(Motorsport-Total.com) – Titelverteidiger Alvaro Bautista erlebte mit seiner Ducati Panigale V4R einen nahezu perfekten Start in die WSBK-Saison 2023.
Elf Siege aus zwölf Rennen sind eine beeindruckende Bilanz nach dem ersten Drittel der Saison. Zuletzt fuhr Bautista vor den heimischen Fans in Barcelona spielerisch drei Siegen entgegen. Bereits vor dem Wochenende war seinen Herausforderern klar, dass es im besten Fall um zweite Plätze geht.
Rekord-Champion Jonathan Rea (Kawasaki) schüttelte seinen Kopf, als er vor dem Wochenende gefragt wurde, ob er um Siege kämpfen kann. Und auch Toprak Razgatlioglu (Yamaha) war sich bewusst, dass er gegen Alvaro Bautista auf der Ducati keine Chance hat.
„Es ist schwierig, wenn man vorher weiß, dass man nicht gewinnen kann“, kommentiert Kawasaki-Teammanager Guim Roda im Exklusiv-Interview mit ‚Motorsport-Total.com‘. Kawasaki dominierte die Superbike-WM viele Jahre, hat im Vorjahr aber den Anschluss verloren.
„Wir müssen sicherstellen, dass es einen guten Wettbewerb gibt“, stellt Guim Roda mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Serie klar. „Wir müssen an der Spitze kämpfen und versuchen, zu gewinnen. Ich denke nicht, dass aktuell die Gefahr besteht, dass ein Hersteller aufhört. Wir unterhalten uns aber, wie wir eine gute Balance schaffen, um an den Wochenenden Chancen auf Siege zu haben.“
„Kawasaki betreibt Rennsport, um den Wert der Marke zu steigern. Man möchte mit den eigenen Produkten konkurrenzfähig sein und eine tolle Show bieten. Kawasaki investiert viel in diese Meisterschaft. Natürlich stecken auch die Sponsoren viel Geld in das Projekt“, bemerkt der Kawasaki-Teammanager.
Hinterfragen Yamaha und Kawasaki ihre Teilnahme an der WSBK?
Aktuell sind fünf Hersteller in der Superbike-WM mit Werksteams vertreten. Doch das könnte sich ändern, wenn weiterhin ein Hersteller dominiert. Selbst während der Kawasaki-Dominanz von 2015 bis 2020, als Jonathan Rea sechs Titel in Folge sicherstellte, konnten andere Hersteller Rennen gewinnen. Aktuell ist Bautista so dominant, dass die Gegner auf Fehler der Spaniers angewiesen sind, um Rennen zu gewinnen.
Wir haben bei Yamaha-Teammanager Paul Denning nachgehakt, wie er die Lage einschätzt. Besteht das Risiko, einen oder mehrere Hersteller zu verlieren? „Kurzfristig gesehen denke ich nicht, dass diese Gefahr besteht“, grübelt der Brite.
„Doch es gibt innerhalb der Herstellervereinigung MSMA und zusammen mit der FIM intensive Gespräche, um das Wachstum der Meisterschaft sicherzustellen. Wir könnten aber an einen Punkt kommen, an dem Kawasaki und Yamaha ihre Teilnahme hinterfragen, weil sie nicht mehr konkurrenzfähig sein können“, warnt Denning im Exklusiv-Interview mit ‚Motorsport-Total.com‘.
Neue Preisobergrenze: Ducati hat die „politische Macht genutzt“
Ducati legte im Winter mit einem neuen Homologationsmodell nach. Es war das erste Update seit dem Debüt des V4-Superbikes in der Saison 2019. Damit die 2023er-Ducati teilnehmen darf, wurde die Preisobergrenze für eine neues Motorrad von 40.000 Euro auf 45.000 Euro angehoben.
„Ducati hat ohne die Zustimmung der anderen Hersteller einen Vorschlag unterbreitet, den maximalen Verkaufspreis zu erhöhen. Sie haben ihre politische Macht genutzt, um den Vorschlag bei der FIM und der Dorna durchzuboxen“, bemerkt Paul Denning und fügt hinzu: „Dadurch sind sie noch weiter weg, als es vorher bereits der Fall war.“
„Es geht nicht darum, ob Ducati cleverer war als die anderen Hersteller. Ducati ist nicht mit den anderen Herstellern zu vergleichen. Es ist eine Art Elite-Hersteller. Sie bauen ein Motorrad für 50.000 Euro und wir haben ein Motorrad für 20.000 Euro. Genau genommen ist es erstaunlich, wie gering der Unterschied ist“, bemerkt der Yamaha-Verantwortliche.
Werden Alvaro Bautistas Leistungen zu wenig gewürdigt?
