(Motorsport-Total.com) – Packende Action mit jeder Menge Überholmanöver im Rennen – ausgelassener Jubel mit den Fans und mit dem Team nach dem Rennen: Marc Marquez hat den Grand Prix von Australien 2022 auf Phillip Island in jeglicher Hinsicht genossen, auch wenn er den Sieg knapp verpasst hat.
Mit weniger als 0,2 Sekunden Rückstand auf Suzuki-Pilot Alex Rins kam Marquez als Zweiter ins Ziel. Von Ärger darüber, dass er im Schlussspurt knapp unterlag, aber keine Spur. Ganz im Gegenteil: Die Freude über den ersten Podestplatz nach der vierten Operation an dem Arm, den er sich in Jerez 2020 gebrochen hatte, überstrahlt alles.
„Ich muss sagen, ich freue mich wirklich sehr über diesen Podestplatz. Der bedeutet mir sehr viel“, bekennt Marquez und meint damit nicht nur die Tatsache, dass es sein 100. in der Königsklasse MotoGP war. Diese Marke haben vor ihm nur drei andere erreicht: Dani Pedrosa mit 112 Podestplätzen, Jorge Lorenzo mit 114 und Rekordhalter Valentino Rossi mit 199.
Für Marquez aber steht etwas anderes als die 100 im Vordergrund. „In dieser für uns so schwierigen Saison hilft dieses Podium ungemein“, bekennt er und erklärt: „Es hilft, um die Motivation aufrecht zu erhalten und es hilft dabei, den Leuten zu zeigen, dass der Fahrer, der mit Honda sechs WM-Titel eingefahren hat, immer noch da ist.“
Kein Ärger über knapp verpassten Sieg
„Es ist lange her, dass ich in der absoluten Spitzengruppe mitgekämpft habe“, betont Marquez und trauert dem knapp verpassten Sieg keineswegs nach: „In der letzten Runde habe ich es probiert, aber Rins hat richtig gut verteidigt. Als ich das gesehen habe, musste ich daran denken, wo ich herkomme. Du kannst nicht mit einem Schlag von ganz unten nach ganz oben springen. Das ist ein Prozess.“
Nachdem eingangs der letzten Runde noch Ducati-Pilot Francesco „Pecco“ Bagnaia geführt hatte, übernahm Rins in Kurve 2 der letzten Runde die Führung. Marquez kam ebenfalls an Bagnaia vorbei und schien in Kurve 10 eine Schlussattacke auf Rins reiten zu können. Aber: „Wenn ich es dort probiert hätte, dann hätte ‚Pecco‘ das Rennen gewonnen, ganz sicher. So wie sich Rins verteidigt hat, hätte ich die Linie nicht halten können“, ist der Honda-Pilot überzeugt.
Und obwohl er den Sieg im Sprint zur Ziellinie knapp verpasst hat, strahlt Marquez: „Das war einfach ein großartiges Rennen! Ich habe es sehr genossen. Ehrlich gesagt kam mir das Rennen sehr kurz vor. Es ging so schnell vorüber. Wenn dir ein Rennen kurz vorkommt, dann heißt das, dass du Spaß hattest.“
Spaß hatte Marquez am Sonntag auf Phillip Island nicht nur während der 27 Rennrunden mit ihren unzähligen Überholmanövern. Auch und vor allem nachdem die karierte Flagge gezeigt wurde, hatte der in den vergangenen zwei Jahren so leidgeprüfte Spanier seine helle Freude.
Auf der Auslaufrunde zurück in Richtung Box hielt Marquez in Kurve 10 an und rannte zu den Fans am Streckenrand. Die ließen ihn hochleben. Marquez feierte den zweiten Platz überschwänglicher als so manchen seiner zahlreichen Siege in der Vergangenheit. Das gilt auch für die ausgelassenen Feierszenen in der Honda-Box, nachdem die Podiumszeremonie und die anschließende Pressekonferenz vorüber waren.
