Die Superbike-Weltmeisterschaft wird auch im neuen Jahr auf Eurosport zu sehen sein. WSBK-Urgestein Lenz Leberkern und Ex-125er-Weltmeister Dirk Raudies kommentieren für den Privatsender die Rennen der WSBK, der Supersport-WM und der Supersport-300-WM.
Die Sendezeiten variieren von Event zu Event. Beim Saisonauftakt müssen sich die Fans aber mit Aufzeichnungen zufriedengeben, die ausschließlich auf Eurosport2 zu sehen sind. Im Exklusiv-Interview beantwortet Leberkern die wichtigsten Fragen vor dem Start der Superbike-WM-Saison 2018.
Frage: „Die WSBK läuft auch in diesem Jahr auf Eurosport. Gibt es bereits einen Plan, welche Rennen auf Eurosport laufen und welche Events auf Eurosport2 gezeigt werden?“
Lenz Leberkern: „Dazu kann ich im Moment noch gar nichts sagen. Es hängt immer davon ab, welche Sportarten parallel laufen. Man hört es sicher nicht gern, aber ich muss es immer wieder betonten: Wir sind eine Randsportart! Ob Hallenhalma, Darts oder Snooker – wir werden von diesen Sportarten um Längen geschlagen. Deswegen wird die Superbike-WM oft in Richtung Eurosport2 geschoben, wenn reichweitenstärkere Sportarten auf dem Programm stehen. Bereits beim Auftakt werden wir nach hinten geschoben. Es ist nebenbei gesagt das erste Mal, an das ich mich erinnern kann, dass wir den WSBK-Auftakt nicht live zeigen. Wir haben keine Live-Übertragung aus Australien, weil Olympia läuft. Wir Kommentatoren sind in der Regel die Letzten, die erfahren, wann was läuft. Bei den Vor-Ort-Präsenzen müssen wir uns auch danach richten welche Rennen auf Eurosport1 laufen.“
Frage: „Also gibt es noch keine Planung, bei welchen Rennen Vor-Ort-Einsätze angedacht sind?“
Leberkern: „Nein, wir wissen es noch nicht. Ich denke mal, dass wir wieder in Assen sind. Ich hoffe zudem, dass wir bei einem Rennen sind, bei dem es warm ist. Ich hasse Kälte (lacht; Anm. d.Red.)! Wer Assen mal im Schneegestöber erlebt hat, der weiß, dass es keinen Spaß macht – weder uns Kommentatoren, noch den Fotografen oder gar zuletzt den Fahrern.“
Frage: „Wann läuft der Saisonauftakt auf Eurosport?“
Leberkern: „Wir sind nicht nachts zu sehen. Am Samstag geht es um 18:00 Uhr auf Eurosport2 los. Sonntag beginnt die Übertragung um 17:45 Uhr mit der Supersport-WM auf Eurosport2.“
Deutschland braucht neue Helden
Frage: „Das Interesse an der WSBK in Deutschland ist offensichtlich überschaubar. Woran liegt es, dass die Serie nicht mehr so beliebt ist wie in der Vergangenheit?“
Leberkern: „Das hat denke ich mehrere Gründe. Ein Grund ist, dass wir oft auf Eurosport2 ausweichen müssen. Das können viele Leute nicht sehen. Ich denke, dass es aber auch auf die fehlenden deutschen Helden zurückzuführen ist. Ähnliches beobachtete man in Deutschland im Tennis. Das interessierte keine Sau vor Boris Becker und Steffi Graf.“
„Deutsche Helden sind sehr wichtig. Wir brauchen erfolgreiche deutschsprachige Fahrer in den jeweiligen Serien. Ich bin gespannt, ob Sandro Cortese neue Zuschauer generieren kann. Ein weiterer Punkt ist, dass Kawasaki und Johnny Rea so dominant waren und sind. Das hat viel Spannung herausgenommen.“
Frage: „Im vergangenen Jahr ruhten die deutschen Hoffnungen auf Stefan Bradl. Aber auch er konnte die deutschen Fans nur bedingt für die WSBK begeistern.“
Leberkern: „Das ist ein schwieriges Thema. Man bekommt viel mit, wenn man in der Szene arbeitet, was der normale Fan nicht mitbekommt. Stefan ist ein Fahrer, der von den Fans oft anders wahrgenommen wird als von den Leuten, die mit ihm arbeiten. Es gibt viele Leute, die ihn aus unterschiedlichen Gründen kritisieren. Für uns als Medienmenschen ist es schwierig, wenn man von einem Sportler zeitnah nur wenig oder gar keine Info erhält. Da muss man dann miteinander reden, was wir dann auch getan haben und dann lief es wieder. Er hat sich in den vergangenen Jahren verändert.“
