(Motorsport-Total.com) – Die MotoGP-WM 2022 hat sich am Donnerstag mit einer Rücktrittsankündigung aus der Sommerpause zurückgemeldet. Andrea Dovizioso fährt am Sonntag das drittletzte Rennen seiner langen MotoGP-Karriere.
Im Anschluss an den Grand Prix von Großbritannien in Silverstone wird Dovizioso nur noch den Grand Prix von Österreich in Spielberg (21. August) und als Abschluss sein Heimrennen – den Grand Prix von San Marino in Misano (4. September) – bestreiten. Dann beendet der erfahrene Italiener seine letzte WM-Saison vorzeitig und übergibt die 2022er-Yamaha des RNF-Teams an Yamaha-Testfahrer Cal Crutchlow.
Nachdem der bevorstehende Dovizioso-Rücktritt am Donnerstagmittag in Silverstone von Yamaha bekanntgegeben wurde, äußert sich der Protagonist in seiner Medienrunde am Abend ausführlich zu den Beweggründen und auch zu seinen Zukunftsplänen.
„Nach 20 Jahren eine solche Entscheidung zu treffen, ist natürlich immer schwierig“, blickt Dovizioso auf seine gesamte WM-Karriere zurück. Die begann auf Vollzeitbasis mit der Saison 2002 in der 125er-Klasse, nachdem er im Jahr zuvor, beim Italien-Grand-Prix 2001 in Mugello, einen Wildcard-Einsatz absolviert und damit sein WM-Debüt gegeben hatte.
Seine Entscheidung, die MotoGP-Saison 2022 nicht mehr zu Ende zu fahren, sondern sechs Rennen vorher zu beenden, hat Dovizioso in erster Linie selbst getroffen, aber natürlich mit Yamaha abgestimmt. „Es ist okay. Ich bin entspannt“, versichert er und sagt: „Jetzt ist der richtige Moment für diese Entscheidung.“
Noch drei Rennen bis zum Abschied: Dovizioso dankt Yamaha
„Ich möchte mich bei Yamaha und dem [RNF-]Team bedanken, denn sie haben mich nach Kräften unterstützt und verstehen meine Entscheidung. Das ist mir sehr wichtig. Ich konnte mit ihnen ganz entspannt über meine Situation sprechen“, so Dovizioso.
„Wenn du als Rennfahrer auf der Strecke nicht mehr vorne mitfährst, dann beginnen deine Gedanken zu kreisen. Das ist der Moment, in dem dir klar wird, dass es an der Zeit ist. Und genau deshalb hab ich diese Entscheidung getroffen“, erklärt der 36-jährige Italiener, dessen größte Erfolge in der Königsklasse 15 Grand-Prix-Siege (Donington 2009 auf Honda bis Spielberg 2020 auf Ducati) sowie drei aufeinanderfolgende Vize-WM-Titel (2017 bis 2019) waren.
In allen drei Jahren, in denen er Vizeweltmeister wurde, trug Dovizioso den WM-Kampf gegen Marc Marquez aus. Und der Spanier meldet sich am Donnerstag umgehend auf Twitter, um seinem einstigen Rivalen zu dessen zu Ende gehender Profikarriere zu gratulieren. „Herzlichen Glückwunsch zu deiner Karriere, Andrea Dovizioso! Es war ein Vergnügen, zu lernen und die Duelle auf der Strecke mit einem Kämpfer wie dir auszutragen! #GrazieDovi“, schreibt Marquez.
Abgesehen von seinem Premierensieg in Donington 2009 auf Honda hat Dovizioso all seine MotoGP-Siege auf Ducati eingefahren. Mit der modernen Yamaha M1 aber kam er seit seinem Comeback im September 2021 in Misano nie wirklich zurecht.
Warum „Dovi“ mit der modernen M1 nicht zurechtkommt
2012 hatte Dovizioso im damaligen Yamaha-Satellitenteam Tech 3 schon einmal eine M1 pilotiert und war WM-Vierter geworden. Seither aber hat sich viel verändert. In Misano 2021, an seinem ersten Wochenende seiner zweiten Yamaha-Zeit, ließ „Dovi“ durchblicken, dass seine Körpergröße eines der Probleme sei. Mit 1,65 Metern ist der Italiener der kleinste Fahrer im aktuellen MotoGP-Feld. Zum Vergleich: Yamaha-Speerspitze Fabio Quartararo ist zwölf Zentimeter größer.