„Das Motorrad wurde stärker verbessert, als wir erwartet haben“, schaut Paul Denning auf die Fortschritte bei Ducati. „Alvaro fuhr bereits im vergangenen Jahr auf einem sehr hohen Niveau. Man sieht sehr gut, dass das Motorrad eine bessere Leistungsabgabe hat und noch besser beschleunigt. “
„Es tut mir schon beinahe leid für ihn, weil er nicht den Respekt erhält, den er verdient, da es so aussieht, als ob er ganz andere Werkzeuge zur Verfügung hat als seine Gegner“, kommentiert Paul Denning, der in der Vergangenheit beim MotoGP-Projekt von Suzuki mit Bautista zusammenarbeitete.
Stimmt die Balance in der Superbike-WM nicht?
Mit elf Siegen aus zwölf Rennen deutete Bautista an, dass die Ducati Panigale V4R das beste Bike im Feld ist. Paul Denning von Yamaha bestätigt diesen Eindruck: „Beim zweiten Rennen auf Phillip Island schafften es vier Ducatis in die Top 5. Bei allem Respekt, es waren Fahrer dabei, die normalerweise nicht in dieser Region fahren, wie Philipp Öttl. Das Motorrad hat eindeutig einen Schritt gemacht.“
„Es gibt in dieser auf Serienmotorrädern basierten Meisterschaft, in der es immer eine Balance zwischen den verschiedenen Motorradkonzepten gab, einen zu großen Unterschied zwischen einem 20.000-Euro-Bike, wie der Yamaha R1, und einem Motorrad, das beinahe 50.000 Euro kostet, wie es bei der Ducati der Fall ist. Die Regeln sind beim Motortuning stark limitiert. Es gibt wenig Spielraum für Änderungen“, veranschaulicht der Yamaha-Verantwortliche das Problem.
Wie können die WSBK-Verantwortlichen das Problem lösen?
Es stellt sich die Frage, wie man die Superbike-WM wieder ausgeglichener machen kann. Sollte man Ducati einbremsen oder den anderen Herstellern mehr Freiheiten gestatten? „Vermutlich beides“, schlägt Paul Denning vor.
Von der Anpassung der Maximaldrehzahlen ist der Yamaha-Verantwortliche nicht besonders begeistert. „Eine Reduzierung der Drehzahl bestraft alle Ducati-Piloten, was nicht ganz fair ist“, bemerkt er.
Im Rahmen des WSBK-Events in Barcelona wurde bereits eine Anpassung der Balance verkündet. Ducati musste die Maximaldrehzahl um 250 U/min reduzieren. Doch das hatte kaum Auswirkungen auf das sportliche Geschehen. Bautista fuhr auch mit Limitierung zu drei souveränen Siegen.
„Ursprünglich wurde über ein kombiniertes Gewichtslimit diskutiert“, nennt Paul Denning eine weitere Möglichkeit. „Das hätte nicht Fahrer wie Danilo Petrucci zurückgeworfen, der in diesem Jahr ebenfalls eine Ducati pilotiert. Doch das ist vom Tisch.“
Warum es für die Japaner unmöglich ist, Ducati zu kopieren
Anstatt Ducati oder Bautista Steine in den Weg zu legen, könnten die japanischen Hersteller auch einfach das kopieren, was Ducati macht: Ein radikal auf Rennsport entwickeltes Serien-Superbike bauen, mit dem die WSBK-Teams mehr Spielraum haben.
„Der Fan wird sich sagen, dass Yamaha einfach ein spezielles Homologations-Bike bauen sollte. Doch das Geschäftsmodell von Honda, Yamaha oder Kawasaki ist anders“, bemerkt Paul Denning und begründet: „Es gibt bei diesen Herstellern ganz andere Anforderungen an die Anzahl der zu verkaufenden Motorräder, bevor Mittel für die Forschung und Entwicklung freigegeben werden. Deshalb ist diese vermeintlich einfache Lösung nicht so leicht umzusetzen.“
Yamaha-Pilot Remy Gardner konnte bei den zurückliegenden vier WSBK-Events selbst erfahren, wie stark die Ducati-Piloten sind. Der ehemalige MotoGP-Pilot war bisher keine Gefahr für Weltmeister Alvaro Bautista.
„Ducati hat ein beeindruckendes Motorrad gebaut. Dafür muss man sie loben“, kommentiert Gardner gegenüber ‚Motorsport-Total.com‘. „Sie haben deutlich mehr Leistung als der Rest des Feldes. Doch so ist das im Rennsport.“
„Sie haben sehr viel Geld in die Entwicklung gesteckt und schlussendlich ein fantastisches Motorrad gebaut. Jetzt liegt es an uns, Verbesserungen zu machen“, bemerkt der Australier, der 2023 seine Debütsaison in der Superbike-WM bestreitet.
Text von Sebastian Fränzschky
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