(Motorsport-Total.com) – Lief das MotoGP-Wochenende zum Amerika-Grand-Prix in Austin bezogen auf die Ergebnisse schon für Yamaha alles andere als berauschend, so wurde die Bilanz – im negativen Sinne gesprochen – von Honda sogar noch in den Schatten gestellt.
Honda-Motorräder gibt es deren vier im aktuellen MotoGP-Feld: zwei im Werksteam und zwei im LCR-Team. Am Austin-Wochenende gab es für keinen der vier Honda-Fahrer – Luca Marini, Joan Mir, Takaaki Nakagami, Johann Zarco – auch nur einen WM-Punkt. Tatsächlich waren die vier Honda RC213V gleich in mehreren Sessions des Wochenendes geschlossen auf den letzten vier Plätzen zu finden.
Zu den schwachen Rundenzeiten hinzu kamen jede Menge Stürze. Im Sprint und auch im Grand Prix kam jeweils nur einer der vier Honda-Fahrer ins Ziel. Am Samstag war es Luca Marini, der 17. und Letzter wurde. Am Sonntag war abermals Marini der Letzte im Ziel, in diesem Fall auf P16. Joan Mir und Takaaki Nakagami stürzten in beiden Rennen. Johann Zarco hatte im Sprint einen Sturz, im Grand Prix gab er aufgrund eines technischen Problems auf.
Der an beiden Renntagen ins Ziel gekommene Honda-Werkspilot Luca Marini wies nach den zehn Runden des Sprints 22 Sekunden Rückstand auf Sieger Maverick Vinales (Aprilia) auf. Am Sonntag, als nach 20 Runden ebenfalls Vinales als Erster die Zielflagge sah, hatte Marini 33 Sekunden Rückstand.
Sogar in Austin funktioniert die Honda nicht mehr
Während sich Marini nach Jahren im Ducati-Kundenteam VR46 derzeit noch im Prozess der Gewöhnung an die Honda befindet, ist Teamkollege Joan Mir etwas aufgefallen. „In der Vergangenheit war Austin eine gute Strecke für Honda“, sagt er und spricht damit auf das sogenannte „Turning“ an, das Einlenkverhalten nach dem Anbremsen von langsamen Kurven.
Genau diesen Faktor hatte kurz vor Beginn des Austin-Wochenendes auch der nun ehemalige Honda-Pilot Marc Marquez als die große Stärke der Honda herausgestellt, speziell auf dem Circuit of The Americas. Die Realität im Jahr 2024 aber ist eine andere. „Wir können jetzt keine Vorteile mehr erkennen“, seufzt Mir. „Es gibt aktuell gar keinen Bereich mehr, in dem wir irgendeinen Vorteil hätten. Wir sind ziemlich verloren.“
Mirs Teamkollege Marini sagt dazu: „Auf den anderen Strecken hat Honda sowieso seit Jahren Probleme. Das hier war jetzt die erste Strecke in diesem Jahr, auf der die Honda in der Vergangenheit das stärkste Motorrad war.“
Zur Erinnerung: Am Austin-Wochenende 2023 fuhr der damalige LCR-Honda-Pilot Alex Rins, obwohl es erst sein drittes Rennen auf der RC213V war, zum Sieg. Zuvor hatte Marc Marquez auf der Werks-Honda siebenmal in Austin triumphiert (2013 bis 2018 und 2021).
„Dass Honda im vergangenen Jahr hier gewonnen hat, das ist sehr gut für uns“, meint Marini mit Verweis auf Rins‘ Austin-Sieg 2023. „So können wir die Daten direkt vergleichen und versuchen zu verstehen, was wir in den kommenden Monaten verändern müssen, um dieses Motorrad wieder konkurrenzfähig zu machen.“
Ex-LCR-Pilot Rins fährt seinem Nachfolger Zarco davon
Und apropos Alex Rins: Dessen Nachfolger im LCR-Honda-Team, nämlich Johann Zarco, ist im Sprint am Samstag in Austin aufgefallen: „Rins war mindestens fünf Zehntelsekunden pro Runde schneller als ich.“ Nachdem der Spanier mit der nicht sonderlich konkurrenzfähigen Yamaha erst zwei Runden hinter Zarco fuhr, überholte er ihn und fuhr ihm auf und davon.
„Wenn dir jemand in jeder Runde fünf Zehntelsekunden davonfährt, dann kannst du versuchen zu folgen. Aber irgendwann stößt du an eine Grenze“, sagt Zarco. Diese Grenze war für ihn ein Sturz in der siebten Runde des Sprints. Zu diesem Zeitpunkt fuhr er an 17. Stelle direkt hinter Rins und direkt vor Marini.
