(Motorsport-Total.com) – Die MotoGP steht in der Saison 2023 vor einem Rekordkalender. Erstmals in der Geschichte der Motorrad-Weltmeisterschaft stehen 21 Grands Prix auf dem Programm.
Neu gibt es am Samstag Sprintrennen über die Hälfte der Distanz. Somit kommt man insgesamt auf 42 Rennen.
Die körperliche Belastung ist in den vergangenen Jahren für die Fahrer gestiegen. Aerodynamik und Ride-Height-Systeme sorgen für extremere Beschleunigung und spätere Bremspunkte. Die Arme werden stark beansprucht. Die heutigen Fahrer sind Athleten.
In der Saison 2022 gab es 20 Grands Prix und eine fünfwöchige Sommerpause zur Erholung. Die Distanz dieser 20 Rennen betrug insgesamt 2.272,60 Kilometer. Im Durchschnitt wurden am Sonntag 113,63 Rennkilometer gefahren.
Im nächsten Jahr wird das halbstündige vierte Freie Training gestrichen und durch das Sprintrennen ersetzt. Das sind rund 1.300 zusätzliche Rennkilometer pro Jahr. An jedem Wochenende werden dann im Schnitt 170 Rennkilometer absolviert.
„Die Einführung des Sprints wird vor allem die Erholung der Fahrer beeinflussen“, sagt Marc Rovira, der persönliche Trainer von Pol Espargaro, im Gespräch mit der spanischen Edition von ‚motorsport.com‘.
„Es wird einen großen Unterschied machen, wie sich ein Fahrer vom Samstag auf den Sonntag erholt. Obwohl im Sprint nicht so viele Runden gefahren werden, ist die Belastung der Muskeln sehr stark. Auch mental spielt das eine wichtige Rolle.“
„Um daran zu arbeiten, werden wir die Intensität der Übungen erhöhen, aber die Erholungszeit verringern. Auf diese Art werden wir die Ermüdung beim Training fördern. Unser Ziel ist es, die Muskeln daran zu gewöhnen, damit sie sich schneller erholen.“
„Kurzes und langes Intervalltraining wird eine entscheidende Rolle spielen. Vor den Grands Prix werden wir die Dauer verkürzen, aber die Intensität beibehalten. So wollen wir Übertraining vermeiden“, erklärt Rovira, der früher Jorge Lorenzo betreut hat.
„Es gibt viele Fahrer, die sich damit schwer tun, zu relaxen. Deshalb wird es wichtig, den Stress so weit wie möglich zu reduzieren, bevor sie schlafen gehen. Das geht über Meditation, Atemtechnik oder mit individuellen Methoden, die die Fahrer anwenden.“
Schon in den vergangenen Jahren hat sich die körperliche Vorbereitung und die Ernährung geändert. Die Fahrer sind Profisportler mit Betreuern, die sich auf und abseits der Strecke um alle Belange kümmern. Auch die Winterpause ist als Vorbereitung sehr wichtig geworden.
Aleix Espargaro: „Vor wenigen Jahren nur 225 PS“
„Dieser Aspekt hat sich in unserem Sport brutal verändert“, hält Aleix Espargaro fest. „Jetzt sind alle Fahrer Athleten. Die Motorräder sind körperlich immer anstrengender zu fahren. Sie haben 300 PS und wir nutzen die Leistung fast komplett.“
„Unsere Arme sind aber genauso wie früher. Vor gar nicht so vielen Jahren haben wir nur 200 bis 225 PS auf den Boden gebracht. Jetzt muss die Fitness auf einem sehr hohen Level sein, denn alles ist so ausgeglichen.“
„Es ist nicht mehr nur wichtig, schlank und stark zu sein, um für die letzten Runden noch frisch zu sein. Der Puls muss niedrig sein, damit man klar denken kann. Es geht auch um die mentale Seite. Je mehr man trainiert, desto besser vorbereitet ist man und desto schneller fährt man.“
Die körperliche Vorbereitung ist eine Sache. Verletzungen die andere. Mit 42 Rennen ist die Chance noch höher, sich zu verletzen. Sollten Fahrer pausieren müssen, kann das auch das Ende ihrer WM-Ambitionen bedeuten.
„Ich habe bisher immer mit den Physiotherapeuten der Clinica Mobile gearbeitet“, sagt Maverick Vinales und spricht die neue medizinische Betreuung ab dem nächsten Jahr im Fahrerlager an: „Ich denke darüber nach, einen persönlichen Trainer zu engagieren.“
„Es wird so viele Rennen geben. Wir wissen auch nicht genau, wie dieses neue System funktionieren wird. Vielleicht ist es jetzt besser, wenn ich mit jemandem permanent zusammenarbeite.“
Für alle MotoGP-Fahrer ist es ein großes Fragezeichen, wie sich die zusätzlichen Sprintrennen in der Praxis auf ihre körperliche Verfassung auswirken werden. Auch die Teams müssen künftig zwei Rennen vorbereiten.
„Der Winter wird sehr wichtig werden, um sich gut vorzubereiten“, sagt Marco Bezzecchi. „Niemand weiß, was wir erwarten können. Ich werde nicht viel Urlaub machen, denn ich denke, ich muss körperlich einen Schritt mehr machen.“
Man muss sich auf dem Bike mehr bewegen
Bezzecchi kann auf seinen Erfahrungen seiner Rookie-Saison aufbauen. 2023 wird es nur einen neuen Fahrer im Feld geben, nämlich Augusto Fernandez. Er wird weniger Freie Trainings zur Verfügung haben als bisher, um in Ruhe die MotoGP kennenlernen zu können.
„Die MotoGP ist körperlich sehr herausfordernd“, ist Fernandez nach seinem ersten Testtag in Valencia aufgefallen. „Dank der Leistung kann man mehr mit seinem Körper arbeiten, man hängt sich neben das Motorrad und bewegt sich generell viel mehr.“
„Ich versuche mich so gut wie möglich darauf vorzubereiten. Ich werde auch mehr essen, weil man in der MotoGP mehr Energie braucht. In der Moto2 ist es mit der benötigten Kraft und dem Gesamtgewicht ein Kompromiss.“
„Neben dem Training werde ich auch viel Motocross fahren, denn das macht einen stärker. Der Wintertest in Sepang wird auch sehr wichtig, denn das wird anstrengend werden.“ Fernandez wird im Winter zudem das Red-Bull-Trainingszentrum in Thalgau (Österreich) besuchen.
Auch für die Mechaniker und Ingenieure wird der Mammutkalender eine Herausforderung. Es wird praktisch kaum eine Personalaufstockung geben. Ein Team bestreitet alle 21 Grands Prix weltweit vor Ort und wird viel Zeit auf Reisen verbringen.
Text von Gerald Dirnbeck, Co-Autor: German Garcia Casanova
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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