(Motorsport-Total.com) – Seit Wochen wird Marc Marquez regelmäßig vor allem folgende Frage gestellt: „Fährst du nächstes Jahr noch für Honda?“
Der sechsmalige MotoGP-Weltmeister wählt seine Worte immer mit Bedacht. „Ich habe einen Vertrag“, wiederholt er gebetsmühlenartig, ohne mehr zu sagen.
Anfang 2020 hat Marquez einen Vierjahresvertrag mit Honda unterschrieben. Es ist aber nicht in Stein gemeißelt, dass er nächste Saison tatsächlich auch auf der RC213V sitzen wird. Auch Honda hat bereits diese Möglichkeit angesprochen.
„Wenn er sich entscheidet zu gehen, dann werden wir ihn nicht aufhalten“, hat HRC-Präsident Koji Watanabe festgehalten. Honda hat die Befürchtung, dass man den Eckpfeiler des Projekts verlieren könnte. Alles ist seit Jahren auf Marquez fokussiert.
Seine Macht versucht der Spanier auch zu nutzen. In mehreren Besprechungen mit den Entscheidungsträgern hat er seine Wünsche deponiert. Honda muss unter anderem die Arbeitsweise ändern, wenn man wieder konkurrenzfähig werden will.
Ducati, Aprilia und KTM entwickeln viel rascher. Bei Honda hat es zum Beispiel über ein Jahr gedauert, bis ein neues Aerodynamik-Konzept zur Rennstrecke gebracht worden ist. Am Montag nach dem Grand Prix in Misano findet ein wichtiger Test statt.
Seit Wochen deutet Marquez auf diesen Tag. Dann möchte er sehen, welche technischen Fortschritte Honda im Köcher hat. Davon will er seine Entscheidung bezüglich Zukunft abhängig machen. Allerdings herrschte in der Honda-Box zuletzt Ernüchterung.
In der Honda-Garage ist Skepsis zu spüren. Niemand glaubt daran, dass das Testmotorrad der große Konzeptwechsel sein wird, den alle Honda-Fahrer schon seit geraumer Zeit verlangen. Das Rennteam hat auch wenige Einblicke in die Aktivitäten in Japan.
Kann Honda europäische Ingenieure abwerben?
Eine Grundbedingung für den Verbleib von Marquez soll auch sein, dass neue Ingenieure engagiert werden. Europäische Ingenieure von der Konkurrenz. Gigi Dall’Igna soll als Name genannt worden sein, aber es ist schwer vorstellbar, dass er Ducati verlässt.
KTM hat zum Beispiel Fabiano Sterlacchini engagiert, der einige Jahre zuvor eng mit Dall’Igna bei Ducati zusammengearbeitet hat. Auch Performance-Ingenieure von Suzuki, die meisten Italiener, sind nach dem Suzuki-Aus nach Österreich weitergezogen.
Massimo Rivola hat mit seiner Formel-1-Vergangenheit ebenfalls sehr gute Kontakte und konnte Aprilia personell verstärken. Die europäischen Marken haben das Entwicklungsrennen beschleunigt,während die Japaner Honda und Yamaha zu konservativ sind.
In Mugello war Shiniji Aoyama, der zweithöchste Chef von Honda, zu Besuch und besprach sich mit Marquez. Nach Spielberg kam Hikaru Tsukamoto, der Chef der Motorradabteilung von Honda. Er gab grünes Licht, dass Personal von der Konkurrenz abgeworben werden darf.
Dazu ist anzumerken, dass sich dieser Richtungswechsel von Honda beschleunigt hat, nachdem Marquez auf dem Sachsenring nach seinem fünften Sturz an zweieinhalb Tagen nicht mehr fahren wollte.
Dass Problem ist, dass Teamchef Alberto Puig nicht viele Möglichkeiten hat, Ingenieure zu engagieren. Einerseits ist das Jahr schon weit fortgeschritten, andererseits müsste er die Personen auch überzeugen, zu Honda zu wechseln.
Wird im Hintergrund Wechsel zu Gresini vorbereitet?
Wenn man all das bedenkt, dann scheint es logisch, dass Marquez für 2024 eine Alternative zu Honda in der Hinterhand haben möchte – egal ob er schlussendlich bleiben wird, oder sich (nach den Erkenntnissen des Misano-Tests) doch zu einem Abschied entschließt.
Alle Anzeichen deuten auf die Gresini-Box. Nicht weil dort schon sein Bruder Alex fährt, sondern weil die zweite Ducati weiterhin unbesetzt ist. Die Vertragsverlängerung von Luca Marini bei VR46 und der Wechsel von Franco Morbidelli zu Pramac sind nur noch Formalitäten.
Das zweite Gresini-Motorrad wurde bisher allen verweigert. Jake Dixon und Tony Arbolino wurde nach der Sommerpause mitgeteilt, dass dieser Platz nicht zu haben ist. Deswegen haben beide die Verträge mit ihren jeweiligen Moto2-Teams verlängert.
Ob Fabio di Giannantonio eine dritte Saison bei Gresini bleiben darf, ist ungewiss. Der Italiener befindet sich in konkreten Gesprächen mit dem Fantic-Team, um in die Moto2 zurückzukehren. Fantic hat mit Aron Canet bereits einen Fahrer bestätigt.
Dazu kommt, dass es von Gresini-Seite bisher extrem ruhig war bezüglich zweitem Fahrer. Weder Marketing-Direktor Carlo Merlini noch Teamchefin Nadia Padovani haben in den vergangenen Wochen ein Wort darüber verloren.
Schließlich ist es ihre Entscheidung, wer der Teamkollege von Alex Marquez sein wird. „Es liegt an dem Gresini-Team, wen sie unter Vertrag nehmen“, hält Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti fest. „Wir geben nur Empfehlungen ab, mehr nicht.“ Gresini erhält auch in der kommenden Saison das Ducati-Modell aus dem Vorjahr.
Text von Gerald Dirnbeck, Co-Autor: German Garcia Casanova
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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