(Motorsport-Total.com) – Beim Grand Prix von Australien montierte Honda am ersten Trainingstag an einem Motorrad von Marc Marquez ein komplett neues Aerodynamik-Paket.
Jeder Fahrer darf im Laufe einer Saison ein Update homologieren. Da das bei Marquez noch nicht der Fall gewesen ist, bestand laut Reglement diese Möglichkeit.
Mit dem Konzeptwechsel der RC213V hat Honda in diesem Jahr die Geometrie und die Gewichtsverteilung des Motorrads radikal verändert. Man hat prinzipiell mehr Gewicht nach hinten verlagert, um mit dem Hinterreifen mehr Grip zu generieren. Das hat funktioniert.
Allerdings ist dafür das gute Gefühl für das Vorderrad verloren gegangen. Auch das Turningverhalten in der Kurve ist nicht optimal. Schon seit einiger Zeit arbeitet Honda daran, das Motorrad wieder in die Balance zu bringen.
In Silverstone erhielt Takaaki Nakagami ein Aerodynamik-Update. Die Änderungen hielten sich aber in Grenzen. Der Japaner spürte keine extrem großen Unterschiede. Nun bekam Marquez ein grundlegend überarbeitetes Aerodynamik-Paket.
Folgende Aspekte stechen dabei ins Auge. Der Lufteinlass bei der Airbox ist ein wenig anders gestaltet. Die Winglets sind deutlich größer als bisher und erinnern an die Aprilia-Lösung. Die restlichen Neuerungen sind von Ducati inspiriert.
Auf der Seitenverkleidung gibt es nun Kanäle, die ähnlich wie bei der Desmosedici die Luft nach unten leiten. Und auf dem Höcker hinter dem Sitz gibt es links und rechts zwei nach oben gerichtete Finnen. Auch das hat Ducati erfunden und wurde schon von Suzuki kopiert.
Marc Marquez spürt positive Aspekte
„Dieses Aerodynamik-Konzept haben wir schon in Misano [beim Test] probiert“, berichtet Marquez. „Dort habe ich positive Aspekte gespürt. Aber wir haben uns damals dafür entschieden, es noch nicht zu homologieren, damit Honda daran weiterarbeiten kann.“
„Jetzt haben wir eine weitere Evolution. In diesem Jahr haben wir das Problem mit einem schweren Gefühl für die Front sowie mit Turning. Wir versuchen das mit dem Chassis, der Aerodynamik und all diesen Dingen zu lösen. Ein wichtiger Aspekt ist die Aerodynamik.“
Im Vormittagstraining fuhr Marquez zunächst mit der Standard-Verkleidung und wechselte dann auf das zweite Motorrad mit der neuen Aerodynamik. Im Nachmittagstraining wurden die hinteren Finnen wieder abmontiert. Man machte Vergleiche und sammelte Informationen.
„Wir haben einen Mix gemacht, damit wir mehr darüber verstehen. Es ist aber sehr schwierig, das an einem Rennwochenende zu testen, weil ich an keinem anderen Aspekt des Motorrads arbeiten kann. Ich bin mit dem Set-up von Thailand gefahren.“
„Ich fahre mit der gleichen Basis, denn wenn man die Balance verändert, kann sich die Aerodynamik stark ändern. Ich denke, wir werden morgen mit der neuen Aerodynamik weitermachen und ich werde mich auf das Motorrad konzentrieren.“
Sepang wird richtiger Test der Aerodynamik
Das Turning-Verhalten der RC213V soll nicht besser sein, aber die neue Aerodynamik vermittelt laut Marquez ein anderes Gefühl: „Es scheint, dass das Motorrad auf dieser Strecke weniger anstrengend zu fahren ist. Das hilft mir. Mit der Standard-Aerodynamik war ich auch schnell.“
„Meine beste Zeit in FT1 bin ich damit gefahren. In FT2 habe ich mehr mit dem neuen Paket gearbeitet. Bei beiden gibt es positive und negative Aspekte. Hier werden wir mit der neuen Verkleidung weitermachen, weil sie für meine physische Situation besser ist.“
Phillip Island ist eine schnelle, flüssige Strecke. Deshalb kann nicht beurteilt werden, ob das Gefühl für das Vorderrad wirklich besser geworden ist. „Der wichtige Test wird Malaysia, weil wir hier keine harten Bremspunkte haben“, hält Marquez fest.
Marquez bereit, ein gutes Ergebnis für 2023 zu opfern
Insgesamt gesehen war er zufrieden, weil die neue Aerodynamik ein positives Gefühl vermittelt hat. Es ist klar, dass Honda und Marquez daran arbeiten, die Saison 2023 vorzubereiten. Opfert man dafür aktuell ein gutes Ergebnis, weil man für das nächste Jahr arbeitet?
„Natürlich opfert man ein wenig. Zum Beispiel bin ich am Nachmittag mit dem harten Vorderreifen gefahren. Am Vormittag habe ich mit dem mittleren Vorderreifen gearbeitet, weil ich wusste, dass dieser für Tests der Aerodynamik am besten geeignet ist.“
„Aber wir sind bei der Anzahl der Reifen beschränkt. Deshalb fuhr ich dann mit hart, obwohl er das Set-up etwas beeinflusst hat. Aber wir sind an einem Punkt, an dem wir nicht nach dem besten Ergebnis eines Wochenendes schauen.“
„Natürlich gebe ich meine 100 Prozent, aber wir müssen auch die Zukunft verstehen. Ich mache Druck auf Honda, damit wir Dinge ausprobieren. Wenn ich etwas erhalte, dann muss ich es probieren.“
Obwohl Marquez am Freitag nicht am Set-up gearbeitet hat, sondern nur Kilometer abgespult hat, um Vergleichsdaten der Aerodynamik-Pakete zu sammeln, war er schnell. Als Sechster betrug sein Rückstand drei Zehntelsekunden.
„Eine weitere wichtige Sache ist, dass ich mich heute von Beginn an körperlich gut gefühlt habe“, freut sich Marquez. „Ich spüre seit Thailand einen Fortschritt. Wenn man sieht, dass ich vom ersten Run weg aktiv bin, dann fühle ich mich okay.“
„Ansonsten würde ich abwarten und nur für eine Runde attackieren. Wenn ich mich okay fühle, dann gebe ich alles. Wache ich morgen auf und fühle mich okay, dann werde ich wieder alles geben. Ich hoffe, dass ich dieses Level bis Sonntag halte. Es kann aber auch passieren, dass das Level über das Wochenende etwas nachlässt.“
Nakagami erhält diese neue Aerodynamik für die restlichen Rennen nicht, weil sein erlaubtes Update schon in Silverstone homologiert worden ist. Pol Espargaro und Alex Marquez sind schon länger nicht mehr in die Tests neuer Entwicklungen eingebunden, weil beide Honda verlassen.
Text von Gerald Dirnbeck, Co-Autor: Oriol Puigdemont
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
Motorsport-Total auf Facebook
Motorsport-Total auf Twitter
Neueste Kommentare