(Motorsport-Total.com) – Mit Jorge Lorenzo heuerte Yamaha im vergangenen Jahr einen Testfahrer an, der nicht nur jede Menge MotoGP-Erfahrung auf verschiedenen Fabrikaten mitbrachte, sondern seine erfolgreichsten Jahre mit der japanischen Marke feierte: In neun Saisons bei Yamaha holte er dreimal den Titel und wurde dreimal Vizeweltmeister.
Doch aufgrund der Corona-Pandemie und anderer Komplikationen kam Lorenzos Testkampagne 2020 nicht wirklich zustande und fand nach nur einem Jahr ein jähes Ende. Dabei glaubt der Spanier, für diese Aufgabe prädestiniert zu sein.
„Ich denke, ich war schon immer ein sehr sensibler Fahrer und in der Lage, auch unter Neuentwicklungen zu erkennen, was gut funktioniert und was nicht“, sagt Lorenzo im Gespräch mit ‚Sky Sport MotoGP‘. „Das ist eine Gabe, die ich seit meiner Kindheit habe, denn mein Vater ließ mich viele verschiedene Motorräder fahren, wodurch ich verstehen konnte, was gut war und was nicht.“
Lorenzo: Mit mir bei Yamaha war die M1 ausgewogener
Das habe sich auch in seinen Jahren bei Yamaha bemerkbar gemacht: „Gemeinsam haben wir eine sehr positive Entwicklung zurückgelegt. Wir haben uns immer darauf konzentriert, ein Motorrad zu entwickeln, das für den Fahrer einfach zu fahren ist. Als ich zu Ducati ging, versuchten sich andere Fahrer an dieser Art der Evolution.“
Ob sich das Motorrad gegenüber damals verbessert habe, könne er von außen nur schwer beurteilen, sagt Lorenzo weiter. Die aktuellste Yamaha M1 ist er auch als Testpilot nie gefahren. „Theoretisch sollte sie besser sein als 2016, weil mehrere Jahre vergangen sind und sich alles weiterentwickelt“, räumt der 33-Jährige ein.
Im Vergleich zu den anderen Marken stellt er jedoch fest, „dass Yamaha im Moment kein Gesamtpaket hat wie in den Jahren, in denen ich bei ihnen war“. In der vergangenen Saison fuhr der Hersteller zwar die meisten Siege ein, nämlich sieben. Wegen Zuverlässigkeitsproblemen und Leistungsschwankungen je nach Strecke hatte er mit dem Kampf um den WM-Titel aber letztlich nichts zu tun.
Wechsel zu Petronas: Rossi wird keinen Nachteil haben
Auf seinen langjährigen Teamkollegen und Rivalen Valentino Rossi angesprochen, zeigt sich Lorenzo von dessen Abschied aus den Yamaha-Werksteam überrascht: „Ich habe diese Entscheidung nicht erwartet, denn Valentino außerhalb des offiziellen Teams fahren zu sehen, wäre mir nie in den Sinn gekommen.“
Trotzdem glaubt er, dass sich durch Rossis Wechsel zum Satellitenteam Petronas für ihn nicht viel ändern wird. „Wir haben gesehen, dass Quartararo und Morbidelli die gleichen Ergebnisse erzielt haben, manchmal sogar bessere als die offiziellen Motorräder, und ich denke, das wird auch für Valentino gelten“, blickt Lorenzo voraus.
Was die Wettbewerbsfähigkeit des Motorrads angeht, sieht er für Rossi „keine Nachteile“. Für Yamaha sei die Entscheidung, Fabio Quartararo ins Werksteam zu befördern, indes ein logischer Schritt mit Blick auf die Zukunft gewesen.
Für Yamaha war Beförderung von Quartararo nur logisch
Dabei fühlt sich Lorenzo ein Stück weit auch eine seine eigenen Anfänge in der MotoGP erinnert: „Als ich 2007 bei Yamaha unterschrieben habe, um 2008 zu ihnen zu wechseln, haben sie in die Zukunft geschaut, für den Fall, dass Rossi in die Formel 1 wechselt, wie gemunkelt wurde, oder sich entschieden hätte aufzuhören.“
„Yamaha musste also nach vorne schauen und deshalb haben sie sich für einen jungen Fahrer entschieden, wie ich es damals war. Jetzt, wo Valentino 41 Jahre alt ist, muss Yamaha, wie alle Firmen auf der Welt, in die Zukunft schauen und die Zukunft gehört den jungen Fahrern. So wie es bei Quartararo der Fall ist.“
Was seine eigenen Perspektiven nach dem Testfahrer-Aus bei Yamaha angeht, räumt Lorenzo ein, in Kontakt mit Aprilia gestanden zu haben: „Ich betrachte mich als Freund von Massimo Rivola seit den Tagen, als er in der Formel 1 war. Immer wenn ich zu einem Grand Prix ging, kam ich vorbei, um Hallo zu sagen. Wir setzten uns zusammen, aber die Verhandlungen wurden nicht fortgesetzt.“
Lorenz in Zukunft TV-Kommentator oder Fahrermanager?
Aprilia hat sich entschieden, bei seinen angestammten Fahrern zu bleiben. Zu einer Rückkehr Lorenzos ins MotoGP-Paddock wird es also vorerst nicht kommen – zumindest als Fahrer. Denn eine andere Rolle kann er sich durchaus auch vorstellen.
„Ich habe so viele Projekte im Kopf, die ruhiger sind als das Leben als MotoGP-Fahrer, aber genauso aufregend und vor allem neu. Jetzt habe ich die Möglichkeit, Dinge zu tun, denen ich bisher nie viel Zeit widmen konnte. Ein anderer Weg, der sich mir eröffnet hat, ist der des TV-Kommentators. Oder meine Erfahrung einem jungen Fahrer zur Verfügung zu stellen, indem ich als Manager fungiere.“
Text von Juliane Ziegengeist
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