Valentino Rossis erster Weg auf dem Autodromo del Mugello führte ihn am Donnerstag zum Arzt. Denn der Yamaha-Pilot musste sich nach seinem Motocross-Unfall vor einer Woche einem medizinischen Check-up unterziehen, um eine Startfreigabe für das Rennwochenende in Italien zu erhalten.
Zwar klagte der Italiener noch kürzlich über „starke Schmerzen“ im Brust- und Bauchbereich, wurde von den Ärzten aber für fit erklärt.
Den unzähligen wartenden Journalisten an seiner Heimstrecke verriet Rossi schließlich, was bei seinem Unfall genau passierte. „Es war ein böser Sturz. Sehr schmerzvoll in der Bauchgegend. Ich blieb eine Nacht im Krankenhaus, weil es mir schwer viel zu atmen“, schildert der 38-Jährige. Beim Unfall selbst sei er nach einem Sprung etwa einen Meter abseits der Strecke gelandet und über den Lenker zu Boden gegangen.
„Ich schlug heftig auf den Lenker und auf den Boden auf“, erinnert sich Rossi, der jedoch schon wieder zu Scherzen aufgelegt ist: „Nach diesem Sturz ist meine Motocross-Karriere vielleicht vorbei! Aber ich hatte Glück. Es hätte leicht passieren können, dass ich mir etwas breche und deswegen ausfalle.“ Zwar gibt der „Doktor“ zu, noch nicht wieder hundertprozentig fit zu sein, zeigt sich jedoch für den weiteren Verlauf optimistisch.
Rossi: Beweglichkeit und Atmung sind am wichtigsten
„Es geht von Tag zu Tag besser. Aber wir müssen abwarten und verstehen, wie ich mich auf dem Motorrad fühle“, sagt der Yamaha-Fahrer. Am Freitag werde er versuchen, wie sonst auch die kompletten Sessions zu bestreiten, „um zu sehen, ob ich Schmerzen habe oder Energie sparen muss“, erklärt Rossi weiter. Gestern sei er bereits wieder mit seinem Yamaha TMax und der R6 gefahren und habe sich gut bewegen können.
Rossi übt sich daher in Zuversicht. „Ich bin optimistisch, aber die Belastung ist natürlich nicht vergleichbar (mit der M1; Anm. d. R.)“, weiß der Italiener. Zwei Dinge seien dabei besonders wichtig: „Meine Bewegung auf dem Sitz, um die Richtung zu wechseln, was hier in Mugello sehr schwer ist, und das Atmen. Wenn du pushst, musst du tiefer atmen und ich habe noch immer Schmerzen. Das sind die Dinge, auf die ich achten muss.“
Seine Konkurrenten rechnen in Mugello trotz der Widrigkeiten mit einem starken Rossi. „Wenn er nicht bei 100 Prozent ist, werden ihn die Fans pushen“, glaubt Yamaha-Teamkollege Maverick Vinales. „Wir hoffen, dass er sich weiter erholt und für das Rennen fit sein wird. Keiner von uns will, dass sich jemand verletzt. Aber das ist seine Heimstrecke und ich denke, dass er hier stark sein kann. Auch mit Hilfe der Zuschauer.“
Vinales sicher: Fans werden Rossi nach vorn pushen
Rossi selbst sieht einen gewissen Heimvorteil, den er für sich nutzen will: „Hier in Mugello ist die Atmosphäre immer eine ganz besondere, vor allem für mich und die anderen italienischen Fahrer. Die Fans sind wahnsinnig begeistert und auch die Charakteristik der Strecke ist sehr speziell. Die Leute sind sehr nah dran“, weiß der 38-Jährige. „Das motiviert einen natürlich, das Maximum zu geben. Man spürt den Jubel.“
Ein gutes Ergebnis hat der Italiener nach seinem Ausfall in Le Mans dringend nötig, um in der WM den Anschluss zu halten. Dort liegt er derzeit auf Rang drei, 23 Punkte hinter Vinales. Auf den zweitplatzierten Dani Pedrosa (Honda) fehlen Rossi sechs Zähler. „Er kennt die Strecke sehr gut“, sagt der Spanier, „aber MotoGP-Rennen sind anstrengend. Wir werden in den Trainings sehen, wie er sich schlägt. Aber sein Wille ist stark.“
MotoGP-Rookie Johann Zarco, der in dieser Saison schon so manchen Zweikampf mit Rossi austrug, glaubt: „Mit all seiner Erfahrung auf dieser Strecke und mit dem Motorrad wird er die Trainings bewältigen und versuchen, etwas Energie zu sparen. Ich denke, er wird uns im Rennen überraschen. Man darf ihn niemals abschreiben.“ Tatsächlich ist der Yamaha-Star in Mugello über alle Klassen gesehen der erfolgreichste Fahrer.
