Der MotoE gelang auch in ihrer sechsten Saison kein Durchbruch

(Motorsport-Total.com) – Seit der Saison 2019 fährt die MotoE im Rahmenprogramm der MotoGP. Bis zur Saison 2022 wurde mit seriennahen Einheitsbikes von Energica gefahren.

Im Jahr darauf erfolgte der Wechsel zu Prototypen von Ducati und die Aufwertung vom Weltcup zur Weltmeisterschaft.

Es gab hohe Erwartungen, doch das Interesse der Zuschauer war weiterhin gering. Wir haben uns erkundigt, was die beteiligten Teamchefs von der Serie halten, wie es nach dem Auslaufen des Ducati-Deals Ende 2026 weitergeht und wie man das Format verbessern könnte.

„Die Verantwortlichen schauen sich die Entwicklung der Serie genau an und sind sich bewusst, dass es noch keinen Durchbruch gab“, erklärt Tech-3-Teamchef Herve Poncharal im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Totalcom.

Poncharal war von 2019 bis 2024 mit einem MotoE-Team dabei, zog sich nach sechs Jahren aber zurück. „Ich muss feststellen, dass es zu Beginn der MotoE einfacher war, Sponsoren zu finden“, bemerkt Poncharal und begründet: „Die Wirtschaft schwächelt.“

Laut Poncharal warten im Moment alle großen Player ab, wie sich die Situation entwickelt: „Mercedes, Total oder Stellantis hatten Pläne und wollten jeweils eine Gigafactory für Batterien bauen. Jetzt sind diese Projekte eingefroren. Alle warten ab. Deshalb ist es momentan schwierig, ‚grüne‘ Sponsoren für die MotoE zu begeistern.“

„Ein Kunstwerk“: Herve Poncharal schwärmt von Ducatis MotoE-Maschine
„Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation ist klar, dass man jetzt erst einmal abwartet, bis sich alles entspannt hat. Man kann jetzt nicht voll angreifen“, ist Poncharal überzeugt. Enttäuschend ist, dass die Serie nach dem Wechsel von Energica zu Ducati nicht an Fahrt aufnahm. Energica ist mittlerweile insolvent. Das italienische Unternehmen meldete im Oktober 2024 Konkurs an.

Der eingesetzte MotoE-Prototyp von Ducati begeistert Poncharal. „Ducati hat ein Kunstwerk geschaffen. Diese Motorräder sind unglaublich, doch es sind nur acht Runden möglich“, kommentiert er. Für 2025 wird das Motorrad leicht modifiziert. Ducati plant, mit einem Update der Batterien einige Kilogramm Gewicht einzusparen.

Das wird aber nicht daran ändern, dass auch in den beiden kommenden Jahren kein Durchbruch zu erwarten ist. „Die Saisons 2025 und 2026 werden sicher ähnlich wie die zurückliegenden. Danach wird man sehen, was Ducati machen will und wie sich die Welt entwickelt“, erklärt Poncharal und fügt hinzu: „Die Welt verändert sich im Moment sehr rasant. Viele Leute kratzen sich am Kopf und sind sich unsicher, was passiert. Doch klar ist, dass der Rennsport immer das beste Feld für Entwicklungen war.“

Dass die MotoE zeitnah am Status der MotoGP sägen wird, erwartet Poncharal nicht und vergleicht die Situation mit der Formel E: „Die Formel E war in der Vergangenheit schon größer als sie jetzt ist. Es gab einen Zeitpunkt, an dem die Leute dachten, dass die Formel E zu einer Bedrohung für die Formel 1 wird. Doch das passierte nicht.“

Von der Rennaction ist Poncharal begeistert, doch das Wochenendformat ist alles andere als optimal. „Die Rennen sind unglaublich gut. Doch wenn man das MotoE-Rennen direkt nach dem Qualifying der MotoGP startet, dann fokussieren sich die Medien auf die MotoGP. Ähnlich ist es beim zweiten MotoE-Rennen, das direkt nach dem MotoGP-Sprint stattfindet“, nennt Poncharal ein Problem.

„Es ist nicht ideal, am Samstagnachmittag und am Samstagabend zu fahren. Doch das sind momentan die bestmöglichen Slots für die Rennen“, stellt Poncharal fest. Laut dem Tech-3-Teamchef ist klar, dass die traditionellen Grand-Prix-Klassen priorisiert behandelt werden müssen. Entsprechend schwierig wird es für die MotoE, sich in Szene zu setzen.

Laut IntactGP-Chef Jürgen Lingg besteht durchaus Interesse an der MotoE
Wir haben auch bei IntactGP-Teammanager Jürgen Lingg nachgehakt, was er von der Entwicklung der Serie hält. „Ich finde die Klasse gut. Mein Gefühl ist, dass die Akzeptanz wächst. Ich erkenne eine positive Entwicklung“, so Lingg.

Die positive Wahrnehmung kann aber auch auf die sportlichen Erfolge seiner Mannschaft zurückzuführen sein. Mit Hector Garzo stellte IntactGP in der Saison 2024 den Weltmeister. Bereits 2022 gewann das Team die Meisterschaft, als Dominique Aegerter parallel zum Gewinn der Supersport-WM auch die MotoE für sich entschied.

