(Motorsport-Total.com) – Wochenlang spannte Marc Marquez die Öffentlichkeit auf die Folter, was seine Zukunft in der MotoGP angeht.
Noch in Misano sprach er von einem Plan A, B und C. Gerüchte über einen Wechsel zu Gresini-Ducati nahmen weiter an Fahrt auf, doch der Spanier ließ sich nicht in die Karten schauen.
Nachdem nun sowohl der Honda-Abschied als auch der Wechsel zu Gresini bestätigt sind, gibt Marquez zu: „Die Entscheidung war lange Zeit nicht klar. Man könnte meinen, ich habe alle zum Narren gehalten. Aber die Situation hat sich mit jeder Woche geändert. Noch in Misano war ich zu 90 Prozent bei Honda.“
„Das Gresini-Team hat mir viel Respekt entgegengebracht und mir alle Zeit gegeben, die ich brauchte. […] Sie haben auf mich gewartet und sind dabei auch ein Risiko eingegangen, denn ich habe ihnen nichts versprochen“, sagt Marquez.
„Aber ich sagte mir, dass ich auf diesem Weg nicht weitermachen will. Meine Priorität war immer Honda, aber meine größte Priorität ist meine Karriere und meine mentale Gesundheit. Ich möchte mit einer positiven Mentalität in das nächste Jahr gehen.“
Marquez: „Vergangene Woche emotional hart“
Die Voraussetzungen dafür sieht Marquez in seiner aktuellen Situation bei Gresini-Ducati eher gegeben als bei Honda, wo er das Motorradfahren laut eigener Aussage zuletzt nicht mehr genießen konnte. Dennoch fiel ihm die Entscheidung „super schwer“. „Vor allem die vergangene Woche war emotional wirklich hart.“
„Wir hatten elf Jahre lang eine sehr gute Beziehung und auch eine erfolgreiche Beziehung. Darauf kommt es an“, erinnert der 30-Jährige an die Siege und Titel mit Honda.
Doch seit seiner schweren Verletzung Anfang 2020 ist der Hersteller vom Kurs abgekommen und hat ihn bisher nicht wiedergefunden. „Es gab viele Meetings in Japan und ich denke, mit dem jetzigen Projekt brauchen sie Zeit, sie müssen all ihr Budget in das Motorrad stecken und weiter arbeiten“, sagt Marquez.
„Als Hersteller haben sie diese Zeit, als Fahrer habe ich sie nicht. Wenn du ein Jahr verlierst, ist das ein Jahr weniger in deiner Karriere.“ Auch deshalb entschied er sich für den Wechsel – nicht, weil er Honda nicht zutraut, wieder an die Spitze zu kommen.
„Honda ist Honda, und ich glaube fest daran, dass sie es schaffen werden“, betont der sechsfache MotoGP-Champion. „Niemand weiß, wann das sein wird. Aber sie werden es schaffen, denn sie sind die größte Motorradmarke in der Welt.“
Sie hat Marquez 2013 in die MotoGP geholt. Gleich im ersten Jahr sicherte er sich den Titel, fünf weitere folgten. Lange Zeit dominierte die Kombination Marquez-Honda die Königsklasse. Doch das änderte sich mit seinem Oberarmbruch in Jerez 2020. Knapp vier Jahre später wagt er jetzt den Markenwechsel.
Marquez will das Fahren wieder genießen können
„Es war eine harte Entscheidung, aber es war eine Entscheidung basierend auf meinem Gefühl. Ich muss es wieder genießen können, auf dem Motorrad zu sitzen. Ich muss es wieder genießen können, raus auf die Rennstrecke zu gehen und nur ans Fahren zu denken, und nicht an alle möglichen anderen Dinge“, erklärt Marquez.
