Es war die größte Überraschung der MotoGP-Saison 2016: Valentino Rossi engagierte Luca Cadalora als „Riding-Coach“.
Bemerkenswert darin ist, dass die beiden Italiener nie ein besonders enges Verhältnis hatten oder die engsten Freunde waren. Außerdem arbeitete Rossi in seiner langen und äußerst erfolgreichen Karriere nie mit einem Riding-Coach zusammen. Deshalb war die Überraschung groß, als im Winter Cadalora beim Test in Australien in der Yamaha-Box auftauchte und sich mit Rossi austauschte.
„Es stimmt, ich kennen ihn nicht sehr gut“, bestätigt Cadalora und fügt bei ‚Sportrider‘ hinzu: „Wir trafen uns einmal in Misano mit der R1. Er lud mich dann zur Ranch nach Tavullia ein. Er fragte mich dann, ob ich ihn zum Test nach Phillip Island begleiten wolle. Er meinte, ob ich nicht sein Boris Becker sein könnte.“ Die ehemalige Nummer 1 im Tennis arbeitet seit einiger Zeit im Beraterteam von Novak Djokovic, dem aktuell besten Tennisspieler. Und so reiste Cadalora mit nach Australien. Die Gespräche und das Feedback verlieren positiv, weshalb der 53-Jährige die Beraterfunktion weiterhin für Rossi übernimmt.
Cadalora war währende seiner aktiven Zeit zwischen 1984 und 2000 in der Motorrad-WM als sehr analytischer Fahrer bekannt. Einmal wurde der Italiener Weltmeister der Achtelliterklasse (1986) und zweimal bei den 250ern (1991, 1992). In der 500er-Klasse war Cadalora einmal Vizeweltmeister und zweimal WM-Dritter. Er fuhr Mitte der Neunzigerjahre drei Jahre im Yamaha-Werksteam und wechselte dann zu Kanemoto-Honda. Mit Erv Kanemoto gewann Cadalora seine beiden 250er-Titel.
Doch wie kann er Rossi helfen, da er nie ein aktuelles MotoGP-Bike gefahren ist? „Ich gebe ihm keine Ratschläge und sage ihm nicht, er soll dies oder jenes tun. Ich denke darüber nach, was ich gesehen habe und spreche darüber. Dann entscheidet Valentino, ob ihm diese Worte passen“, erläutert Cadalora. „Ich fahre mit meinem Roller um die Strecke und beobachte. Ich versuche die Strecke zu spüren und beobachte, wie Valentino und andere Fahrer fahren. Nach den Studium der Zeiten kann er vielleicht besser entscheiden, welche Linie er benutzen soll.“
Während andere Fahrer mit schnellen Trainingszeiten auf sich aufmerksam machen, perfektionierte Rossi in den vergangenen Jahren seine Vorbereitungen für das Rennen. Häufig ist der Altmeister auf den Punkt genau für den Grand Prix konkurrenzfähig und stark unterwegs. Hierbei spielen viele Details eine Rolle. In der Königsklasse geht es so eng wie seit Jahren nicht mehr zu. Cadaloras Rückmeldungen sind ein Teil in diesem Puzzle.
Bei der Linienwahl geht es zum Beispiel nur um wenige Zentimeter. „Eigentlich sogar um weniger“, meint Cadalora. „Es ist keine technische Aufgabe, es gibt keine harten Regeln. Es ist immer anders, etwas artistisch. Valentino und ich sind auf einer Wellenlänge. Die aktuellen Motorräder und Fahrer sind am äußersten Limit. Der Unterschied ist pro Runde eine Zehntelsekunde oder weniger. Man gewinnt nur, wenn man alle Details auf den Punkt bringt.“ Abseits der Rennstrecke verbringen Cadalora und Rossi trotzdem kaum Zeit miteinander.
Text von Gerald Dirnbeck
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