Nach dem 13. Saisonlauf der MotoGP-Weltmeisterschaft 2017 liegen zwei Piloten ex aequo an der WM-Spitze: Marc Marquez und Andrea Dovizioso liegen beide bei jeweils 199 Punkten.
Seit das aktuelle Punktesystem 1993 eingeführt wurde, gab es zu diesem Zeitpunkt in einer Saison noch nie zuvor solch kleine Abstände zwischen den führenden Piloten. 16 Punkte fehlen derzeit Yamaha-Pilot Maverick Vinales auf die Doppelspitze.
Ist in Misano mit dem Fernbleiben von Valentino Rossi und der schlechten Leistung von Dani Pedrosa dennoch bereits eine Vorentscheidung zugunsten eines Dreikampfs gefallen?
„Diese Weltmeisterschaft ist unglaublich. Du weiß einfach nie, was passieren wird“, meint Marquez in Misano nach seinem vierten Saisonerfolg. Der Spanier konnte nun mit Andrea Dovizioso gleichziehen, der ebenso bei vier Siegen hält. Den Grand Prix von San Marino entschied er bei regnerischen Bedingungen kaltschnäuzig in der letzten Rennrunde. „Ich wusste, dass ich das Rennen beenden musste. Sollte ich stürzen und Dovi Zweiter oder Dritter werden, würde es sehr schwierig werden in der Meisterschaft.“
Nach seinem bereits dritten Ausfall in dieser Saison in Silverstone aufgrund eines seltenen Motorschadens musste Marquez unbedingt zurückschlagen. „Nach dem letzten Rennen war ich enttäuscht. Ich wusste, dass ich stark zurückkommen müsste. Daher habe ich an diesem Wochenende ein großes Risiko auf mich genommen.“ Eigentlich ist Misano nicht gerade seine Lieblingsstrecke, dennoch hat ihn der zusätzliche Druck motiviert, schildert der 24-Jährige. Er konnte neun Punkte aufholen, da Dovizioso nur Dritter wurde. Den zweiten Platz wollte ihm Markenkollege Danilo Petrucci nicht überlassen.
Marquez‘ Vorteil: „Ich gebe immer hundert Prozent“
Marquez‘ großer Vorteil? „Ich bin noch dabei, weil ich daran glaube. Ich gebe immer hundert Prozent, vom ersten Training bis zum Rennen.“ Vor der Nullnummer in Großbritannien hatte er sich bereits einen Punktepolster von 16 Zählern erarbeitet. „Es war nicht einfach, den kleinen Vorsprung herauszufahren. Aber das gab mir Motivation, um wieder zurückzukehren. Bei schwierigen, nassen und regnerischen Bedingungen waren wir dran. Das ist das Wichtigste für die letzten Rennen.“ Auch wenn Marquez am Wochenende wieder sein Limit auslotete, und öfters im Kiesbett landete – wie auch im Qualifying.
Die Top 3 liegen nun nur 16 Punkte voneinander getrennt. Valentino Rossi und Dani Pedrosa haben durch die verletzungsbedingte Pause und grobe Probleme im Rennen wichtige Punkte verloren. Die Top 5 trennen bereits 49 Zähler. „Natürlich ist unser Vorsprung gegenüber Dani und Valentino jetzt etwas angewachsen. Dennoch kann man in dieser Meisterschaft nichts vorhersagen“, möchte Marquez betonen.
Dennoch kristallisiere sich gegen Ende der Meisterschaft das wahre Duell heraus: „Es ist ganz normal, dass jetzt von Rennen zu Rennen weniger Piloten mitkämpfen werden. Dovi und ich führen jetzt an, mit Maverick dicht dran. Dani und Valentino sind bereits etwas zurückgefallen.“ Ähnlich schätzt die Situation auch Dovizioso ein. Der Italiener glaubt, dass es für Rossi und Pedrosa nun schwieriger werde.
Dovizioso: Petrucci das Zünglein an der Waage?