„Wenn ich mich im Freundeskreis oder bei den Sponsoren umschaue, dann stelle ich fest, dass sich die Leute die Serie sehr wohl anschauen. Es geht in die richtige Richtung, denke ich. Aber dieser Prozess könnte gern etwas schneller vonstatten gehen“, erklärt Lingg.

Wie Poncharal kritisiert auch Lingg das Wochenendformat mit den Rennen am Samstag: „Der Zeitplan ist für die Zuschauer ungünstig. Vor allem das zweite Rennen am Samstag ist ungünstig. Das wäre am Sonntagvormittag besser aufgehoben, eventuell direkt nach dem Warm-up der MotoGP.“

Lucio Cecchinellos Vorschlag für die Zukunft: Rennen mit Musik!
Auch das LCR-Team ist seit dem Beginn der MotoE dabei. In der vergangenen Saison landete Titelverteidiger Mattia Casadei auf P2 der WM-Wertung. LCR-Teamchef Lucio Cecchinello outet sich als Fan der Elektroserie und hat einige Ideen für die Zukunft.

„Ich persönlich liebe diese Kategorie. Es sind Sprintrennen, die wirklich fantastisch sind. Das Problem ist, dass die Leute diese Kategorie nach wie vor nicht verstehen“, erklärt Cecchinello. „Sie empfinden keine Emotionen, wenn sie diese Kategorie sehen. Es gibt keinen Sound“, bemerkt Cecchinello.

Der LCR-Teamchef macht einen ungewöhnlichen Vorschlag: „Die Rennen sollten bei lauter Musik stattfinden. Man könnte einen DJ spielen lassen.“ Unvorstellbar ist die Idee nicht, wenn man die bevorstehende Übernahme durch Liberty Media in Betracht zieht. Das US-Unternehmen plant in erster Linie, die Show an den MotoGP-Wochenenden zu verbessern.

Cecchinello erwartet, dass die Serie kommende Generationen mehr begeistern wird und wünscht sich deshalb, weiter in dieses Format zu investieren. Zudem erwartet er, dass die Hersteller mit der Zeit immer mehr Interesse entwickeln werden. „Ich bin überzeugt, dass diese Klasse in der Zukunft für andere Hersteller geöffnet wird“, deutet Cecchinello ein Ende der Einheits-Motorräder an.

Der LCR-Teamchef wünscht sich, dass die Serie in Zukunft besser vermarktet wird. „Viele Medien berichten gar nicht über die Serie“, ärgert sich Cecchinello. Auch das Wochenend-Format mit zwei Rennen am Samstag überzeugt den Italiener nicht.

„Es ist keine Hilfe, dass die Rennen am Samstag stattfinden“, ist Cecchinello überzeugt und schlägt vor: „Wir sollten ein Rennen am Samstag und eins am Sonntag haben. Ich würde mir wünschen, dass wir ein Rennen am Sonntag vor dem MotoGP-Rennen haben könnten. Das wäre möglich.“

Ducati-Vertrag läuft aus: Wie geht es 2027 weiter?
Der Vierjahres-Vertrag mit Ducati als Alleinausrüster endet nach der Saison 2026. Dann wird die MotoGP zu vollsynthetischen Kraftstoffen wechseln. Ist die MotoE dann überhaupt noch notwendig?

„Die MotoE bleibt zu 100 Prozent“, ist Lucio Cecchinello überzeugt. „Es ist eine Kategorie, die weiter wachsen wird. Daran gibt es keine Zweifel. Die MotoGP-Verantwortlichen können die MotoE nicht fallen lassen. Sie liefert beim Umweltgedanken einen wichtigen Beitrag“, erklärt Cecchinello. „Wir brauchen einfach noch etwas mehr Zeit“, ist der LCR-Boss überzeugt.

Auch IntactGP-Teamchef Jürgen Lingg erwartet nicht, dass die MotoE ab 2027 Geschichte sein wird. „Natürlich kann alles passieren, doch dass die MotoE eingestellt wird, kann ich mir nicht vorstellen. Ich denke eher, dass die Serie stärker gepusht wird“, so Lingg.

Idee für die Zukunft: Motorradwechsel für längere Rennen
Fakt ist aber auch, dass die Renndistanzen ein Problem sind. Auf Grund der begrenzten Kapazität der Batterien gehen die Rennen aktuell nur über etwa acht Runden. Wäre es eine Idee, wie zu Beginn der Formel E eine Art Flag-to-Flag-System anzuwenden und mit einem Fahrzeugwechsel die Renndistanz zu verdoppeln?

„Die Idee ist toll“, kommentiert Cecchinello. „Doch dafür bräuchten wir ein zweites Motorrad“, bemerkt er. „Ich finde die Idee toll“, begrüßt auch Intact-Chef Jürgen Lingg diesen Vorschlag. „Darüber haben wir uns noch nie unterhalten. Vielleicht sollte ich die Idee mal vorbringen.“

„Für die Show wäre es toll“, bemerkt Lingg, der im Mehraufwand eine große Hürde sieht. „Der Motorradbereich halt leider nicht das Budget des Automobilsektors. Das muss man berücksichtigen. Doch die Idee finde ich gut.“

Text von Sebastian Fränzschky, Co-Autor: Gerald Dirnbeck

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