Die „Wasserfall“-Kurve am Sachsenring gilt als eine der spektakulärsten Kurven im MotoGP-Kalender. Gleichzeitig besorgt der schnelle Rechtsknick die Fahrer Jahr für Jahr. Auch beim Grand Prix in diesem Jahr konnten viele Rutscher über das Vorderrad beobachtet werden. Mit nur drei Rechtskurven erschwert der Sachsenring die Arbeit der Reifen, die auf der rechten Seite meist nicht auf Temperatur kommen und erhöht dadurch das Risiko, in Kurve elf zu stürzen.
„Es gibt nicht genügend Rechtskurven. Wir sind in Kurve eins und drei nicht hart genug am Gas, um die Reifen auf Temperatur zu bringen. Ich bin überrascht, dass niemand das Heck verlor in Kurve elf“, bemerkt Tech-3-Pilot Cal Crutchlow, der am Freitag Opfer der Kurve elf wurde. Ex-Teamkollege Andrea Dovizioso findet noch härtere Worte: „Sicher macht es nicht besonders viel Spaß, hier zu fahren, besonders mit einer MotoGP-Maschine.“
„Man muss den Reifen ziemlich stark belasten, um ihn auf Temperatur zu bringen. Wenn man das macht, kann man ziemlich schnell stürzen“, analysiert Dovizioso, der seine Ducati Desmosedici am Freitagvormittag nach nur fünf Runden komplett zerstörte. „Wenn man einen Kurs hat, auf dem es nur drei Rechtskurven gibt, dann ist es jedes Mal beängstigend, wenn es rechts entlang geht. Die Temperatur befindet sich nicht im normalen Betriebsfenster.“
Rossi hofft auf Bridgestone
„Es gab zu viele Stürze und zu viele Verletzungen“, fasst Valentino Rossi zusammen. „Wenn man auf der Strecke ist und die Kurve elf erreicht, dann erwartet man immer gelbe Flaggen und versucht, nicht zu stürzen. Die Bridgestone-Reifen benötigen entsprechende Temperaturen, damit sie funktionieren. Doch hier gibt es so viele Linkskurven. Jorge (Lorenzo; Anm. d. Red.) war die einzige Ausnahme. Alle anderen Fahrer sind im Rechtsknick gestürzt.“
„Wir müssen mit Bridgestone für das kommende Jahr arbeiten und einen anderen Vorderreifen entwickeln, damit wir dieses Problem beheben und auch auf der rechten Seite genug Temperatur haben. Der Kurs ist unterm Strich nicht gefährlicher als eine andere Strecke. Das Problem sind die vielen Linkskurven“, erklärt Rossi, der sich wie einige Kollegen Gedanken über einen Umbau macht.
„Ich denke, dass eine Änderung des Layouts schwieriger ist, als einen anderen Vorderreifen zu bauen. Es ist aber eine zusätzliche Variante“, grübelt er. „Jede Änderung würde den Kurs verschlechtern. Diese Kurve ist eine richtig fantastische Kurve. Wenn man eine Schikane oder enge Kurve einbaut, würde man das verschlechtern. Aber man muss auch an die Sicherheit denken. Man könnte aber auch das Layout beibehalten, aber die Kurve nach außen ein wenig erhöhen. Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber man könnte es versuchen.“
Droht eine Änderung des Layouts?
„Ich mag schnelle Kurven und möchte sie deswegen nicht ändern“, stellt Markenkollege Crutchlow klar, der aber trotzdem auf die vielen Stürze hinweist: „Wir haben über die Jahre viele schwere Stürze gesehen. Nach außen fällt die Kurve, was es noch schwieriger macht. Man kann es nicht mehr retten, wenn man das Vorderrad verliert. Wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich die Kurve ändern lassen.“
Sachsenring-Sieger Marquez bestätigt Crutchlows Eindruck: „Man fährt in Schräglage, aber nicht in maximaler Schräglage. Deswegen kann man den Sturz nicht mehr verhindern, wenn man die Front verliert. Ich mag die Kurve, auch wenn ich im vergangenen Jahr in der Moto2 stürzte. Sie ist ein bisschen gefährlich, aber es gibt eine große Auslaufzone.“ Doch wie sollte man den Sachsenring nun sicherer machen?