„Um das zu tun, verlasse ich meine Komfortzone. Das war bisher Honda. Ich kenne das Motorrad, war damit der Schnellste unter den Honda-Fahrern, habe gut verdient. Das war die Komfortzone. Aber das war nicht mehr meine Priorität.“
„Meine Priorität ist, es auf der Strecke wieder genießen zu können und den nächsten Schritt in meiner Karriere zu gehen“, betont der Spanier und ergänzt: „Wenn ich wieder ein Lächeln unter dem Helm habe, wird sich alles andere ergeben.“
Ihm ist bewusst, dass der Wechsel von einem Werksteam wie Repsol-Honda in ein Satellitenteam wie Gresini-Ducati von vielen kritisch beäugt wird. „Manche Leute werden vielleicht sagen, dass es ein seltsamer Wechsel ist. Aber ich bin der Fahrer und nur ich weiß, was in meinem Kopf vorgeht. Das ist, was ich brauche.“
„Natürlich gab es andere Optionen“, verrät Marquez – darunter auch die Möglichkeit eines Sabbaticals. „Ein Jahr Auszeit zu nehmen, war tatsächlich eine der Optionen.“
„Denn Rennen zu fahren, ohne es zu genießen, macht für mich keinen Sinn“, sagt er und erinnert an die vergangenen vier Jahre. „Sie waren sehr, sehr schwierig für mich – wegen der Verletzung und dann wegen der Performance auf der Rennstrecke.“
Gresini mit familiärem Umfeld und starkem Bike
„Wir werden sehen, was passiert, aber ich glaube, bei Gresini kann ich mein Ziel erreichen. Es ist eine familiäre Umgebung und sie werden das 2023er-Bike haben, das in diesem Jahr um Siege und den Titel kämpft.“ Dabei begreift Marquez den Wechsel auch „ein bisschen als einen Schritt zurück zu den Anfängen“.
„Es ist ein kleines, familiäres Team. Sie haben ein gutes Motorrad, das im Moment die WM anführt. Es ist eine auch große Herausforderung, denn nach elf Jahren auf demselben Motorrad wird es nicht leicht sein, sich umzustellen“, weiß der Honda-Pilot.
Als Teamkollege wird ihm sein jüngerer Bruder Alex Marquez zur Seite stehen. Er war auch in den Entscheidungsprozess involviert. Doch Marquez betont: „Am Ende liegt es nicht in seiner, sondern in meiner Verantwortung. Wir haben uns mehr über das Team an sich unterhalten, nicht so sehr über das Motorrad.“
„Jeder Fahrer hat einen anderen Stil, und diese beiden (Francesco Bagnaia und Jorge Martin) sind jünger als ich und im Moment auch schneller. Meine Herausforderung wird sein, ihnen näherzukommen. Gleich auf demselben Level zu sein, wird schwierig. Aber wir werden es Schritt für Schritt versuchen.“
Auf die Frage, ob er Leute aus seiner langjährigen Crew bei Honda mit zu Gresini nehmen wird, verweist Marquez auf laufende Gespräche: „Wir befinden uns noch in Diskussionen.“
„Ehrlich gesagt war das einer der größten Zweifel im Entscheidungsprozess – mein Team. Aber ich habe mit allen gesprochen, sie sind meine Freunde und haben mich als solche, nicht als Teammitglieder, beraten. Das hat mir bei der Entscheidung sehr geholfen. Am Ende habe ich aber auf mich selbst gehört.“
Marquez schon beim Valencia-Test auf der Ducati?
„Ich versuche, zumindest einen Mechaniker mitzunehmen. Ich denke, das wird kein Problem sein. Aber ich kann nicht das gesamte Team mitnehmen, denn ich möchte weder das Repsol-Honda-Team noch das Gresini-Team auseinander reißen.“
„Sie sind eine große Familie und haben ihre eigenen Mechaniker. Ich werde mich also anpassen müssen“, sagt Marquez. Bis es so weit ist, will er diese Saison gut zu Ende bringen und die letzten Rennen mit Honda genießen. „Und dann werden wir sehen, was für mich mit dem neuen Motorrad möglich ist.“
Einen ersten Eindruck davon könnte es bereits beim ersten Vorsaisontest für 2024 geben, der am Dienstag (28. November) nach dem Saisonfinale in Valencia stattfindet. Denn dem Vernehmen nach soll Marquez schon dort die Möglichkeit bekommen, mit Gresini zu testen – wenn nicht die GP23, dann zumindest die GP22.
Darauf angesprochen, sagt Marquez nur so viel: „Es ist noch nicht fix. Es laufen Gespräche und es sieht so aus, als ob eine gute Möglichkeit besteht. Aber es steht noch nichts fest.“
Text von Juliane Ziegengeist
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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