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Laguna Seca 2010
„Paul, how old are the Tyres?“ frage ich den Besitzer von Pauline, seiner von ihm selbst zum E-Bike umgerüsteten 92iger Suzuki GS 500. „The Tyres? I don’t know, they came with the Bike“.  Paul Karplus ist Student, der in der Stanfort Universität, nicht weit von Laguna Seca, studiert. Er stellt mir sein Motorrad zur Verfügung um am dritten FIMe-Power Rennen, dem ersten in den USA, im Rahmen vom 2010er Moto GP-Lauf teilzunehmen.

Vor dem dritten e-Power Saisonrennen hatte ich schon in Le Mans und Albacete teilgenommen, jedoch teilte mir das Team, für welches ich auch hier starten sollte, nur anderthalb Tage vor Abflug per E-Mail mit, dass sie einen anderen Fahrer auf ihre Kreation setzen – trotz Platz zwei in der Meisterschaft.

Mit Hilfe der FIM kam so der Kontakt mit Paul Karplus zustande, der sein Motorrad zum e-Bike umgebaut hat und damit morgens zur Uni fährt, und jetzt hocken wir nur eine Stunde vor dem Start des ersten Trainings vor Pauline und haben noch keine technische Abnahme, da die Finne vor dem Kettenrad fehlt, welche Paul gerade aus einem Stück Plastik zurechtschnippelt.

Helm auf, und zum Vorstart laufen. Richtig: Laufen, hier in den USA wird im Fahrerlager nicht mit Rennmotorrädern gefahren, die müssen geschoben werden.

Pünktlich rollen wir los, Pauline setzt sich lautlos in Bewegung – und leider auch sehr langsam. Der verwendete Motor hat eine Leistung von 17 kw, das reicht für knappe 100 km/h bei einem Motorradgewicht von 160 Kilo. Das ist sehr angenehm, so kann ich diese unglaublich schöne Rennstrecke, eingebettet in die hügelige Kalifornische Küstenlandschaft, durch das getönte Visier meines Marushin Carbonhelmes so richtig genießen.

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Der Korkenzieher
Die Mutter aller Kurven versteckt sich am höchsten Punkt der Strecke hinter einer Kuppe, man sieht sie erst wenn man über selbige drübergefahren ist und lenkt spät nach links ein. Erst wenn man den Scheitelpunkt der Linkskurve passiert kann man den Rest der Kurve sehen, es geht verrückt steil bergab und in der ersten Runde lenke ich viel zu wenig nach links und gerate rechts neben die Strecke, rattere über Randstein und Senkkasten und in wildem Ritt kommen wir unten mitten im Rechtsknick wieder auf die Strecke. (Beim ersten freien Training muss ich später lachen weil gleich mehreren Moto GP-Fahrern dasselbe passiert..)

In diesem Training mach ich mich so gut es geht mit der Strecke und Pauline bekannt, wir sind jedoch so langsam, dass uns der Platzhirsch Michael Czysz bestimmt dreimal überrundet. Alle drei Runden fahr ich an die Box und Paul notiert sich die Daten seines Bordcomputers.

Qualifying
Zum einzigen Quali am Samstagnachmittag bei schönstem Sonnenschein wissen wir, dass uns ca. 15 Sekunden zur Qualifikationszeit fehlen. Ich reduziere den Luftdruck in den 8 Jahre alten Reifen, und zum Aufwärmen der Gummis stellen wir Pauline in die Sonne und drehen ab und zu mal eins der Räder, denn im ersten Training hatte es mich gleich in einer der ersten Kurven beinahe hingehauen weil der Reifen dort zwar alt aber noch unbenutzt vor sich hin gummierte und ich mir sofort mein eigenes Fahrwerk mit klebrigen Bridgestone BT 003 herbeiwünschte.

Ich verfolge einen US Ducatisti auf der umgebauten Kawa ZZR600 von Pauls Kumpel, was sehr lustig ist, denn beide Motorräder haben denselben Motor drin und sind gleich schnell.