Auf Doviziosos Körpergröße hat man bei RNF-Yamaha im Winter 2021/22 zwar mit entsprechenden Umbauten reagieren können. Aber es gab und gibt noch andere Faktoren, die verhinderten, dass „Dovi“ ähnlich konkurrenzfähig auftreten konnte wie er es etwa in seinen besten Tagen als Ducati-Werkspilot konnte.
„Vom ersten Moment an, als ich auf dieses Bike gesprungen bin, war ich ein bisschen überrascht vom Gripniveau“, sagt Dovizioso und stellt heraus: „Das ist der Bereich, in dem ich am meisten zu kämpfen hatte. Hinzu kommt noch, dass mein Fahrstil nicht der beste ist, um das Potenzial dieses Bikes zu entfalten. Dass man mit diesem Bike durchaus konkurrenzfähig sein und um den WM-Titel fahren kann, das zeigt Fabio ja Rennen für Rennen.“
„Gemeinsam mit dem Team, mit Ramon (Crewchief Ramon Forcada; Anm. d. Red.) und mit Yamaha habe ich viele Dinge probiert, vielleicht zu viele Dinge“, meint Dovizioso, will das aber nicht als Grund für seinen Rücktritt verstanden wissen: „Selbst dann, als wir etwas Größeres probierten, hatte das keine großen Auswirkungen. Das hat mir gezeigt, dass mein Fahrstil, meine Herangehensweise an die Strecken und die Charakteristik der Yamaha einfach nicht richtig zusammenpassen.“
In genau einem Monat geht Doviziosos MotoGP-Karriere also genau dort zu Ende, wo er ein Jahr zuvor sein Comeback nach fast einem Jahr Auszeit gegeben hatte, nämlich in Misano. „Dort werde ich mich mit einer Party und mit einem Lachen im Gesicht von all meinen Freunden und all meinen Fans verabschieden“, kündigt er an.
In seiner MotoGP-Abschiedssaison 2022 hat es Dovizioso bei den elf bisherigen Rennen auf gerade mal zehn WM-Punkte gebracht. Sein bestes Ergebnis war P11 beim Grand Prix von Portugal im April in Portimao. In der aktuellen MotoGP-Gesamtwertung 2022 liegt er abgeschlagen auf dem 22. Rang. Sein RNF-Teamkollege, der im Winter direkt aus der Moto3-Klasse aufgestiegene MotoGP-Rookie Darryn Binder, steht ebenfalls bei zehn WM-Punkten.
Zukunft: Dovizioso kündigt „größeres Projekt“ an
Und wie sehen Doviziosos Zukunftspläne aus? Kann er sich gegebenenfalls abseits der Motorrad-WM weitere Renneinsätze vorstellen? „Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich keine große Sache auf dem Tisch liegen“, gibt er zu und meint: „Das liegt einfach daran, dass ich mich gar nicht bemüht habe, irgendetwas zu finden. Ich denke, nach 20 Jahren ist das normal. Du willst dann einfach mal ein bisschen anders leben.“
„Trotzdem“, so der 36-Jährige weiter, „wird Sport weiterhin eine Rolle in meinem Leben spielen. Ich bin zwar nicht mehr der Allerjüngste. Ich fühle mich aber immer noch jung genug, um mich körperlich zu betätigen, zum Beispiel beim Motocross.“
Gleichzeitig lässt Dovizioso anklingen, dass er sich künftig nicht nur sportlich betätigen will: „Ich habe schon seit zehn Jahren einen Traum für ein größeres Projekt zu Hause. Das ist noch immer nicht abgeschlossen, aber es fehlt nicht mehr viel. Ich kann noch nicht darüber sprechen, weil es noch ein bisschen zu früh ist. Aber auf dieses Projekt bin ich wirklich sehr stark fokussiert.“
Text von Mario Fritzsche, Co-Autor: Mark Bremer
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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