(Motorsport-Total.com) – Hat sich die MotoGP zu sehr in Richtung Formel 1 entwickelt und kann ein Fahrer nur noch mit dem besten Motorrad gewinnen? „Es gibt keinen Fahrer, der die Fähigkeiten des Motorrads überwinden kann“, findet Miguel Oliveira.
„In diesem Sport ging es immer um die Symbiose zwischen Fahrer und Motorrad. Im Endeffekt wird der Fahrer Erster, der seine Maschine am besten versteht und das Optimum aus seinem Motorrad herausholt.“
„Momentan hat die Aerodynamik einen entscheidenden Einfluss auf die Motorräder. Zwangsläufig bestimmt das einen größeren Teil der Performance als früher. Mit den heutigen Motorrädern ist es für einen Fahrer viel schwieriger, den Unterschied zu machen.“
Dieser Meinung schließt sich Aleix Espargaro an: „Wir haben viel aerodynamischen Abtrieb, das gilt für alle. Ich möchte die MotoGP nicht beschuldigen, aber es ist jetzt langweilig. Es geht nur noch um das Qualifying.“
„Wenn man ein gutes Qualifying hat, dann kann man ein gutes Rennen fahren. Die Reifendrücke sind im Rahmen und wenn man in frischer Luft fährt, ist das Motorrad ganz anders. Man ist viel schneller und alles wird einfacher.“
„Ist man hinten in der Gruppe, dann wird es selbst mit einer sehr guten Pace schwierig. Das ist frustrierend. Es geht nur noch um das Qualifying.“ Die Startposition ist oft schon die halbe Miete für das Rennen.
Speziell am Freitag stehen die Fahrer unter Druck, sich gleich direkt für Q2 zu qualifizieren. Ein Beispiel dafür war Fabio Quartararo in Assen. Der Yamaha-Fahrer qualifizierte sich als Vierter und konnte im Sprint seine Position halten.
Quartararo fuhr als Vierter ins Ziel und erbte Platz drei nur durch die Tracklimit-Strafe von Brad Binder. „Wenn wir gut starten, können wir uns halten“, sagt der Franzose. „Meine Pace ist super stark, aber im Rennen kann ich meine Linien nicht fahren. Das macht es sehr schwierig.“
Anders sieht das Ducati-Lager die Situation. Mit dem besten Motorrad im Feld ist Überholen durchaus möglich. „Wenn man den Speed hat, kann man es tun“, findet Francesco Bagnaia. „Ich spüre hinter anderen Fahrern nicht so viele Turbulenzen.“
„Vielleicht gewöhne ich mich daran, ich weiß es nicht. Aber es wird besser. Das gilt auch für den Druck im Vorderreifen. Für mich ist es nicht langweilig, weil Überholen nicht unmöglich ist.“ Wobei es einen Unterschied macht, ob man vorne oder in einer großen Verfolgergruppe ist.
Jonas Folger widerspricht: Motorräder sind schwieriger zu fahren
Die Aerodynamik bestimmt mittlerweile alles. Das komplette Motorrad muss auch mechanisch und elektronisch auf die Wirkung der Aerodynamik abgestimmt werden. Die MotoGP hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert.
Diesen Unterschied hat Jonas Folger erlebt. Die aktuelle KTM muss komplett anders gefahren werden als seine Yamaha von 2017. „Die M1 hatte eine sehr gute Performance, aber sie fühlte sich wie ein normales Motorrad an“, sagt der Deutsche bei ‚MotorsportMagazine.com‘.
„Um jetzt ein MotoGP-Bike zu fahren, muss man die Technologie verstehen. Den Gebrauch der Reifen, den Abtrieb, die Elektronik und die Motorleistung – alles hängt zusammen. Das Motorrad funktioniert nur noch in einem schmalen Fenster.“
„Man kann das Motorrad sehr leicht über- oder unterfahren. Es ist sehr schwierig, das Timing von allem auf die Reihe zu bekommen. Zum Beispiel, wenn man eine bestimmte Schräglage mit wie viel Prozent Gas und wie viel Bremsdruck erreichen muss.“
„Das ist ein sehr, sehr schmales Fenster, in dem diese Motorräder funktionieren. Das macht es sehr technisch, sehr einzigartig und schwierig zu verstehen.“ Die MotoGP unterscheidet sich deshalb von allen anderen Motorrädern.
Das musste im Frühling auch Superbike-Star Toprak Razgatlioglu bei seinem Yamaha-Test in Jerez feststellen. Er fand kein Gefühl für die M1. Seinen Fahrstil hätte er radikal umstellen müssen. Ein Wechsel in die MotoGP war deshalb vom Tisch.
„Als ich die M1 oder ein Superbike gefahren bin“, setzt Folger fort, „dann kann man sie mehr natürlich fahren. Man kann diese Motorräder mit verschiedenen Stilen fahren. Jetzt fühlt es sich so an, dass jedes Motorrad mehr oder weniger gleich funktioniert. Deshalb sind alle nahe beisammen.“
Die Zeitabstände im Feld sind so eng wie nie zuvor. Deshalb hält sich die Annahme, dass die Motorräder einfach zu fahren geworden sind, weil ein außergewöhnliches Talent nicht mehr diesen entscheidenden Unterschied machen kann.
Folger widerspricht aber: „Die Motorräder sind jetzt nicht einfacher zu fahren, sondern sie werden immer schwieriger. Es ist das Gegenteil. Die Leute denken, es sieht einfacher aus, weil die Motorräder wegen der Flügel stabiler aussehen. Aber sie sind schwieriger zu fahren.“
Text von G.Dirnbeck, S.Fränzschky, Co-Autor: G. Garcia Casanova
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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