„Wir haben darüber gesprochen, ob es möglich ist, das Layout der Strecke zu ändern“, schildert Ducati-Pilot Dovizioso. „Ich weiß nicht, ob es möglich ist. Es ist aber sicher ziemlich schwierig, weil es keinen Platz gibt. Wir könnten das Layout ändern. Doch dann sorgt die Auslaufzone für Probleme.“ Teamkollege Nicky Hayden steht hinter dem Sachsenring: „Es wäre unfair, zu behaupten, dass der Kurs nicht mehr zeitgemäß ist. Wir fahren hier seit vielen Jahren und niemand beschwerte sich bis jetzt.“
Bridgestone: „Es ist nicht einfach umzusetzen“
Stattdessen könnte Bridgestone noch einmal versuchen, die Dualcompound-Vorderreifen (Vorderreifen mit verschiedenen Reifenmischungen) zu etablieren. „Der Dualcompound-Vorderreifen ist meiner Meinung nach eine gute Idee, um das Problem zu beheben“, unterstreicht Rossi. „Das wäre sinnvoll. Ich fuhr bereits mit den Michelin-Dualcompound-Reifen, doch diese waren anders. Sie waren in der Mitte härter und auf den Flanken weicher. Ich habe gehört, dass die Dualcompound-Reifen von Bridgestone bei den Fahrern nicht gut ankamen. Doch ich konnte nie damit fahren. Es ist also offen, ob man sie probieren sollte oder nicht.“
„Die Fahrer, die sich daran erinnern konnten, sollten eigentlich wissen, dass es nicht richtig funktionierte“, bemerkt Bridgestone-Chefkoordinator Thomas Scholz im Gespräch mit ‚Motorsport-Total.com‘. „Es ist nicht einfach umzusetzen. Wenn es so einfach wäre, hätten wir es schon längst gemacht. Doch gerade der Vorderradreifen ist für die Rückmeldung sehr wichtig. Wenn man zwei unterschiedliche Mischungen hat, wird das Anbremsen extrem beeinflusst. Deswegen haben wir damit nicht weitergemacht.“
Rookie Marquez konnte bisher nicht mit einem Dualcompound-Vorderreifen fahren. Der Spanier macht sich dafür stark, es noch einmal zu probieren. „Die Dualcompound-Reifen könnten auf dem Sachsenring die Lösung sein. Auf anderen Strecken ist es okay, aber hier wäre es eine Überlegung wert.“ Auch Dovizioso wünscht sich solch einen Reifen, auch wenn er sich nicht mehr richtig an die Vergangenheit erinnern kann.
„Ein Dualcompound-Vorderreifen würde in der MotoGP helfen“, bestätigt Hayden. „Bridgestone ist dagegen, weil es sehr viel Geld kosten würde. Doch andererseits gab es viele Stürze, besonders am Vormittag. Wenn man nur ein kleines bisschen vom Gas geht, verliert man drei Zehntelsekunden. Man muss richtig pushen, hat aber nie eine Gelegenheit, den Vorderreifen zu belasten, weil man nie stark bremst.“
Was ändert sich für 2014?
Bridgestone schließt nicht aus, das Theme noch einmal neu anzugehen. Trotzdem warnt man vor den Folgen: „Man muss überlegen, ob man nur den äußeren Bereich mit einer weicheren Gummimischung versieht. Doch da muss man vorher erst einmal analysieren, ob es den erhofften Effekt erzielt. Es wäre nicht bewiesen, dass eine weichere Mischung auf der rechten Seite genügend Sicherheit bieten würde. Das müsste man erst einmal probieren“, so Bridgestone-Chefkoodrinator Scholz.
Scholz macht im Zusammenhang mit Kurve elf auf die Linienwahl aufmerksam: „Es gibt in Kurve elf eine Bodenwelle, wenn man eine bestimmte Linie fährt. Wenn man die genau trifft, hebelt es das Vorderrad aus. Dieser Impuls kann bei kühlen Temperaturen dazu führen, dass das Vorderrad die Haftung verliert. Es sind mehrere Faktoren im Spiel“, bemerkt er und lobt Stefan Bradl: „Stefan fährt eine gute Linie und vermeidet diese Bodenwelle. Doch wenn er durch den Rhythmus diese Linie nicht fahren kann, dann könnte es ihn auch erwischen.“
Reifenlieferant Bridgestone wird bis zum Grand Prix im kommenden Jahr sicher an einer besseren Lösung arbeiten. „Wir haben uns übers Wochenende Gedanken gemacht“, bestätigt Scholz, der die beiden Reifenmischungen beim Grand Prix in diesem Jahr als nicht optimal einstuft. Mit dem weichen Reifen gab es keine Probleme, doch der harte Pneu, mit dem das Rennen bestritten werden musste, verhielt sich besonders am Vormittag nicht perfekt.
Text von Sebastian Fränzschky
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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