Nach dem Aus für Stefan Bradl versucht nun der 23-jährige Jonas Folger, Deutschland in der Motorrad-Königsklasse MotoGP endlich zum Triumph zu verhelfen.
Und das in ungewohnten Farben: Der seit der Kindheit von Red Bull unterstützte Bayer tritt für das von Energydrink-Rivale Monster gesponserte Yamaha-Satellitenteam Tech 3 an und hinterließ bei den Wintertests mit Platzierungen im absoluten Spitzenfeld einen hervorragenden Eindruck.
Im Interview mit ‚Motorsport-Total.com‘ erklärt er, ob er ein Zurück zu Red Bull für möglich hält, wie groß der Druck ist und gibt Einblicke, wie Shootingstar Maverick Vinales mit seinem Fahrstil das Yamaha-Weltbild auf den Kopf stellt.
Frage: „Herr Folger, Deutschland wartet schon lange auf einen Siegfahrer. Könnten Sie der Erlöser sein?“
Jonas Folger: „Ich hoffe es, wobei ich mich mehr auf das Fahren konzentriere als auf die mögliche Zukunft. Natürlich will ich der beste Deutsche werden, aber das werde ich nur, wenn ich nicht zu viel darüber nachdenke, sondern fahrerisch das Beste aus mir heraushole.“
Frage: „Ist der Druck vor dem MotoGP-Debüt groß?“
Folger: „Nein, überhaupt nicht. Klar, wenn man einmal ein gutes Ergebnis einfährt, dann steigt der Druck, aber ich bin ein Rookie, und jede Rennstrecke wird für mich neu sein. Deswegen denke ich, dass der Druck geringer ist.“
Frage: „Angenommen, wir hätten den Abend nach dem Saisonfinale 2017. Mit welchem Ergebnis würden Sie zufrieden einschlafen?“
Folger: „Wenn ich unter den ersten elf, zwölf in der Gesamtwertung wäre. Konstante Ergebnisse und Punkte sind das Wichtigste. Und hoffentlich einmal für ein Highlight sorgen.“
Frage: „Sie tragen ein ungewohnten Outfit. Dabei gibt es kaum einen Sportler, den man so sehr mit Red Bull verbindet…“
Folger: „Ja, so ist das leider. Das war nicht einfach – weder für mich noch für Red Bull, denn sie waren ein langjähriger Partner. Wir waren beide in der Zwickmühle. Ich konnte das Angebot von Yamaha und von Tech-3-Teamchef Herve Poncharal schlecht ablehnen, daher war Red Bull auch einverstanden. Sie legen mir keine Steine in den Weg, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Das zeigt einfach, dass ihnen wirklich etwas an mir liegt.“
Frage: „Wäre rein theoretisch eine Rückkehr zu Red Bull möglich?“
Folger: „Wer weiß? Man spielt schon mit dem Gedanken, aber lassen wir mal die Saison beginnen. Ich bin momentan glücklich, wo ich bin.“
Frage: „Warum also Tech 3?“
Folger: „Ich habe mit Herve schon länger Kontakt – seit einigen Jahren. Er hat immer wieder gescherzt, dass er mich irgendwann in sein Team holt. Ich konnte es nie ganz glauben, aber irgendwann hat er dann Tacheles geredet und einen Vertrag vorgelegt. Ich hatte schon immer ein gutes Gefühl, und ich weiß, dass die Yamaha das beste und kompletteste Motorrad ist, wenn man die vergangenen Jahre betrachtet.“
„Es gibt ein paar Strecken, wo Honda oder andere Hersteller Probleme haben, aber Yamaha ist das konstanteste Motorrad. Und wenn man die Chance erhält, eine Yamaha fahren zu können, dann sollte man das nicht abschlagen.“
Frage: „Sie waren immer eine Art Wunschpilot für Teamchef Poncharal. Warum eigentlich?“
Folger: „Das weiß ich nicht wirklich. Er hat das schon immer gesagt – beim Smalltalk im Fahrerlager – , und ich habe mir gedacht, er scherzt nur mit mir und macht mehr Gaudi, aber letzten Endes hat er es dann doch ernst gemeint und mich angequatscht.“
Reset-Button: Warum Folger jetzt sorgenfrei fährt
Frage: „Wie kann man sich so eine Vorbereitung auf die MotoGP vorstellen? Macht man sich da Checklisten, was man falsch machen könnte, worauf man achten muss?“