„Sie haben trotzdem eine Chance. Auch diesmal war es sehr einfach, einen Fehler zu machen. 25 oder 20 Punkte sind einfach aufzuholen, dennoch ist die Meisterschaft jetzt eher nur noch ein Dreikampf“, so der Ducati-Fahrer. Er sieht seinen Punkteverlust gelassen: „Ich habe zwar ein paar Punkte in der WM verloren, dennoch bin ich glücklich über unseren Speed sowohl im Nassen als auch im Trockenen. Ich denke, wir haben eine echte Chance, um den Titel mitzukämpfen.“
Außerdem hat er womöglich noch ein Ass auf der Hand: Danilo Petrucci. Zwar machte der Italiener in Misano nicht Platz – wäre Dovizioso Zweiter geworden, würde er die WM nun mit vier Punkten anführen -, dennoch versprach ihm der Pramac-Ducati-Pilot seine Hilfe.
Dovizioso weiß, dass es beim nächste Rennen in Aragon „Vorteil Marquez“ heißen werde. „Marc ist natürlich sehr stark, außerdem kommt jetzt Aragon, wo er immer sehr schnell ist. Wir sind jetzt drei Konkurrenten in der WM, aber wir haben gute Karten. Alles ist komplett offen, wir sind jetzt punktgleich.“ Angesprochen darauf, welche der kommenden fünf Strecken eher der Honda beziehungsweise der Ducati liegen könnte, halten sich beide WM-Spitzenreiter bedeckt.
Honda und Ducati mit „ähnlicher“ Pace: Kein Favorit für Asien-Rennen
Marquez weicht aus: „In Österreich dachte ich, dass ich zehn Sekunden hinter Dovi ins Ziel kommen werde.“ Allerdings war Honda auf den langen Geraden überraschend schnell, daher entschied sich das Rennen erst in der letzten Kurve zugunsten des Ducati-Piloten. „Auch die Strecke hier war eine schwierige für mich. In Silverstone dachte ich, dass Dovi weiter hinter uns sein wird – und er hat gewonnen. In Misano war unsere Pace sehr ähnlich, daher ist es sehr schwierig zu sagen, wo Honda und wo Ducati stärker sein werden.“
Der Titelverteidiger glaubt jedenfalls, dass mit Dovizioso sowohl in Aragon, als auch bei den Asien-Rennen zu rechnen sein werde. „Natürlich gibt es Strecken, die er bevorzugt und manche, die mir besser liegen“, bleibt auch der Italiener zurückhaltend mit Prognosen. „Aber es ist wichtiger, wie das Bike mit den Reifen an jedem Wochenende funktioniert. Das ist unmöglich schon vorher zu wissen. Marc und Honda haben gezeigt, dass sie stark sind. Aber auch wir sind jetzt unter Umständen schnell, bei denen wir zuvor Probleme hatten.“
Und dann wäre da auch noch der womöglich lachende Dritte: „Auch auf Vinales dürfen wir nicht vergessen“, mahnt Marquez. „Er ist nur 16 Punkte hinter uns. Auch im Nassen, wo er normalerweise größere Probleme hat, war er stark und wurde Vierter.“ Der Spanier hat seinen Punkterückstand konstant gehalten. Er rechnet ebenfalls mit einem Dreikampf um die WM-Krone in den letzten fünf Rennen.
Vinales: Im Dreikampf ist die Gefahr doppelt so groß
„Es wird gleich schwierig sein, auf jeden Fall nicht einfacher. Es wird nur einfacher, wenn es ein Duell zwischen zwei Fahrern gibt oder du allein vorne bist. Drei Fahrer sind schon ziemlich viel“, gibt er zu bedenken. Man könne sich nicht mehr nur auf einen Kontrahenten einstellen: „Du darfst dir absolut keinen Fehler erlauben, da die Chance, dass dein Konkurrent gewinnt, doppelt so hoch ist. Du musst immer bereit sein“, weiß der 22-Jährige.
Sowohl Vinales als auch Dovizioso finden sich zum ersten Mal in ihrer MotoGP-Karriere in einer Titelanwärter-Position wieder, während Marquez in Sachen WM-Kampf bereits in den vergangenen Jahren viel Erfahrung sammeln konnte. Sowohl er, als auch der Italiener wünschen sich für das letzte Drittel „einen schönen, engen Kampf bis zum Ende“.
Text von Maria Reyer & David Emmett
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