(Motorsport-Total.com) – Das Rennwochenende des Grand Prix von Andalusien in Jerez war für Marc Marquez nach 28 Trainingsrunden beendet.
Im dritten und vierten Freien Training hatte es der Honda-Werkspilot trotz seines gebrochenen rechten Oberarms probiert, weil er und das Team herausfinden wollten, ob eine Teilnahme am Rennen Sinn ergibt oder nicht.
Im ersten Qualifying-Segment (Q1), das Marquez aufgrund des Trainingsergebnisses angehen musste, gab er dann auf, ohne eine Rundenzeit zu setzen. „Ich habe auf meinen Körper gehört“, so die Erklärung des sechsmaligen MotoGP-Weltmeisters, der nun erstmals in seiner Karriere in der Königsklasse ein Rennen verpassen wird.
Marquez‘ MotoGP-Kollegen hatten allein die Tatsache, dass er an diesem Wochenende überhaupt wieder an der Strecke anzutreffen war und fahren wollte, schon am Donnerstag überwiegend mit Respekt bewertet. Am Samstag nun reagieren abermals zahlreiche Kollegen auf Marquez. Kam die Rückkehr doch zu früh? Und welchen Einfluss hat das Fehlen des Titelverteidigers im Rennen nun auf die WM?
Vier Tage nach OP gefahren: Für die Gegner „verrückt“ und „überwältigend“
„Ich finde, dass er etwas Verrücktes gemacht hat, es in dieser Situation überhaupt zu probieren“, sagt Ducati-Pilot Andrea Dovizioso, der in den Jahren 2017, 2018 und 2019 jeweils Vizeweltmeister hinter Marquez wurde. Marquez‘ Rückzug am Samstag bewertet „Dovi“ mit den Worten: „Er war dann clever und hat verstanden, dass er keine hundertprozentige Kontrolle über das Motorrad hat.“
Francesco Bagnaia, der mit seiner Pramac-Ducati überraschend auf den dritten Startplatz gefahren ist, merkt an: „Jerez ist hinsichtlich der körperlichen Belastung eine der schwierigsten Strecken überhaupt. Allein die Tatsache, dass drei Tage nach der Operation wieder hier war und vier Tage nach der Operation gefahren ist, ist ein Wunder.“
Bagnaias Pramac-Teamkollege Jack Miller drückt sich noch deutlich aus: „So kurz nach einer Operation wieder zu fahren, ist überwältigend. Riesige Gratulation an ihn! Er verdient eine Ehrenmedaille dafür, dass er seinen Overall angezogen hat und sogar ein paar schnelle Runden gedreht hat.“
Im Samstagsvormittagstraining, das von der Bestzeit her nicht nur die schnellste Session des Wochenendes war, sondern die schnellste in Jerez überhaupt, weil Vinales einen neuen Streckenrekord aufgestellt hat, fehlten Marquez trotz seiner Verletzung nur 1,3 Sekunden. Dies reichte, um im Rennen am Sonntag starten zu dürfen. Doch am Nachmittag hat man sich in der Box mit der Startnummer 93 gemeinsam zum Rückzug entschieden.
Marquez startet mit zwei Nullnummern: Gegner wollen Chance nutzen
Nach dem schweren Sturz in der Schlussphase des Saisonauftakts an dritter Stelle liegend und dem Startverzicht für das zweite Saisonrennen steht fest, dass Marc Marquez mit zwei Nullnummern in die Saison 2020 geht. Welchen Einfluss hat dieser Umstand auf die WM-Aussichten seiner stärksten Gegner?
WM-Spitzenreiter Fabio Quartararo (Petronas-Yamaha) meint: „Natürlich ist Marc noch immer ein Titelkandidat. Zwei Nuller sind vor allem in dieser Saison ein Rückschlag, weil die Saison so kurz ist. Aber wir alle kennen doch Marcs Potenzial. Im vergangenen Jahr hat er einen Punkterekord aufgestellt. Er ist ganz sicher ein Kandidat auf den Titel.“
„Wir haben jetzt eine gute Gelegenheit, es mit ihm aufzunehmen“, spricht Quartararo für sich und die anderen designierten Titelanwärter wie Maverick Vinales, Andrea Dovizioso und Co. Doch der Petronas-Yamaha-Pilot rechnet ganz fest damit, dass zwei Nuller für Marquez noch lange keinen Freifahrtschein zum WM-Titel bedeuten: „Marc wird sicherlich in Brünn in guter Verfassung zurückkehren.“
Miller sieht sich plötzlich als Titelkandidat
Dovizioso sieht es genauso wie Quartararo, will aber gar nicht allzu sehr daran denken, sondern sich vor allem auf sich selbst und die aktuellen Probleme bei Ducati konzentrieren: „Ich will nicht zu viel über die nächsten Rennen und Marc sprechen, denn ich muss mit meiner eigenen Situation kämpfen.“
Anders klingt Jack Miller, für den sich die WM-Situation jetzt „definitiv verändert hat“, wie er sagt: „Jerez ist eine Strecke, auf der Marc normalerweise sehr stark ist. Dieser Vorteil ist für ihn jetzt dahin. Ich werde versuchen, ein paar Punkte Vorsprung auf ihn herauszufahren. Und wenn dann andere Strecken kommen, sollte es mit der GP20 noch besser laufen. Deshalb hat sich mein Blick auf die WM-Situation definitiv verändert.“
„Ich hatte mir ein paar Podestplätze und idealerweise eine Top-5-Platzierung in der Gesamtwertung vorgenommen“, sagt der Pramac-Ducati-Pilot aus Australien. „Jetzt aber werde ich das Ganze Rennen für Rennen angehen. Es ist natürlich noch sehr früh, aber ich will glauben, dass ich jetzt ein Kandidat für das Ding [WM-Titel] bin.“
Rossi glaubt: Titelchance für Marquez weiter vorhanden
Was sagt Valentino Rossi als siebenmaliger Weltmeister der Königsklasse dazu, dass sein Erzrivale mit zwei Nullnummern in die Saison startet? „Nun, alles hängt davon ab, wie viele Punkte Quartararo, Vinales und auch ‚Dovi‘ morgen einfahren werden. Die Saison ist kurz und er [Marquez] beginnt sie mit Rückstand. Im ersten Rennen aber war er der Schnellste und hätte gewinnen können. Deshalb glaube ich, dass es noch nicht vorbei ist.“
Rossis Teamkollege Vinales, der aktuell auf dem zweiten Tabellenplatz hinter Quartararo liegt, meint: „Auch wenn es in diesem Jahr nur wenige Rennen sind, so ist es dennoch eine lange Saison, in der viel passieren kann. Diese Erfahrung habe ich in der Vergangenheit gemacht. Es geht darum, jedes Rennen zu genießen und zu versuchen, das Bestmögliche herauszuholen. Über alles weitere brauchen wir jetzt nicht nachdenken, weil es noch zu früh ist.“
Text von Mario Fritzsche, Co-Autoren: Puigdemont, Bremer, Duncan
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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