Folger: „Ich habe es als kompletten Neuanfang betrachtet, weil ich am Ende in der Moto2 auch Probleme hatte und mich mental ein bisschen zu sehr reingesteigert habe. Deswegen habe ich einen Reset-Button gedrückt und gesagt: Das ist jetzt beendet, es beginnt eine neue Saison. Ich habe ein neues Motorrad und ein neues Team. Das hat mir glaube ich ganz gut getan. Ich fahre momentan sorgenfrei, und selbst wenn wir Probleme haben, dann lösen wir die ganz schnell.“
Eine eigene Checkliste habe ich mir nicht gemacht. Ich habe es auf mich zukommen lassen, weil man sich nicht zu sehr verkrampfen sollte – und dann wird man zu nervös. Jeder muss selber wissen, was das beste für einen ist. Für mich ist es wichtig, locker zu bleiben, sonst geht der Schuss nach hinten los. Ich sollte mir nicht zu viele Gedanken machen, was da jetzt auf mich zukommt, ob es zu viel wird und ob ich es vielleicht nicht schaffe.“
Frage: „Welche Fehler hat Stefan Bradl gemacht, die Sie nicht machen wollen?“
Folger: „Das ist schwierig. Ich habe den Stefan auch nicht wirklich gut gekannt, sondern hauptsächlich Smalltalk mit ihm geführt. Man hat irgendwie gemerkt, dass er vielleicht so ein bisschen die Lust am MotoGP-Zirkus verloren hat. Das hat sich dann auch nach außen getragen. Ich finde aber, dass er ein Super-Kerl ist. Zu mir war er immer nett. Das kam vielleicht nicht immer so rüber, obwohl er es eigentlich so meinte. Das war für ihn vielleicht nicht von Vorteil.“
Frage: „Inwiefern muss man den Fahrstil in der MotoGP umstellen, und wie viel Verbesserungspotenzial besteht noch?“
Folger: „Ich habe lange gebraucht, das ist aber glaube ich bei jedem so. Es gibt noch heute manchmal Dinge, bei denen das Team auf mich zukommt und sagt: ‚Jonas, pass auf, du fällst beim Fahrstil wieder in das alte Schema rein.‘ Dabei handelt es sich um das aggressive Bremsen und immer wieder die Linienwahl – dass ich auf die Moto2-Linie komme.“
„Aber schön langsam wird das auch besser. Bei den Tests in Katar bin ich erstmals von Anfang an so gefahren, wie man ein MotoGP-Motorrad fahren sollte. Zweieinhalb bis drei Tests hat es gedauert, ehe ich mich komplett darauf eingestellt habe.“
Warum Yamaha aus Vinales nicht schlau wird
Frage: „Sie haben Dateneinblick bei den Yamaha-Werksfahrern Valentino Rossi und Maverick Vinales, die beide einen sehr unterschiedlichen Fahrstil haben. Wie würden Sie die beiden vergleichen?“
Folger: „Rossi ist ein sehr sauberer Fahrer, sehr konstant, superweich beim Bremsen, außerdem fährt er eine total schwungvolle Linie. Er hat ganz viel Flow.“
„Maverick reiht sich eher zwischen Rossi und Marquez ein. Yamaha hat eigentlich immer gesagt, man sollte sich an einem Jorge Lorenzo oder an einem Rossi orientieren. Jetzt macht es aber der Maverick anders, und deswegen sind wir im Moment etwas verwirrt. Wir wissen nicht, was wirklich besser ist.“
„Im Großen und Ganzen bin ich aber eher ein weicher Fahrer – zwischen Rossi und Maverick. Manchmal fahre ich ein bisschen zu hart, was nicht unbedingt schlecht ist. Bei Maverick funktioniert es. Und das ist derzeit bei Yamaha ein großes Fragezeichen, warum es bei Maverick funktioniert.“
Frage: „Kann man Vinales ein bisschen mit Marquez vergleichen? Eine Art Instinktfahrer, den man nicht kopieren kann?“
Folger: „Weiß ich nicht. Jeder hat seinen eigenen Fahrstil, und man kann sich nie einen anderen Fahrstil komplett abschauen und dann genau so fahren. Eines ist aber sicher: dass man die Yamaha auch so schnell fahren kann, wenn man aggressiver fährt.“
Frage: „Hatten Sie die Möglichkeit, Vinales‘ Fahrstil beim Hinterherfahren zu studieren?“
Folger: „Ja, obwohl die schnellen Fahrer bei den Tests so etwas gerne verhindern. Wir fuhren ein ähnliches Tempo. Der Unterschied war nicht groß. Es waren Details, die er besser macht als ich.“
Frage: „Warum gibt es in Deutschland so wenig Nachwuchs? Wurden viele Kids deiner Generation im Zuge des Hypes um Michael Schumacher von den Eltern in den Kartsport getrieben anstatt auf ein Bike?“