„Ein Sportler, der mit zunehmender Bekanntheit auch mehr Druck erfährt, baut einen Panzer um sich auf. Das trifft auch auf Stefan zu. Er erhielt viele Schulterklopfer, als er Weltmeister wurde. Viele Leute wollten etwas von ihm. Sobald es nicht mehr läuft, hört man von diesen Leuten dann nichts mehr. Das kennt man auch aus dem privaten Leben. Im Spitzensport ist es umso extremer. Das hat ihn sicher zum Teil beeinflusst. Ich hätte ihm natürlich gegönnt, dass es besser läuft. Es ist wie ein Puzzle, wenn man erfolgreich sein möchte.“
„Johnny Rea mühte sich jahrelang auf der Honda ab und profitierte dann von der positiven Arbeit von Tom Sykes, als er zu Kawasaki wechselte. Er musste plötzlich nicht mehr ständig über dem Limit fahren um schnell zu sein und bekam viel mehr Ruhe in seine Art, die Rennen zu bestreiten – und der Erfolg kam dann nahezu automatisch. Das war dann natürlich für Tom Sykes frustrierend. Es müssen alle Puzzleteile zusammen passen. Bei Stefan war das nicht der Fall. Selbst Nicky (Hayden) rastete bei Honda aus – und das hat bei ihm was geheißen… Es hat vieles nicht gepasst. Stefan war einer der Leidtragenden der Gesamtsituation würde ich sagen.“
Lenz Leberkern hofft auf Sandro Cortese
Frage: „Was ist von Sandro Cortese in der Supersport-WM zu erwarten?“
Leberkern: „Die Voraussetzungen sind ähnlich wie bei Stefan vor einem Jahr. Er muss sich an die Klasse, das neue Team und das neue Motorrad gewöhnen. Er muss unter anderem an seinem Fahrstil arbeiten. Ich würde sagen, die Wahrscheinlichkeit liegt bei 50/50, dass er vorne mitmischt und Top-5-Ergebnisse einfährt. Man muss aber betonen, dass Yamaha sehr viel macht. In der Langstrecken-WM sind sie sehr erfolgreich. In der Superbike-WM waren die Erwartungen hoch, doch bisher blieb die R1 einiges schuldig. Das liegt aber nicht an der R1 sondern an der starken Konkurrenz.“
Frage: „Ab Aragon gesellt sich der Superstock-1000-Cup dazu, an dem auch IDM-Champion Markus Reiterberger teilnimmt. Wird diese Serie auch bei Eurosport im Programm berücksichtigt?“
Leberkern: „Leider nicht. Wir haben jetzt mehr deutsche Fahrer, doch wir können sie nicht zeigen, weil sich Eurosport mit der Dorna nur auf die WM-Läufe geeinigt hat so wie es aussieht. Das heißt, wir haben ausschließlich die Superbike-WM, die Supersport-WM und die Supersport-300-WM im Programm. Ich weiß nicht, warum die Superstock-1000-EM unter den Tisch fällt. Vielleicht liegt es daran, dass die Serie in Zukunft eingestampft wird. Wir haben im Moment aber sowieso zu viele Rennserien. Für Sponsoren ist es viel zu unübersichtlich. Meiner Meinung nach sollte man das System vereinfachen. Ich verstehe auch nicht, warum in verschiedenen Ländern unterschiedliche Reglements in den jeweiligen Klassen gefahren werden.“
Keine Angst vor neuen den Regeln
Frage: „Im Winter wurde intensiv über die neuen Regeln für die Saison 2018 diskutiert. Wie schwierig ist es für einen Kommentator, dem Zuschauer die Neuerungen zu erklären?“
Leberkern: „Es ist relativ einfach, finde ich, solange man vor jedem WM-Lauf klar kommuniziert, was verändert wird. Man sollte aber genauer erklären, was zum Beispiel im Fall von Kawasaki die bis zu 1.100 Umdrehungen pro Minute weniger in Sachen Spitzenleistung und Topspeed bedeuten.“
„Ich finde, der Grundgedanke ist ein möglicher Ansatz, doch die Umsetzung ist bekloppt. Wenn Jonathan Rea wieder dominiert, dann wird Kawasaki als Hersteller beschnitten, auch Pedercini und die anderen kleinen Teams die eine Kawasaki einsetzen. Man bremst also auch die Teams ein, die ohnehin schon Rückstand haben. Das ist ein riesen Schmarrn. Die Gefahr ist groß, dass Teams aus der Meisterschaft frustriert aussteigen oder ein derart reglementiertes Fabrikat meiden.“
Frage: „Störst Du Dich aus sportlicher Sicht daran, dass derjenige, der am besten arbeitet, ständig künstlich eingebremst wird?“
Leberkern: „Handicap-Regeln gab und gibt es auch in anderen Serien. Man darf nicht vergessen, dass sich ein Promotor eine möglichst gute Show wünscht. Es müssen möglichst viele Leute einschalten. Je mehr Zuschauer es gibt, desto größer sind die Einnahmen. Man will Geld verdienen. Es ist eine Industrie wie jede andere auch. Je größer die Show ist, desto besser sind die Möglichkeiten. Das muss man knallhart so sehen. Es wird alles unternommen, um die Show zu verbessern.“
