(Motorsport-Total.com) – Ex-Weltmeister Max Biaggi hat mit einem kontroversen Beitrag auf seiner Facebook-Seite für Aufregung gesorgt.
In einem langen Text beschuldigt Biaggi die Vorgehensweise der damaligen Ducati-Verantwortlichen. Er wirft Ducati vor, in der WSBK-Saison 2008 das Reglement ausgetrickst zu haben, indem man lediglich einen Fahrer mit voller Leistung fuhren ließ und die anderen einbremste.
Dadurch wurden Anpassungen der Balance of Performance zwischen den Zwei- und Vierzylinder-Bikes umgangen, so Biaggi. Wir haben einen ehemaligen Ducati-Insider mit diesen Anschuldigungen konfrontiert. Dieser bezeichnet die Aussagen als „Bullshit“.
Biaggi bezieht sich in seinem Text auf die WSBK-Saison 2008, in der er als Teamkollege von Ruben Xaus für das Sterilgarda-GoEleven-Team mit einer Ducati 1098R antrat. Es war die erste Saison, in der Zweizylinder-Motoren einen Hubraum von 1.200 ccm haben durften. Die Vierzylinder-Bikes fuhren mit maximal 1.000 ccm. Es war Biaggis zweite Saison bei den Superbikes.
„Das Motorrad, mit dem ich den ersten Test für 2008 absolvierte, war ein Sieger-Bike. Im Vergleich zum Jahr zuvor erhielt das Motorrad 200 ccm mehr Hubraum. Dafür mussten aber viele Teile der Serie entsprechen“, erklärt Biaggi in seinem Facebook-Text.
Max Biaggi beschuldigt Ducati, die Leistung reduziert zu haben
Beim Saisonauftakt sammelte Biaggi mit einem zweiten und einem dritten Platz viele Punkte und brachte sich in Stellung für den WM-Titel. Doch beim zweiten Event der Saison auf Phillip Island brach sich Biaggi die linke Hand. Nach dem Comeback war laut dem Römer nichts mehr so wie zuvor.
„Nach 21 Tagen mit einem Gips feierte ich mein Comeback in Valencia. Bereits im ersten Freien Training erkannte ich, dass etwas nicht stimmt mit dem Motorrad“, schreibt Biaggi. „Zu Beginn des zweiten Freien Trainings erkannte ich das gleiche Problem und kam an die Box. Ich berichtete meinem Crewchief, dass ich das Training beende.“
„Ich wurde von Fahrern überholt, von denen ich zuvor nie etwas gesehen hatte. Es war absurd. Mein Cheftechniker gab dann zu, dass der Ducati-Corse-Chef, Filippo Preziosi, angeordnet hatte, ein besonders Mapping aufzuspielen, das 15 bis 18 PS weniger hatte. Das wurde gemacht, weil nur ein Fahrer gewinnen sollte“, so Biaggi.
Warum sollte Ducati die eigenen Fahrer künstlich einbremsen?
Laut Biaggi wollte Ducati mit dieser Strategie eine Anpassung der Balance of Performance umgehen. „Ansonsten hätte man die Zweizylinder bestraft. Wenn aber nur ein Fahrer gewinnt, dann führt man es auf das Können des Fahrers und nicht auf den technischen Vorteil der Zweizylinder über die Vierzylinder zurück“, so die Theorie des damaligen Ducati-Pilots.
„Der Hubraum-Vorteil war zu groß. Man musste die Kunden-Bikes bestrafen. Wenn das Podium nur aus Fahrern auf Zweizylinder-Bikes bestanden hätte, dann hätte man die Performance der Ducati 1098 reduziert“, schildert Biaggi und fügt hinzu: „Die Drehzahl wurde je nach dem Stand angepasst.“
„Ich unterschrieb damals einen Vertrag mit Ducati, der einen Aufstieg ins Werksteam im Folgejahr beinhaltete. Ihr wisst, wie es endete und Gott sei Dank lief es so, denn dadurch konnte ich zu meinem Zuhause bei Aprilia zurückkehren“, schreibt Biaggi, der die WSBK-Saison 2008 als WM-Siebter mit 238 Punkten beendete, während Markenkollege Troy Bayliss mit der Werks-Ducati mit 460 Punkten souverän seinen dritten WM-Titel sicherstellte und seine Karriere beendete.
Exklusiv: Was Ducati-Insider Charly Putz zu Max Biaggis Anschuldigungen sagt
Doch was ist dran an Biaggis Theorie? Wir haben uns exklusiv mit Charly Putz unterhalten, der zu dieser Zeit in der Rennabteilung von Ducati für den Aufbau der Superbike- und MotoGP-Motoren verantwortlich war, mittlerweile aber nicht mehr für Ducati tätig ist.
„Das ist absoluter Unfug! Er hatte exakt den gleichen Motor wie Bayliss. Es gab keinen Unterschied“, kommentiert Putz die Aussagen von Biaggi und erinnert sich: „Max kam zehn Mal zu mir in die Motorabteilung und erkundigte sich über den Unterschied zwischen Bayliss‘ Motor und seinem. Ich teilte ihm mit, dass die Motoren identisch sind, doch er glaubte mir nicht. Ich hatte damals jeden der Motoren in den Händen und konnte ihm garantieren, dass alle identisch waren.“
„Es gibt verschiedene Arten von Rennfahrern. Die einen sind die Realisten und die anderen sind wie Prinzessinnen auf der Erbse. Und da gehört Max dazu“, bemerkt Putz.
„Bei ihm war immer jemand anderes Schuld. Er ist ein Fahrer, der nie zugegeben hat, dass es an ihm lag“, so der damalige Ducati-Mitarbeiter. „Das Material war absolut identisch. Es hat mich richtig geärgert, als ich das lesen musste. Die Drehzahl war absolut identisch.“
Laut Putz passen die Aussagen von Biaggi überhaupt nicht zur Philosophie von Ducati: „Ducati ist einer der wenigen Hersteller, der auch an die Privatfahrer so gutes Material herausgibt, mit dem sie richtig erfolgreich sein können. Das sieht man aktuell ja auch bei Bastianini in der MotoGP.“
„Es wird Ducati sicher nicht gefallen, dass der Bastianini drei Mal den Bagnaia hergebrannt hat. Doch Ducati will sich weiterentwickeln und hat das beste System. Es werden gegeneinander Daten ausgetauscht“, stellt sich Putz hinter seinen ehemaligen Arbeitgeber und betont: „Es ist einfach nicht wahr, dass damals die Drehzahl begrenzt wurde.“
Text von Sebastian Fränzschky
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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