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In Runde drei nehm ich mir ein Herz, bremse in den Korkenzieher erst so spät, dass ich schon auf eine Supermotoeinlage gefasst bin, drücke mich links vorbei, den Scheitelpunkt treffend und bin vorne. Pauline auf ihren 8 Jahre alten Gummis ist in diesem Training 10 Sekunden schneller als zuvor, wir nehmen dem US Cowboy mit seinen neuen Reifen 2 Sekunden ab, fahren alle Kurven bis auf 3 Stellen ohne das Poti zurückzudrehen.

Aber es nutzt nichts, die Spitzenleute fahren noch mal 5 Sekunden schneller als im ersten Training, und es reicht uns am Schluss dann doch nicht zur Qualifikation. Obwohl dieses Zeittraining bestimmt das langsamste war welches ich je gefahren habe, war es trotzdem eins der geilsten. Der Cowboy und ich lachen uns danach in der Boxengasse krumm vor Spaß und Paul ist sehr stolz, dass wir das Duell gegen seinen Kumpel gewonnen haben.

Christian Amend blieb im Quali gleich in Runde eins mit Kurzschluss liegen, für ihn tat es mir besonders leid. Als Student ist er nicht gerade mit üppigem Bankkonto gesegnet, und hatte bereits eine mit Hindernissen gespickte Anreise hinter sich, und wer nicht am Rennen teilnimmt kommt auch nicht in den Genuss des Startgeldes der FIM – was bei unsereinem aber meist schon fest mit eingeplant ist.

Raceday
Am Sonntag stehen 8 elektrifizierte Zweiräder beim allerersten US-FIM e-Power Lauf der Geschichte am Start. Auf Pole die Lightning, ein animalisches Gerät mit einem riesigen Elektromotor von einem Auto, eingebaut in einen Gitterrohrrahmen mit enormen Ausmaßen. Daneben die futuristische Motoczysz, ein Top Team mit perfektem Auftritt. Auf 3 der schnellste European- und Albacete-Sieger, der Belgier de Ridder auf seiner mit doppeltem Elektromotor versehenen 250er Yamaha. Nach dem von zahlreichen Zuschauern bejubelten Start setzt sich Barnes auf Lightning sofort ab und hat nach 3 Runden fast eine Zielgerade Vorsprung. Die ersten beiden erreichen am Messpunkt auf der Zielgeraden eine Höchstgeschwindigkeit von fast 190 km/h und sind dabei alles andere als lautlos!

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Letzte Runde: Barnes kommt auf die Gerade, führt, hat jedoch keinen Saft mehr in den Accus. Czysz ist dran und kann auf den letzten 200 Metern nochvorbeiziehen, während Barnes, wild wie ein Cowboy, auf den Fußrasten steht und seinem Gaul bedeutet schneller zu werden!

Dritter und „Fastest European“ wird de Ridder. Thomas Betti, der Meisterschaftsführende, wird vierter. Dahinter folgen noch die waidwunden Kräder von Betti Senior, mit einer Runde Rückstand noch ein Ami und als letzter, mit 2 Runden Rückstand und dadurch bei erreichten 75% Renndistanz noch punkteberechtigt, kommt Christian ins Ziel – er bekam von anderen Teams Ersatzteile geliehen und konnte damit sein Motorrad nur wenige Minuten vor dem Rennstart zum Laufen bringen.

Wenn man solch ein Rennen verfolgt, bei dem man die Mitfahrer kennt, spielt es irgendwie eine untergeordnete Rolle welcher Antrieb darin werkelt und welches Geräusch dabei rauskommt, der Racing Spirit ist bei uns allen derselbe.

Und wer trotz allen Schwierigkeiten im Vorfeld eine solche Reise auf sich nimmt muss die Gaskrankheit im fortgeschrittenen Stadium in sich tragen!

Rainer Kopp
Mein Name ist Rainer „Piranha“ Kopp. Ich fahre seit 1988 Motorradrennen, konnte in der Motorrad Seriensportmeisterschaft insgesamt 10 Meistertitel gewinnen, die meisten davon auf meiner Ducati 996R. 12 Starts bei den 1000 KM Hockenheim, IDM Superstock Gaststart und zahlreiche Langstreckenrennen bis zur Teilnahme beim 24 Std. Langstrecken WM Lauf in Oschersleben auf der KTM Superduke in 2007.

Rainer Kopps Webseite: www.rk-racing.de
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