Folger: „Das glaube ich nicht. Das Problem ist glaube ich eher, was mit der IDM passiert ist. Das war eigentlich die Zwischenstation zwischen Mini-Bike und WM, aber die IDM gibt es in diesem Sinne gar nicht mehr.“
„Ich weiß nicht, was da passiert, und ich habe wenig Zeit, mich mit dem Thema zu beschäftigen, aber ich finde es extrem schade, denn mein kleiner Cousin ist bis vor einem Jahr Mini-Bike gefahren. Ich war ein, zwei Mal bei einem Rennen dabei und habe gesehen, wie viele Talente dort mitmischen.“
„Ich erinnere mich noch an meine Zeit im Mini-Bikecup. Da waren schon einige dabei, die es anders fliegen haben lassen – wirklich starke Talente. Dass die dann auch den Sprung schaffen und die Förderung kriegen, ist halt momentan in Deutschland leider nicht der Fall. Es scheitert einfach an der Förderung – ganz einfach! Gefühlt fährt im im Sommer jeder Zweite Motorrad, und übt das als Hobby aus. Und am Sachsenring sind seit Jahrzehnten 200.000 Leute vor Ort. Daran sollte es nicht scheitern. Ich glaube, dass wir genügend Fans und Talente haben.“
Legende Randy Mamola als Coach
Frage: „Sie haben schon mit 13 Jahren erstmals in der IDM gewonnen, Marquez war aber deutlich früher in der MotoGP. Was ist der Grund?“
Folger: „Marquez hatte von Anfang an Alzamora (sein Manager; Anm. d. Red.) an seiner Seite, der ihm gezeigt hat, wo es langgeht, und der ihm den Weg gewiesen hat. Das war bei mir eben nicht so. Ich bin mit 15 in die WM gekommen und war alleine mit dem Team unterwegs, ehe ich 18 oder 19 war. Mein Vater musste arbeiten, und ich hatte keinen wirklichen Manager.“
„Mein Vater hat sich nur um meine Verträge gekümmert. Ich hatte keinen professionellen Ex-GP-Fahrer an meiner Seite, der mir sagte, was ich tun soll und der Kontakte zu anderen Teams oder Sponsoren hatte. Das war also ein bisschen anders. ich habe lange gebraucht, bis ich meinen Weg gefunden habe und mein Umfeld aufgebaut habe. Danach ging es aber bergauf.“
Frage: „Haben Sie einen Coach und ist so eine Zusammenarbeit sinnvoll?“
Folger: „Ja, wir haben jetzt in der MotoGP Randy Mamola an unserer Seite im Team integriert, der an den Rennwochenenden dabei ist. Der macht das ganz gut. Den Rest sehe ich durch die Daten. Randy kann mir viel über die Technik beibringen. Er hat ein unglaubliches Auge, was das Fahrerische angeht.“
„Wo ein anderer in einer Kurve steht und sagt, das sehe bei allen zehn Fahrern gleich aus, sieht Randy zehn verschiedene Dinge, die einem auf den ersten Blick nicht auffallen. Genau das zeigt sich auch in den Daten. Randy hat so viel Erfahrung. Er hat mit so vielen MotoGP-Fahrern gearbeitet und kann einem genau sagen, was man anders machen sollte.“
Frage: „Was trauen Sie KTM zu?“
Folger: „Sehr viel. In der Moto2 haben sie sich schon behauptet und gezeigt, dass sie mit dem Miguel Oliveira sehr stark sind. KTM ist absolut nicht zu unterschätzen. Ich finde es toll, was sie machen, dass sie sich überhaupt trauen. Vor einigen Jahren hat es ja nur ein 125er- und ein 250er-Team gegeben. Die MotoGP ist da schon eine ganz andere Hausnummer. Toll, wie sie das aufgebaut haben und dass sie heute wie ein Werksteam dastehen. Da können andere Teams einpacken. Ich habe großen Respekt!“
Frage: „Was wird für KTM die größte Herausforderung?“
Folger: „Konstant zu bleiben. Sie betreten mit ihrem Bike überall Neuland, also wird es ganz schwierig. Sie haben ja keine Daten vom Vorjahr, so wie das bei allen anderen der Fall ist. Ich glaube aber, dass sie mit dem Pol Espargaro und dem Bradley Smith sehr erfahrene Fahrer haben, die ihnen diesbezüglich gut weiterhelfen können.“
Text von Sven Haidinger
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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