„Handicap-Regeln gibt es schon seit Ewigkeiten, unabhängig davon wie sinnvoll oder nicht sinnvoll diese Art von Regeln ist. Das ist eine andere Baustelle. Im amerikanischen Motorsport wird schon mal eine Gelbphase eingeleitet, um die Spannung wieder zu erhöhen. Soweit sind wir in Europa noch nicht. Bei uns steht der Sport stärker im Vordergrund. Aber unterm Strich geht es darum, gute Rennen zu haben.“
Alle gegen Weltmeister Jonathan Rea
Frage: „Wer wird in der neuen Saison der größte Gegner von Jonathan Rea sein?“
Leberkern: „Ducati setzt bereits voll auf die V4-Maschine. Sie werden nicht mehr allzu viel Entwicklung in die V2-Maschine stecken. Es wird sicher schwieriger für die Ducati-Piloten. Johnny Rea ist unter anderem auch deshalb drei Mal Weltmeister geworden, weil er nicht so oft stürzt wie andere Fahrer, die mit blauen oder roten Maschinen fahren. If you want to finish first, first you have to finish – ein Chaz Davies hätte in den beiden vergangenen Jahren bessere Chancen gehabt, wenn er konstantere Leistungen gezeigt hätte.“
Frage: „Gibt es einen Geheimtipp für die bevorstehende Saison?“
Leberkern: „Mein Geheimtipp ist nicht besonders geheim. Ich tippe erneut auf Johnny Rea und Kawasaki.“
Frage: „Und gibt es einen Fahrer, der in diesem Jahr den nächsten Schritt machen könnte?
Leberkern: „Ich muss zu Chaz Davies zurückkehren. Er ist pfeilschnell und hätte es verdient, Weltmeister zu werden. Er hat das Potenzial dazu, er hat das passende Motorrad. Abgesehen davon erwarte ich den ersten Yamaha-Sieg. Paul Denning ist für seine konservative Entwicklung bekannt. Yamaha wird jetzt anfangen die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Wenn ein Herr Lowes endlich mal sitzen bleibt und sich Michael van der Mark nicht so sehr selbst unter Druck setzt, dann stehen die beiden Yamahas bald ganz oben. Van der Mark will seit einigen Jahren immer zu viel und setzt sich zu stark unter Druck. Er müsste etwas lockerer an die Rennen herangehen finde ich.“
Wie geht es bei Honda nach Stefan Bradl weiter?
Frage: „Wie gut wird Honda in der Saison 2018 sein?“
Leberkern: „Ah, stimmt! Leon Camier hätte ich beinahe verdrängt. Ich habe bereits im Vorjahr oft genug betont, dass Camier ein extrem guter Test- und Entwicklungsfahrer ist. Ich bin überzeugt, dass Honda diese Qualität im Vorjahr gefehlt hat – bei allem Respekt vor Stefan und Nicky. Nicky hat sich vielleicht gedacht, ‚ich bin zu alt für den Mist, ich will ein siegfähiges Motorrad‘. Er hatte vermutlich keine große Lust, sich ein oder zwei Jahre lang mit der Entwicklung einer neuen Maschine zu beschäftigen.“
„Ein Leon Camier hat noch mehr Herzblut. Er hat ein gutes technisches Verständnis. Er kann das Motorrad weiterbringen. Das hat er bei den Wintertests gezeigt. Das ist nicht jedermanns Sache. Die neue Fireblade war schon immer ein gutes Motorrad, einige Tester behaupten immer noch, dass sie eine der besten Straßensportler der Gegenwart ist. Es liegt nicht nur an der Elektronik dass es in der WSBK nicht funktioniert. Es ist sicher ein Faktor, doch in der BSB zum Beispiel, wo mit einer Einheitselektronik gefahren wird, wurde deutlich, dass die Maschine absolut konkurrenzfähig ist.“
Frage: „Hast Du zum Abschluss noch eine Botschaft an die WSBK-Fans?“
Leberkern: „Ich würde mich freuen, wenn wieder mehr Leute einschalten, wenn die Superbike-WM läuft. Es werden sicher geile Rennen. Ich freue mich auf die Fans und den Input. Lob und Kritik sind immer willkommen. Ich versuche, authentisch zu bleiben und mich mit jedem auseinanderzusetzen, der den Weg zu mir sucht. Das funktioniert über Facebook oder den Studio-Button bei mir auf der Website. Ich freue mich auf die neue Saison. Neben der WSBK bringen wir auch die BSB und die Langstrecken-WM. Da ist dieses Jahr wieder richtig Alarm angesagt. Auch ein Blick in die Supersport-300-WM lohnt sich, da hatten wir bereits vergangenes Jahr spektakuläre Rennen mit den jungen Heißspornen. Ich freu mich auf euch.“
Text von Sebastian Fränzschky
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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