„Wir haben ein ganzes Jahr ohne große Freude in unserer Box hinter uns“, erklärt Marquez die Feierlichkeiten in der Box und freut sich: „Jetzt geht es Schritt für Schritt in die richtige Richtung. Das habe ich schon gestern gesagt und das ist natürlich positiv.“
Marquez überstimmt Honda und wählt den weichen Hinterreifen
Als einziger im gesamten Starterfeld mit 24 MotoGP-Piloten hatte sich Marc Marquez für den weichen Hinterreifen entschieden. Diese riskante Wahl ist für ihn aufgegangen, weil die Pace im Rennen insgesamt sehr niedrig war und er den Kontakt zum jeweiligen Spitzenreiter nie abreißen ließ.
„Die Entscheidung für den Soft-Reifen am Hinterrad, das war meine Entscheidung“, sagt Marquez und verrät: „Im Team waren sie dagegen, aber ich habe gesagt: Leute, ich gehe das Risiko ein und ich übernehme die Verantwortung dafür. Und wenn ich der einzige in der Startaufstellung bin, der sich so entscheidet, dann ist es eben so. Ich bin sicher, dass es die einzige Möglichkeit ist, mit dieser aktuellen Honda eine Chance zu haben.“
Marquez sollte Recht behalten. „Ich habe es richtig vorhergesagt, dass die Pace im Rennen sehr niedrig sein würde. Ja, das war ein Risiko, aber es ist aufgegangen. Unterm Strich war es die richtige Entscheidung“, freut sich der Honda-Star.
Jubel statt Buhrufen in Australien
Wurde Marquez auf Phillip Island vor Jahren noch ausgebuht, so wurde ihm diesmal großer Jubel entgegengebracht. Spürt er seit dem schweren Sturz vom Spanien-Grand-Prix 2020 in Jerez und den mittlerweile vier Operationen mit langen Auszeiten womöglich eine Veränderung dahingehend, wie er von den Fans wahrgenommen wird?
„Ich muss sagen, für mich war das immer okay. Ich war nie einer, der versucht hat, die Buhrufe zu stoppen. Ich habe stets versucht, auf der Rennstrecke meinen Job zu machen“, sagt Marquez und unterstreicht: „Ich habe einen starken Charakter. Das habe ich heute wieder gezeigt, indem ich der einzige war, der sich für den weichen Hinterreifen entschieden hat. Wenn ich an etwas glaube, dann zeige ich das auch.“
Marquez‘ Antwort auf die Frage, wann er zuletzt ein Rennen derart genossen habe wie am Sonntag, überrascht dann aber doch. Er antwortet nämlich ausgerechnet mit dem Rennen, das der Anfang seines zweijährigen Leidensweges war.
„Wann ich zuletzt ein Rennen so genossen habe? Das war 2020 in Jerez. Das war eines der besten Rennen in meiner Karriere überhaupt. Damit meine ich nicht das Ende, sondern von der Performance her. Ich habe das Rennen damals sehr genossen“, erinnert sich Marquez.
„In Malaysia werden wir uns wieder schwerer tun“
„Heute habe ich zum ersten Mal seitdem wieder ein Rennen genossen“, so Marquez, der aber sofort einordnet: „Wir müssen das realistisch sehen. Es war eine Strecke, die links herum gefahren wird und die Pace war extrem niedrig. Während der ersten zehn bis 15 Runden habe ich mit dem weichen Hinterreifen nicht allzu stark gepusht. Ich habe einfach den Reifen und auch meine körperliche Fitness gemanagt.“
In Vorausschau auf die letzten beiden Saisonrennen in Sepang (Malaysia) und in Valencia (Spanien) sagt der Honda-Pilot: „In Malaysia werden wir uns wieder schwerer tun. In Valencia könnten wir dann wieder eine Chance haben, näher an der Spitze dran zu sein. Aber warten wir mal ab.“
Marc Marquez‘ Schlusswort nach dem 100. Podestplatz seiner MotoGP-Karriere geht derweil schon über Podestplätze hinaus: „Wenn wir 2023 um den WM-Titel mitkämpfen wollen, dann wird der Winter und die Fortschritte, die wir da machen, das Wichtigste.“
Text von Mario Fritzsche
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