(Motorsport-Total.com) – Ein wesentlicher Aspekt im neuen MotoGP-Reglement ab 2027 ist die Aerodynamik. Prinzipiell werden die Möglichkeiten etwas beschnitten, aber die Aerodynamik bleibt auch in Zukunft ein fester Bestandteil der Königsklasse auf zwei Rädern.
Die Breite der Verkleidung vorne bei den Flügelelementen wird von derzeit 600 Millimeter auf 550 reduziert. Außerdem wird die hervorragende Lippe unten bei der Airbox um 50 Millimeter nach hinten gezogen und somit verboten. Die Winglets werden damit etwas nach hinten gezogen.
Derzeit ist der Heckbereich hinter dem Sitz nicht im Reglement definierten Aerobody reguliert. In Zukunft wird die maximale Höhe des Hecks von 1.250 Millimeter auf 1.150 Millimeter reduziert. Damit will man die Wirkung von Heckflügeln verringern.
Außerdem wird der Heckbereich in den homologierten Aerobody aufgenommen. So wie für die Seitenverkleidung und die vordere Kanzel gilt fortan auch für den Heckbereich, dass nur ein Update im Laufe der Saison homologiert werden darf. Außer man ist Hersteller der Concession-Gruppe D.
Die Frage ist, ob diese Reduzierung im Frontbereich signifikante Auswirkungen auf das Aerodynamik-Wettrüsten haben wird. Denn die Seitenverkleidungen, die immer zerklüfteter werden und in Schräglage für Anpressdruck sorgen, werden nicht beschnitten.
„Im Seitenbereich gibt es keine Veränderung. Das wollte Aprilia, damit wir mit der Groundeffekt-Verkleidung weitermachen können“, sagt Aprilia-Rennmanager Paolo Bonora bei GPOne.com. Aber wie wirkt sich die Reduzierung der Breite beim Frontflügel aus?
„Sehr“, glaubt Bonora. „Wir werden am Limit ankommen, den Fahrer aus dem Wind zu nehmen. Das wird eine Herausforderung, ihn komplett hinter der Verkleidung zu verstecken. Die Frontflügel werden kleiner sein und es wird vorne weniger Anpressdruck geben.“
Hubraumreduzierung hätte ohnehin für kleinere Flügel gesorgt
Somit wird das Motorrad auch im Zusammenspiel mit dem Verbot des Ride-Height-Systems wieder mehr zu Wheelies zu neigen. Auf der anderen Seite sorgen kleinere Frontflügel auch für weniger Luftwiderstand auf der Geraden.
Die Motorräder werden im Zuge der Reduktion des Hubraums auch leichter. Wird man in Summe deshalb auf der Geraden nicht so viel Tempo verlieren? „Das kann stimmen, kann aber auch nicht stimmen“, meint Ducati-Motorsportchef Gigi Dall’Igna bei GPOne.com.
„Ein schwächeres Motorrad führt auch zu weniger Abtrieb, weil es weniger Abtrieb braucht und weil der Speed auch ein wichtiger Faktor wird. Deshalb wären die Flügel vielleicht ohnehin kleiner geworden.“
„Meiner Meinung nach werden wir eine signifikante Reduktion des Gesamtspeeds des Motorrads sehen“, glaubt Dall’Igna. „Mit Flügeln hat man mehr Luftwiderstand, aber man kann auch besser beschleunigen und damit den Motor besser nutzen.“
„Bevor es Aerodynamik gab, war der Motor für die Performance auf manchen Strecken unwichtig. In Jerez zum Beispiel spielte der Motor praktisch keine Rolle. Aber jetzt [mit der Aerodynamik] ist er dort auch wichtig.“
Gefährliche Luftwirbel sollen reduziert werden
Kleinere Frontflügel und ein niedrigerer Heckflügel sollen vor allem die Luftverwirbelungen verringern. Denn aktuell wird ein Motorrad im Windschatten vom Vordermann angesaugt. Ist man hinter zwei Motorrädern, kann das in der Bremszone gefährlich werden.
Mit den schmäleren Frontflügeln sollen diese Luftturbulenzen verringert werden. Da auch weniger aerodynamischer Anpressdruck in der Bremsphase auf das Vorderrad wirkt, sollen auch Ausbremsmanöver wieder einfacher werden.
„Für die Show ist es nicht gut, wenn man den Vordermann kaum überholen kann. Es ist besser, wenn man die Motorräder etwas abrüstet“, findet Aleix Espargaro. Aber der Aprilia-Fahrer kann auch nicht verbergen, dass die aktuellen Bikes prinzipiell großartig sind.
„Ich liebe die aktuellen Motorräder mit der Aerodynamik. Diese Motorräder sind unglaublich zu fahren. Es ist unglaublich, welchen Speed man in der Kurve mitnehmen kann.“ Alleine fahrend stimmt das, in einer Gruppe sieht es mit Verwirbelungen anders aus.
Miller und Marini sehen geplante Maßnahmen skeptisch
Jack Miller sieht die geplanten Änderungen im Reglement skeptisch: „50 Millimeter bei der Aerodynamik sind ziemlich wenig, wenn man bedenkt, wie sich alles seit den ersten Flügeln weiterentwickelt hat. Deswegen glaube ich nicht, dass 50 Millimeter viel verändern werden.“
„Ich bin die Motorräder ohne Winglets und mit weniger Elektronik gefahren. Man musste viel härter arbeiten, um diese magische Schräglage zu halten. Das ist fast komplett verschwunden, denn man sucht jetzt nach Grip und versucht, das Motorrad so früh wie möglich aufzurichten.“
Der Australier hätte sich gewünscht, dass man die Aerodynamik noch deutlicher beschnitten hätte und Frontflügel wie Heckflügel komplett verboten hätte: „Ich glaube nicht, dass jemand einen großen Nachteil hätte, denn bei jedem ist die Aerodynamik gut entwickelt.“
„Jeder gibt Millionen von Dollar für die Entwicklung der Verkleidung aus. Also hätte man das ganz verbieten können“, findet Miller deutliche Worte und betont: „Die Winglets und die Devices machen die Motorräder hässlich.“
Die Frage ist, ob die künftigen Parameter für den Aerobody das teure Wettrüsten einschränken wird. Luca Marini glaubt das nicht: „Ich glaube, die Aerodynamik wird entscheidend sein. Denn wenn man nur die Breite reduziert, könnte es größere Unterschiede zwischen den Herstellern geben.“
„Denn wenn man clever ist und einen Weg findet, die Aerodynamik zu optimieren, dann werden alle Ingenieure viel Geld in diesen Bereich investieren. In den vergangenen zwei, drei Jahren haben wir gesehen, wie viel Unterschied die Aerodynamik ausgemacht hat, weil man damit jeden Bereich des Motorrads verbessern kann. Deswegen wird es mit kleineren Flügeln noch entscheidender werden, dass es funktioniert.“
Text von Gerald Dirnbeck
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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