Agostini und Lorenzo - © Motorsport Images

© Motorsport Images – Gemeinsam bringen es Agostini und Lorenzo auf 20 WM-Titel

(Motorsport-Total.com) – In den vergangenen Wochen hat sich ein medialer Schlagabtausch zwischen zwei Motorrad-Weltmeistern entwickelt.

Begonnen hat alles Anfang Mai, als sich Giacomo Agostini in der ‚Gazzetta dello Sport‘ über den Rücktritt von Jorge Lorenzo und dessen neuer Aufgabe als Yamaha-Testfahrer geäußert hat.

„Für mich ist Lorenzo ein wenig ein Risiko. Er hat es bei Ducati und Honda nicht geschafft, Ergebnisse zu liefern. Ein Motorrad ist ein Motorrad, ein Topfahrer ist immer schnell“, sagte Agostini. „Das Motorrad ist wichtig, aber im Kopf eines Fahrers spielt sich viel ab.“

„Zunächst gab es schlechte Ergebnisse und dann war er plötzlich vorne, als er den Tank getauscht hat“, erinnert der Italiener an Mugello und Barcelona 2018, als Lorenzo plötzlich mit der Ducati überlegen war.

„Ich habe all diese Dinge auch probiert. Einen anderen Tank, einen kürzeren oder längeren Sitz, einen anderen Lenker. Es hat sich mehr oder weniger gleich angefühlt, aber ich bin deshalb nicht schneller geworden. Es ist der Kopf, der den Unterschied ausmacht.“

Agostini: „Die Wahrheit schmerzt“
Lorenzo ließ diese Kritik nicht auf sich sitzen. Auf seinen sozialen Medienkanälen antwortete er: „Schulde ich diesem Gentleman Geld oder etwas? Ich soll bei Ducati versagt haben – das gut! Man redet sich leicht, wenn man seit 50 Jahren kein Motorrad gefahren ist.“

Anschließend äußerte sich Agostini bei ‚DAZN Spanien‘: „Die Wahrheit schmerzt. Ich brauche niemandem die Füße zu lecken. Ich habe Lorenzo immer gelobt, wenn er großartige Dinge geleistet hat. Also denke ich, dass ich ihn auch kritisieren kann, wenn er versagt hat.“

„Ich habe Jorge immer für seine Siege, seinen Fahrstil und sein Management der Rennen gemocht. Ich habe mich immer sehr positiv über ihn geäußert. Sogar so sehr, dass Teile von Valentinos Yamaha-Box mich schief angesehen haben.“

Deswegen wiederholte Agostini seine Kritik: „Es tut mir leid, aber Lorenzo hat bei Ducati nicht das erreicht, was von ihm erwartet wurde.“ Weltmeister wurde Lorenzo mit dem italienischen Motorrad nicht. Das wäre ursprünglich das große, gemeinsame Ziel gewesen.

Lorenzo: Man kann die Zeiten nicht miteinander vergleichen
Trotzdem lässt Lorenzo die Kritik nicht auf sich sitzen. Auf Instagram postete er ein schwarz-weiß Bild von Agostini, der zwischen 1964 und 1977 klassenübergreifend 122 Grands Prix gewonnen hat. Dazu ein Foto von Lorenzos Ducati-Sieg in Spielberg 2018.

Zu diesen beiden Fotos verfasste Lorenzo einen langen Text: „Ich hoffe, dass ich eines Tages nicht die neue Generation mit den Erinnerungen an meine Siege vergleiche und sage ‚Zu meiner Zeit …‘. Ich denke, Herr Giacomo Agostini sollte verstehen, dass jede Ära im Motorradsport ihre eigene Geschichte hat.“

„Jeder Weltmeister hat seine Bedeutung in Bezug auf Rivalitäten und Technologie – im Kontext wann er gefahren ist. Zum Beispiel wurde in den 1960er-Jahren auf Strecken mit wenig Sicherheit gefahren. Oft betrug der Unterschied zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Fahrer zehn Sekunden.“

„Manche Fahrer hatten so einen großen Vorteil, dass sie es sich leisten konnten, im gleichen Jahr in mehreren Klassen zu fahren und zu gewinnen. Obwohl sich die Technik stetig verbessert hat, war sie immer noch Lichtjahre von der Gegenwart entfernt.“

„Wir sprechen von Motorrädern mit Speichenrädern und Trommelbremsen. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Strecken und die Technologie extrem weiterentwickelt. Mit der Einheitselektronik sind die Motorräder sehr ausgeglichen.“

„Alle Hersteller versuchen den kleinsten Vorteil zu finden, um die Gegner zu schlagen. Viele Siege entscheiden sich nur durch wenige Tausendstelsekunden. Wenn nach 45 Minuten Racing die ersten fünf Fahrer in einer Sekunde sind, dann ist jedes Detail notwendig, um gewinnen zu können.“

„In diesem Kontext sind Details bei der Aerodynamik, Änderungen beim Elektronik-Mapping oder beim Tank entscheidend. Wenn im Gegensatz dazu der Unterschied zehn Sekunden oder Minuten beträgt, dann sind kleine Details unbedeutend.“

„Ja, du kannst mit deiner perfekten Ergonomie zufrieden sein“, richtet Lorenzo die Worte an Agostini. „Und das, lieber Giacomo, ist die unwiderlegbare Wahrheit. Wenn jemand, der die Umstände und Fakten kennt, behauptet, dass ich bei Ducati keine Resultate hatte, dann bin ich überrascht.“

„Mit allem Respekt, aber wenn man mit ‚zu meiner Zeit‘ oder purem Fokus auf Ergebnisse einen Champion der Neuzeit bewerten will, dann wirkt das für mich wie eine Geistlosigkeit von einer Legende wie dir.“

Text von Gerald Dirnbeck

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