In der 25. der 30 Rennrunden beim MotoGP-Saisonfinale 2017 in Valencia war der Traum vom WM-Titel für Andrea Dovizioso und Ducati endgültig ausgeträumt.
In dieser Runde nämlich ging Dovizioso an vierter Stelle liegend im Kiesbett von Kurve 8 zu Boden, nachdem unmittelbar zuvor auch sein rundenlang direkt vor ihm gefahrener Teamkollege Jorge Lorenzo gestürzt war.
WM-Spitzenreiter Marc Marquez (Honda) lag zum Zeitpunkt des doppelten Ducati-Sturzes direkt dahinter, machte so zwei Positionen gut und beendete das Rennen nach seiner eigenen Schrecksekunde in Kurve 1 doch noch auf dem Podium. Als Dritter hinter Honda-Teamkollege Dani Pedrosa und Johann Zarco (Tech-3-Yamaha) feierte Marquez überschwänglich den Gewinn seines insgesamt sechsten WM-Titels und seines vierten in fünf Jahren in der Königsklasse MotoGP.
Dovizioso bleibt mit 37 Punkten Rückstand auf Marquez der Vizetitel. „Ich bin zufrieden, denn wir haben es bis zum Schluss probiert. Bis zehn Runden vor dem Ende war es offen“, so Doviziosos erste Reaktion nach dem Rennen gegenüber ‚BT Sport‘. Der Italiener, der am gesamten Wochenende nicht ganz an das Tempo der Spitze herankam, gibt an, „im Rennen von der ersten Runde an am Limit“ unterwegs gewesen zu sein.
Dovizioso: Kein Vorwurf an Lorenzo
„In der Anfangsphase wollte ich Jorge überholen, aber ich war in einigen Kurven langsamer. Letztendlich hat er mir ein gutes Tempo vorgegeben“, sagt Dovizioso und will von einer Blockade durch Lorenzo nichts wissen: „Es war gut, ihm zu folgen. So konnte ich an der Spitzengruppe dran bleiben, aber wir waren die ganze Zeit über dem Limit unterwegs. Ich war völlig fertig, weil ich nicht so sanft waren konnte wie ich wollte. Wir waren beide über dem Limit. Deshalb sind wir dann beide gestürzt.“
Kurz bevor Lorenzo und er selbst unabhängig voneinander stürzten, sah Dovizioso aus dem Augenwinkel, wie Tabellenführer Marquez in Kurve 1 seine eigene Schrecksekunde hatte und durchs Kiesbett rodelte. „Davon war ich nicht überrascht. Das ist ja Standard bei Marc“, meint „Dovi“ und unterstreicht, dass der für ihn notwendig gewesene Sieg unter normalen Umständen nicht erreichbar war: „Ich war nicht schnell genug, um die Fahrer vor mir attackieren zu können. Ich probierte es sogar noch aggressiver, als ich das sah (Marquez‘ Ausritt; Anm. d. Red.), aber ich war bis dahin schon mit 100 Prozent Einsatz unterwegs.“
Später ergänzt Dovizioso im kleinen Kreis: „Als ich sah, wie Marc einen Fehler machte, dachte ich mir: ‚Ein Podestplatz ist mir jetzt egal. Ich will versuchen, das Rennen zu gewinnen.‘ Ich wusste, dass ich das Tempo nicht hatte, aber zu diesem Zeitpunkt versuchte ich alles. In Kurve 8 bremste ich sehr spät, denn das war meine starke Stelle auf der Strecke. Weil aber der Reifen inzwischen stark nachgelassen hatte, konnte ich das Bike im Gegensatz zu fünf Runden vorher nicht wie gewünscht verzögern. Mir rutschte das Vorderrad weg, über die weiße Linie hinaus und neben die Strecke. Ich war komplett über dem Limit unterwegs.“
Nachdem er in dieser Saison, seiner fünften bei Ducati, wie Weltmeister Marquez sechs Rennen gewonnen hat und mit 37 Punkten Rückstand auf den Honda-Piloten Vize-Weltmeister geworden ist, betont Dovizioso: „Wir müssen zufrieden sein – zufrieden damit, wie diese Weltmeisterschaft gelaufen ist.“ Teamkollege und Ex-Weltmeister Lorenzo gelang in seiner ersten Ducati-Saison kein Sieg.
Lorenzo: Team-Anweisung gesehen, aber weiter angegriffen
Als Lorenzo über weite Strecken des Rennens in Valencia an vierter Stelle hinter Zarco, Marquez und Pedrosa und direkt vor Dovizioso fuhr, gab es von der Ducati-Crew per Boxentafel die codierte Anweisung, auf „Mapping 8“ umzuschalten. Wenig später gab es eine weitere Anweisung: „-1“, die als Teamorder für das Abgeben einer Position an Dovizioso gedacht war.
„In Sepang habe ich die Anweisungen auf meinem Dashboard nicht gesehen. Hier habe ich diese Anweisungen die ganze Zeit gesehen“, bemerkt Lorenzo und fügt hinzu: „Doch selbst mit diesem Vorschlag im Blick griff ich weiter an, denn das war das Beste für mich, für Ducati und für ‚Dovi‘. Wie ‚Dovi‘ schon gesagt hat, habe ich ihm dabei geholfen, sein Renntempo um ein oder zwei Zehntelsekunden zu steigern, um damit so dicht wie möglich an der Spitzengruppe dran sein zu können.“
„Mein Plan war, dass wir zur Spitzengruppe aufschließen“, so Lorenzo weiter. „Das hat funktioniert, denn ich lag ja direkt hinter Pedrosa und hatte ‚Dovi‘ dabei direkt hinter mir. Ich hätte dann eine Kurve weit genommen und ihn überholen lassen. Doch leider kam es dazu nicht. Was hätte ich noch mehr tun können? Ich habe versucht, mein Bestes für das Team, für mich und für ‚Dovi‘ zu geben.“
„Ja, in einigen Kurven war er vielleicht dicht an mir dran ich habe ihn dabei vielleicht ein bisschen eingebremst. Insgesamt, über 30 Runden betrachtet, war er mit meinem Hinterrad direkt vor ihm aber etwas schneller als sonst. Ich habe ihm also geholfen, an der Spitzengruppe dran zu bleiben“, untermauert Lorenzo seine Sichtweise.
Gespräch Dall’Igna/Lorenzo und Lorenzo/Dovizioso
Direkt nach dem Rennen unterhielt sich Ducati-Rennleiter Gigi Dall’Igna mit Lorenzo. Was wurde dabei gesprochen? Lorenzo: „Gigi fragte mich, ob ich die Nachrichten gesehen hätte. Ich sagte Ja und ich sagte ihm, dass es so meiner Meinung nach das Beste gewesen ist. Dann sprach er mit ‚Dovi‘ und da wurde, denke ich, darüber gesprochen, dass ihm mein Hinterrad geholfen hat, an der Spitzengruppe dran zu bleiben. Anschließend ging ich selbst zu ‚Dovi‘ und erklärte ihm, warum ich weiter angegriffen habe. Da sagte er mir, dass er nicht mehr hätte tun können.“
So kommt Lorenzo zum Schluss: „Ich habe bei den letzten beiden Rennen um den Sieg mitgekämpft. Natürlich will man die Saison nicht mit einem Sturz beenden, aber ich habe heute alles gegeben, um zu gewinnen, falls das möglich gewesen wäre, und um Andrea so gut wie möglich dabei zu helfen, an der Spitzengruppe dran zu bleiben.“
Text von Mario Fritzsche & Lena Hemery
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