorrad, das ziemlich gut ist. Es ist aber auch ziemlich anders“, bemerkt der BMW-Neuzugang. „Mir ist klar, dass es Zweifel an meinen Aussagen gibt. Doch ich konnte viele Rennen gewinnen und weiß, wie es sich anfühlen muss.“
Text von Sebastian Fränzschky
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