Tags darauf im Grand Prix gab Zarco nach sechs Runden auf. „Hinten am Motorrad blockierte irgendwas. Ich hatte starke Vibrationen und musste anhalten.“ War das hintere Ride-Height-Device der Honda der Grund? „Man hätte denken können, dass es das Device für das Hinterrad war, aber das war es nicht“, sagt Zarco.
„Es war etwas anderes“, meint der Franzose, ohne weiter darauf einzugehen. Stattdessen sagt er nur: „Ich wollte kein Risiko eingehen für nichts. Natürlich hätte ich die 20 Runden gerne abgespult, um zumindest so viele Informationen wie möglich zu sammeln, aber das ging nicht.“
Auch Zarcos LCR-Teamkollege Takaaki Nakagami ist mit seinem Latein am Ende. Der Japaner, der am Austin-Wochenende genau wie Joan Mir in beiden Rennen gestützt ist, sagt: „Wir sind langsam. Um zu attackieren, fehlt mir das Vertrauen. Es ist schwer zu sagen, was wir tun können. Unser Rückstand ist riesig. Es sind ja nicht nur fünf Zehntelsekunden, die uns fehlen. Es sind zwei ganze Sekunden.“
Mir und Zarco deuten an: 2024er-Honda hat falsche Basis
Eines wird deutlich: Die Probleme, mit denen man sich im Honda-Lager herumschlägt, sind alles andere als klein. „Wir tun uns schwerer als ich das nach den Testfahrten zu Saisonbeginn erwartet hatte“, bekennt Joan Mir und sagt: „Bezogen auf die Rundenzeiten war ich im vergangenen Jahr näher dran als diesmal.“
„Damals“, denkt Mir an das Austin-Wochenende 2023 zurück, „habe ich den Q2-Einzug um zwei Zehntelsekunden verpasst.“ Zwölf Monate später an gleicher Stelle betrug dieser Rückstand – nämlich der von Mir auf den direkten Q2-Einzug – nicht 0,2 Sekunden, sondern 1,2 Sekunden.
Für den Vergleich herangezogen wurde jeweils das Austin-Training, nach dem die Top 10 direkt für Q2 qualifiziert waren. Das war 2023 unter dem damaligen Format das Training am Samstagvormittag. 2024 war es unter dem nun aktuellen Format das Training am Freitagnachmittag.
„Ich glaube sagen zu können, dass ich meinen Fahrstil im Vergleich zu vor einem Jahr verbessert habe. Trotzdem haben wir aktuell größere Probleme als vor einem Jahr. Das war schon in Portimao so und hier jetzt ebenfalls“, hadert Mir.
Dazu passt, was Zarco sagt: „Wir liegen weit zurück. Zu Beginn des Jahres dachte ich, dass unsere Basis eigentlich ganz gut sei. Jetzt aber sieht es so aus als wäre das Limit dieser Basis erreicht. Was mich betrifft, so bleibt mir nichts anderes übrig als ruhig zu bleiben und es einfach weiter zu versuchen.“
Immerhin: Luca Marini, für den die RC213V wie auch für Zarco ein Motorrad ist, das er erst seit wenigen Monaten fährt, sagt: „Ich denke, wir haben verstanden, in welche Richtung wir gehen müssen. Wir müssen es umsetzen, aber das wird noch dauern.“
Kann Honda nur ein Konzeptwechsel retten?
Was aber sind die großen Probleme der 2024er-Honda? „Was genau die Probleme sind, darüber kann ich nicht sprechen. Ich glaube, wir haben eine Richtung eingeschlagen, die verkehrt war. Und jetzt zahlen wir den Preis dafür“, bemerkt Joan Mir.
Auf Nachfrage, ob Honda nur ein Konzeptwechsel retten könne, muss Mir lange überlegen. Nach fast fünf Sekunden Stille fragt er zurück: „Was ist das Konzept?“ Und weiter: „Wenn das Chassis das Konzept ist, dann lässt sich das beheben. Das, was uns Probleme macht, ist aber etwas Größeres. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“ Nachgefragt, ob man bei Honda am Motor arbeitete, wie das bei Yamaha der Fall ist, antwortet Mir: „Ja, daran wird gearbeitet.“
Im Honda-Werksteam jedenfalls versucht man trotz der Misere das Positive zu sehen. „Das Gute ist, dass wir die Concessions genießen. Daher können wir bezogen auf die Entwicklung ganz andere Wege einschlagen“, sagt Mir. Und Marini sagt: „Es sind so viele Dinge, die wir verbessern müssen. Ich bin der Meinung, dass wir jedes Mal, wenn wir testen gehen, das Motorrad um fünf Prozent besser machen können. Aktuell sind wir noch sehr weit von den 100 Prozent entfernt, aber wir geben nicht auf.“
Text von Sebastian Fränzschky
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