Kein Motocross-Training für Vinales und Zarco
Jeweils einmal gewann er in der 125er- und 250er-Klasse. In der MotoGP kann Rossi sieben Siege für sich verbuchen, davon zwei für Honda und fünf für Yamaha. Seinen letzten Triumph feierte er im Jahr 2008. Dass er sich nun ausgerechnet vor seinem diesjährigen Heim-Grand-Prix beim Motocross verletzte, sorgte auch für Kritik. Schon einmal hatte er sich beim Training verletzt. Das war 2010.
„Ich bin danach weiter Motocross gefahren, weil ich es mag und ich glaube, dass es das beste Training ist, physisch und mental“, erklärt Rossi heute. Sein Teamkollege und WM-Konkurrent Vinales hat diese Art von Training eingestellt, seitdem er für Yamaha fährt, räumt jedoch ein: „Wir betreiben auch andere Sportarten, die riskant sind. Das kann man nie ausschalten. Je weniger Risiko, um so besser. Aber man muss trainieren.“
Auch Yamaha-Privatier Zarco lässt das Motocross-Fahren lieber bleiben: „Mein Coach denkt, dass ich womöglich zu aggressiv werde, wenn ich Motocross fahre. Wir arbeiten daran, einen sanften und sauberen Stil zu haben. Deswegen mache ich andere Dinge“, erklärt der Franzose. Honda-Pilot Pedrosa saß in seiner Kindheit viel auf dem Motocross-Bike. Doch seit einem Sturz während seiner 125er-Zeit sei das weniger der Fall.
Dovizioso: „Spielen die ganze Zeit mit dem Limit“
„Ich bin dann nur noch im Winter gefahren. Allerdings auf einer Strecke ohne Sprünge. Denn darin war ich nicht sehr gut“, gibt der 31-Jährige zu. Andrea Dovizioso (Ducati) zeigt sich wiederum genervt von der Diskussion: „Es ist immer dasselbe: Wenn jemand sich verletzt, beklagen viele das Risiko. Aber ich sehe das anders. Natürlich sollte jeder versuchen, sein Training zu kontrollieren. Aber wir spielen mit dem Limit die ganze Zeit.“
Und um das zu lernen und zu beherrschen, müsse man eben trainieren. „Dafür haben wir nicht so viel Zeit auf einem MotoGP-Bike“, beklagt der Italiener. „Also muss man sich andere, ähnliche Sportarten suchen. Das kann Motocross oder etwas anderes ein. Ich denke, es ist wichtig, viel Sport zu treiben und clever zu trainieren. Damit ist immer ein Risiko verbunden. Weil man nicht die ganze Zeit im Studio trainieren kann“, findet er.
Ähnlich äußert sich MotoGP-Weltmeister Marc Marquez (Honda): „Zu Hause auf dem Sofa wirst du nicht besser. Du musst trainieren und Dinge ausprobieren.“ Wie Vinales weiß auch er, dass in anderen Sportarten ebenso Unfälle passieren können. „Wenn du Rad fährst, kannst du stürzen. Es kann viel passieren. Klar, auf der Couch bist du sicher. Aber so wirst du dich nicht steigern. Ich werde auch weiterhin Motocross betreiben.“
Text von Juliane Ziegengeist & David Emmett
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