Sechs Fahrer sahen beim MotoGP-Regenrennen in Misano nicht die Zielflagge. Dazu zählte auch Jorge Lorenzo.
Der Ducati-Fahrer zeigte wie in den vergangenen Grands Prix Anzeichen seiner alten Stärke bei Yamaha. Lorenzo schnappte sich nach dem Start die Führung und baute sich auf nasser Strecke einen komfortablen Vorsprung auf.
Als er die siebte Runde begann, lag der Spanier schon viereinhalb Sekunden vor der Verfolgergruppe. Doch dann wurde er schlagartig in Kurve 6 per Higsider abgeworfen und war draußen.
Die mögliche Chance auf seinen ersten Sieg mit Ducati war in Bruchteilen einer Sekunde vorbei. „Die Strecke war im Nassen kniffliger als normal“, beginnt Lorenzo seine Analyse. „Ich lerne noch alles bei der Ducati kennen. Ich wollte das Motormapping verstellen. Dadurch habe ich in ein paar Kurven die Konzentration verloren. In dieser Kurve machte ich den Richtungswechsel etwas schneller und verwendete nicht die Hinterradbremse. Weniger Druck bei diesen kritischen Streckenverhältnissen hat den großen Unterschied gemacht. Ich blieb nicht auf dem Bike sitzen.“
Die Verwendung der Hinterradbremse musste Lorenzo in diesem Jahr erst wieder lernen, denn bei Yamaha hat er sie kaum verwendet. „Ich bin also gestürzt und es war vorbei“, seufzt der Misano-Sieger der Jahre 2011 bis 2013. „Das ist sehr schade, denn ich hatte die erste Chance auf einen Sieg mit Ducati. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere Podestplätze und vielleicht ein Sieg kommen.“ Lorenzo wurde in letzter Zeit stärker. Nun gilt es, alle Puzzleteile zusammenzufügen.
„Er ist an einer Stelle gestürzt, wo es die meisten Fahrer erwischt hat“, meint Teamkollege Andrea Dovizioso, der den Crash etwas weiter vor ihm gesehen hat. „Es war beim Grip wahrscheinlich die schlechteste Kurve. Er ist in diesem Moment sehr schnell gefahren, aber nicht verrückt. Er hat mehr Risiko als wir genommen. Das ist aber sein Stil, zu Rennbeginn sehr schnell zu fahren. Diesmal hat es nicht geklappt.“
Noch nicht auf alles eingestellt
Noch läuft bei Lorenzo nicht alles reibungslos und intuitiv ab. Er denkt beim Fahren zu viel nach. Das verursacht kleine Fehler. „Das System der Ducati ist etwas komplexer“, zieht er einen Elektronik-Vergleich zur Yamaha. „Für mich ist das noch nicht natürlich, weil ich gewöhnlich das Mapping an einem Wochenende kaum verstelle. Ich habe mich noch nicht auf alle Möglichkeiten eingestellt. Dadurch habe ich etwas die Konzentration verloren. Das heißt nicht, dass ich nicht fahren kann.“
„Beim Richtungswechsel war ich etwas schneller und habe die Hinterradbremse nicht verwendet. Dann rutschte das Hinterrad weg und ich bin geflogen. Ich habe den Sturz nicht erwartet. So wie ich diesen Richtungswechsel gefahren bin, hat dafür gesorgt, dass ich das Hinterrad aggressiv verloren habe. Es ist passiert und ist sehr schade. Ich konnte es nicht glauben, als ich abgeflogen bin. Aber wenn man im Regen fährt, kann das passieren.“
Die Kritik, dass er im Regen nicht fahren kann, weist Lorenzo entschieden zurück: „Ich habe in der Vergangenheit einige solcher Rennen gewonnen. Ich gewann in Jerez 2011 mit zehn Sekunden Vorsprung und in Le Mans 2012 mit 14. Wenn ich ein Rennen anführe, dann kann ich die Distanz normalerweise gut managen.“ Der Ausfall wirft den 30-Jährigen in der WM auf den neunten Platz zurück. 20 Punkte fehlen schon auf den sechstplatzierten Johann Zarco.
Trotzdem zeigte Lorenzo auf, dass Potenzial vorhanden ist. In Brünn führte er bis zu einem Strategiefehler, in Spielberg lag er auch am Anfang vorne und in Silverstone fehlten nur dreieinhalb Sekunden auf den Sieg. „Im Trockenen hat nicht viel gefehlt, aber ich hatte auch nicht die beste Rennpace“, analysiert er den Stand der Dinge. „Wir sind aber sehr nahe dran. Ich glaube, dass ich im Trockenen in der Spitzengruppe bleiben hätte können – etwas besser als in Silverstone.“
„Aber es hat geregnet und ich wusste, dass ich im Regen sehr stark bin. Schon im Warm-up fühlte ich mich stark. Ich habe nicht gepusht und fühlte mich im Rennen sogar noch besser. Wir nahmen eine Änderung am Set-up vor, wodurch ich mehr Vertrauen hatte. Ich fuhr ruhig und vergrößerte meinen Vorsprung um eine Sekunde pro Runde. Ich bin überzeugt, dass der Konzentrationsfehler wegen der Elektronik zum Sturz geführt hat. Man konnte sich das nicht leisten und musste überleben. Für die Zukunft müssen wir das verändern, dann passiert es wahrscheinlich nicht noch einmal.“
Text von Gerald Dirnbeck & David Emmett
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