Nach dem Moto3-Rennen in Malaysia herrschte bei den Protagonisten gereizte Stimmung. WM-Leader Alex Marquez war mit der aggressiven Fahrweise von KTM-Pilot Jack Miller überhaupt nicht einverstanden und legte zusammen mit seinem Team Protest ein.
Doch die Rennleitung stufte Millers Attacken als harte, aber faire Überholmanöver ein. Vor dem Saisonfinale in Valencia führt Marquez die Wertung mit elf Punkten Vorsprung an.
Noch vor dem Australien-Grand-Prix lag Marquez 25 Punkte in Führung. Auf Phillip Island holte Miller fünf Punkte auf. Durch den fünften Platz in Sepang verlor Marquez neun weitere Punkte. „Ich erwarte solch ein Rennen, denn bereits bei den vergangenen Rennen erkannte ich, dass er mich berühren möchte“, bemerkt Marquez nach dem vorletzten Rennen der Saison. „Ich bin froh, dass ich das Rennen beenden konnte. Es war nicht einfach. Ich liege elf Punkte vor ihm.“
„Ich habe lediglich mein Motorrad an den Stellen platziert, an denen er sein wollte. Ich bin nicht in ihn gefahren“, schildert Miller seine Sicht der Dinge. „Ich habe es ihm einfach nur schwer gemacht, in die Kurven einzubiegen. Wenn ich gewollt hätte, dass er stürzt, dann wäre ich ihm in die Seite gefahren und er wäre zu Boden gegangen. Doch das wollte ich nicht. Ich wollte so sauber wie möglich fahren und ihm das Rennen erschweren.“
Miller attackiert die Marquez-Brüder
„Die Marquez-Brüder haben immer viele Berührungen. Ich bin also wie sie gefahren“, merkt Miller kritisch an. „Ich war nicht der einzige Fahrer, der eine Berührung hatte. Er berührte mich ebenfalls einige Male und drängte mich von der Linie ab. Doch als er mich verdrängte, musste er selbst eine weite Linie wählen und ich konnte innen kontern.“ Millers Äußerungen kamen bei beiden Marquez-Brüdern nicht gut an.
Marc Marquez war in der Vergangenheit oft ein Stammgast bei der Rennleitung, ist mit Millers Fahrweise aber nicht zufrieden: „Ich konnte bereits ziemlich viele Erfahrungen sammeln und war oft bei der Rennleitung. Ich war oft dort, weil ich einen Zusammenstoß mit einem Fahrer hatte. Doch ich habe in der Vergangenheit nie beobachtet, dass es in einem Rennen sechs oder sieben Mal eine ähnliche Situation gibt. Miller war sehr aggressiv. Doch wenn die Rennleitung das als okay ansieht, dann dürfte mein Bruder ausreichend Potenzial haben, um sich dagegen zu wehren“, schildert der MotoGP-Weltmeister energisch.
Webb spricht Miller frei
Rennleiter Mike Webb sprach keine Strafe gegen Miller aus. „Wir haben uns sechs Überholmanöver angeschaut, vier davon haben keine weiteren Untersuchungen gefordert. Das waren normale Überholvorgänge. Bei den beiden anderen Zwischenfällen gab es einen leichten Kontakt“, analysiert er auf der offiziellen Seite der MotoGP. „Es waren zweifellos harte und enge Überholmanöver. Doch die Renndirektion hat einstimmig entschieden, dass keine Regeln gebrochen wurden.“
„Einzeln betrachtet gab es keinen Zwischenfall, der unser Handeln forderte. Der Fakt, dass es mehrere Vorfälle waren, führte dazu, dass wir uns die Sache genauer anschauten. Es wurden keine Regeln gebrochen, doch wir haben Miller zu verstehen gegeben, dass es sehr knapp am Limit war“, berichtet Webb, der sich noch gut an den Vorfall in Aragon erinnern kann, als sich Miller über Marquez beschwerte.
„Der Vorfall in Aragon war anders. Beide wollten auf der gleichen Linie bleiben, weil es nur eine schmale trockene Linie gab“, blickt Webb zurück, der weiß, wie schwierig es ist, gerechte Strafen auszusprechen: „Jeder Zwischenfall ist anders. Wir schauen uns an, was dazu führte, was genau die Fahrer machten und was deren Beweggründe waren.“
Kent ebenfalls unschuldig
Miller war nicht der einzige Fahrer, gegen den das Estrella-Galicia-Team protestierte. Danny Kent wurde vorgeworfen, er sei absichtlich vom Gas gegangen, um Marquez einzubremsen. Kent fährt wie Miller für Aki Ajo. Doch auch der Husqvarna-Werkspilot wurde freigesprochen: „Die Aufnahmen zeigten, dass die drei Führenden an einem gewissen Zeitpunkt davonzogen. Wir haben uns also das Datenaufzeichnungsgerät von Kents Motorrad angeschaut. Unser unabhängiger Techniker sah, dass Kent zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vom Gas ging“, beginnt Webb die Analyse des Vorfalls.
„Er fuhr schneller in die Kurve als in den vergangenen Runden und ging eher ans Gas als in den anderen Runden. Dadurch drehte das Hinterrad durch. Als der Hinterreifen die Haftung verlor, schloss Kent sofort das Gas, damit er wieder Traktion erhält. Als der Reifen wieder haftete, ging Kent wieder ans Gas. Es war also ein normaler Fehler, als er versuchte, mit den gebrauchten Reifen schnellstmöglich zu fahren“, begründet der MotoGP-Rennleiter die Entscheidung. „Wir sind überzeugt, dass es kein absichtliches Manöver war, um Marquez einzubremsen.“
Vor dem WM-Saisonfinale in Valencia trennen Marquez und Miller elf Punkte. Sollte Miller gewinnen, muss Marquez mindestens aufs Podium fahren. Miller ist für den Showdown gerüstet und voll entschlossen: „Es ist wie die letzte Runde bei einem Boxkampf. Der Titel wird zwischen Marquez und mir ausgetragen. Alles oder nichts“, so der KTM-Werkspilot.
Text von Sebastian Fränzschky
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