(Motorsport-Total.com) – Jorge Lorenzo hatte 2017/18 lange gebraucht, um auch mit der Ducati Rennen zu gewinnen.
Zu lange, denn als auch zu Beginn der zweiten gemeinsamen Saison Erfolge ausblieben, äußerte Claudio Domenicali öffentlich Kritik. Der Ducati-CEO machte sich für Danilo Petrucci stark, der damals im Pramac-Team bessere Ergebnisse als Lorenzo holte, und zudem auch billiger war.
„Nach den ersten vier Rennen hatte ich nur 16 WM-Punkte und war WM-14“, erinnert sich Lorenzo in seinem YouTube-Kanal #99Seconds an Anfang 2018 zurück. „Noch dazu wurde Petrucci, den viele als meinen Nachfolger sahen, in Le Mans Zweiter. Er war Fünfter in der WM.“
Doch prompt gewann Lorenzo anschließend souverän das wichtige Ducati-Heimrennen in Mugello. Drei Tage später wurde sein Wechsel zu Honda offiziell. Diese Meldung kam damals überraschend. Es gab diesbezüglich kaum Gerüchte im Fahrerlager.
„Weil ich niemandem etwas erzählt habe“, sagte Lorenzo damals mit einem Grinsen im Gesicht. Doch was passierte damals wirklich hinter den Kulissen? Er hatte schon vor seinem Mugello-Sieg bei Honda unterschrieben. Die Sache kam damals sehr kurzfristig zustande.
„Suzuki hatte zu Jahresbeginn etwas Interesse gezeigt, aber es schien, dass sie auf einen jungen Fahrer setzen wollten. Das war Joan Mir. Somit war für mich bei Suzuki die Türe zu“, blickt Lorenzo auf diese für ihn schwierige Phase Anfang 2018 zurück.
Keine Angebote, kein Licht am Ende des Tunnels
„Ich habe mich bei Honda angeboten, aber sie antworteten nicht. Ich hörte nichts von ihnen. Die einzige Möglichkeit schien Petronas zu sein, wo mein Manager Albert Valera gearbeitet hat. Es schien, dass sie ein Team für mich aufbauen wollten. Aber sie debütierten erst in der WM.“
„Meine Gedanken waren negativ. Ich sah kein Licht am Ende des Tunnels. Ich sah mich mit 31 ohne Motorrad. Es gab die Option Petronas, aber das sah ich für mich nicht, weil ich bereits im Yamaha-Werksteam gewesen bin. Das fühlte sich wie drei Schritte zurück an.“
Das neue Yamaha-Kundenteam wurde damals hinter den Kulissen geplant. Neben Lorenzo gab es auch Kontakt zu Dani Pedrosa. Aber auch dieser lehnte ab, beendete seine Karriere und wurde KTM-Testfahrer. Diesen Schritt wollte Lorenzo damals nicht gehen.
Überraschender Anruf von Honda-Teamchef Alberto Puig
Nach dem Grand Prix von Frankreich und vor Mugello gab es damals einen IRTA-Test in Montmelo. „Ich war in einem Hotel in Barcelona, von wo aus wir trainiert haben“, erzählt Lorenzo. „Als ich mit dem Fahrrad unterwegs war, erhielt ich einen überraschenden Telefonanruf von Alberto Puig.“
„Er sagte mir, dass ich nicht zu aufgeregt sein soll, aber es besteht die Möglichkeit, für 2019 zu Honda zu wechseln. Er musste noch mit dem japanischen Team daran arbeiten, aber er meinte, dass diese Option interessant wäre.“
„Ich habe mir gedacht, dass Marquez eine Hürde sein würde, denn er könnte ein Veto gegen mich einlegen. Aber sie hatten bereits mit Marc gesprochen und er hatte kein Problem damit, wenn ich ins Team kommen würde.“
„Das munterte meine Stimmung wieder auf. Alberto sagte mir, dass dieses Gespräch vertraulich ist und niemand davon wissen dürfe. Ich habe es meinem Trainer Ivan Lopez erzählt, aber ich habe es nicht einmal meinem Manager Albert Valera gesagt.“
„Normalerweise habe ich ihm damals alles erzählt, aber diesmal konnte ich es nicht, weil ich Angst hatte, dass es jemand herausfinden und die ganze Sache platzen könnte. Albert hat sich immer noch auf die Option Petronas konzentriert.“
Vertragsunterschrift vor Mugello
Am folgenden Tag fand der Test in Barcelona statt, wo Lorenzo erstmals den anders geformten Tank probierte. Das war einer der Schlüssel für seinen Durchbruch mit der Ducati. „Am Nachmittag bekam ich einen weiteren Telefonanruf von Alberto.“
„Wir machten uns für nächsten Morgen einen Treffpunkt außerhalb der Strecke aus. Er präsentierte mir das erste Vertragsangebot. Ich bekam ein paar Tage Zeit, um zuzustimmen.“ Nach dem Test fuhr Lorenzo nach Hause nach Lugano in der Schweiz, um darüber nachzudenken.
„Es war eine schöne Überraschung, weil ich durch die schlechten Umstände ein schlechteres Angebot erwartet hätte. Das Angebot war niedriger als ich bei Yamaha und Ducati verdient habe, aber ich hätte noch weniger erwartet.“
„Also habe ich darüber nachgedacht. Dann musste ich Albert davon erzählen. Ein paar Tage nach dem Test fuhren wir zu Albertos Haus und haben den Vertrag unterschrieben. Somit war ich für die kommenden beiden Jahre ein Honda-Fahrer.“
Kaum jemand wusste in Mugello vom Honda-Deal
Außer den beteiligten Personen wusste niemand von diesem Schachzug. „Ich kam nach Mugello und fühlte mich frei, ohne Druck, glücklich und aufgeregt, denn ich hatte einen Zweijahresvertrag mit dem stärksten Team unterschrieben“, erinnert sich Lorenzo an diese Situation zurück.
„In der Pressekonferenz am Donnerstag wurde ich gefragt, was ich von Domenicalis Aussagen halte. Er hatte gemeint, dass Jorge Lorenzo ein großartiger Fahrer ist, aber dass ich mich nicht auf das Motorrad eingestellt habe. Deshalb möchte er sich nach anderen Optionen für die Zukunft umsehen.“
„Diese Worte haben meinen Stolz verletzt. In wenigen Sekunden fiel mir eine starke Antwort ein, die lautete: ‚Ich kann nichts zum Boss sagen, weil er der Boss ist. Aber ich würde ihm sagen, dass ich kein großartiger Fahrer bin, sondern ein Champion.'“
Prompt holte Lorenzo in Mugello den Sieg. Zwei Wochen später startete er in Barcelona von der Poleposition und eroberte den nächsten Triumph. Das Band mit Ducati war aber bereits durchschnitten.
Text von Gerald Dirnbeck
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
Motorsport-Total auf Facebook
Motorsport-Total auf Twitter
Neueste Kommentare