(Motorsport-Total.com) – Carlos Ezpeleta, Sportdirektor der MotoGP, hat in einem Interview mit der spanischen Sportzeitung AS ausführlich über den Zustand der MotoGP, über die aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen in der Rennserie gesprochen. Dabei ging er auch auf die Dominanz von Ducati in der abgelaufenen Saison ein.
Der italienische Hersteller brach 2024 gleich mehrere Rekorde und gewann – wenn auch mit unterschiedlichen Fahrern – 19 der insgesamt 20 Grand-Prix-Rennen.
Ezpeleta relativiert diese Übermacht und zieht historische Parallelen: „Auch Honda hat in früheren Jahren fast alle Rennen gewonnen. Der Unterschied ist heute, dass andere große Marken, die früher dominant waren, deutlich zurückgefallen sind.“
„In dieser Situation haben wir als Weltmeisterschaft, nicht nur die Dorna, sondern alle beteiligten Parteien, erkannt, dass das Konzessionssystem sicherlich nicht mehr der Realität der Meisterschaft entsprach. Deshalb haben wir es korrigiert“, spricht Ezpeleta die für 2024 überarbeitete Kategorisierung der Teams an.
Außerdem betont er: „Nächstes Jahr werden nicht mehr acht Ducatis auf der Strecke sein, und es gab auch viele Fahrerwechsel. Das wird die Situation ausbalancieren.“
Ezpeleta: Bis zur letzten Kurve kann alles passieren
Trotzdem sah Ezpeleta auch 2024 genug Spannung und Unvorhersehbarkeit in der MotoGP: „Jorge Martin schien den Titel bereits sicher zu haben, aber in unserem Sport zählt der Titel erst, wenn die Zielflagge der letzten Runde gefallen ist.“
„In anderen Sportarten, wie zum Beispiel beim Fußball, gibt man dir noch 5 Minuten, und wenn du 5:0 führst, schießen sie keine 5 Tore, das ist unmöglich. Aber hier, in der letzten Kurve, kann man stürzen und es ist eine 0. Es ist nicht vorhersehbar und immer bis zum letzten Moment spannend. Das ist Teil unserer DNA.“
Angesprochen auf die Bedeutung der Fahrer widerspricht Ezpeleta der These, dass die MotoGP allein durch ihre Stars definiert wird, räumt jedoch ein, dass sie eine zentrale Rolle spielen: „Unsere Helden sind das Wichtigste für den Sport.“
„Sie stehen immer im Mittelpunkt, nicht nur wegen ihrer Leistungen auf der Strecke, sondern auch wegen ihres Talents und ihrer Persönlichkeit. Es ist unglaublich. Ich denke nicht, dass sich die Leute überhaupt vorstellen können, was für ein Talent und Können in einem MotoGP-Fahrer steckt“, so Ezpeleta.
Gleichzeitig macht er klar, dass die MotoGP nicht von einzelnen Fahrern abhängig sei, wenngleich Namen wie Marc Marquez, Pedro Acosta oder früher Valentino Rossi entscheidend für die Identität des Sports seien. Als Letzterer 2015 gegen Jorge Lorenzo um den Titel kämpfte, war der Hype trotzdem noch größer.
Die höchsten Zuschauerzahlen der letzten zehn Jahre
Doch Vergleiche zwischen verschiedenen Epochen hält Ezpeleta für schwierig. „Das ist wie der Vergleich von Fahrern. Es hat nur begrenzten Wert. Was wir sehen, ist, dass die Zuschauerzahlen in den letzten Jahren in den wichtigsten Ländern stark gestiegen sind, auch aufgrund des neuen Formats und unserer Arbeit.“
So habe die MotoGP 2015 im Free-TV zwar enorme Reichweiten erzielt, doch die Zahlen für 2024 seien trotzdem beeindruckend. „Es sind die höchsten Zuschauerzahlen der letzten zehn Jahre, und das trotz der Verlagerung ins Pay-TV“, so Ezpeleta.
Vor diesem Hintergrund bezeichnet der Sportdirektor auch die Einführung der Sprintrennen als vollen Erfolg: „Wir sind sehr zufrieden mit dem neuen Format. Es hat die Zuschauerzahlen an den Samstagen deutlich gesteigert, und die Teams und Fahrer haben sich mit der Erfahrung von 2023 besser darauf eingestellt.“
Deshalb glaubt Ezpeleta, „dass der Sprint von nun an – noch mehr als in dieser Saison – entscheiden wird“, was den WM-Ausgang angeht. „Ob das Ergebnis ohne den Sprint dasselbe gewesen wäre, wissen wir nicht. Das ist wie die Diskussion über VAR-Entscheidungen im Fußball. Das Ergebnis ist das, was am Ende bleibt.“
„Davon abgesehen, sind wir sehr zufrieden. Die TV-Sender sind glücklich, die Fans sind glücklich. Die Sprintrennen am Samstag bieten uns auch die Möglichkeit, ein anderes Publikum anzuziehen und MotoGP-Inhalte auf anderen Plattformen zu zeigen. Wir denken daher, dass es eine sehr positive Veränderung war.“
Mit Hilfe von Liberty Media: MotoGP in den USA stärken
Als solche betrachtet Ezpeleta auch die Übernahme der Dorna durch Liberty Media – und betont in dem Zusammenhang die strategische Bedeutung des US-Marktes für die MotoGP.
Der Sport habe dort zwar eine lange Tradition, sei jedoch weit davon entfernt, die Popularität der Formel 1 zu erreichen. „Selbst mit Jorge Martins Meisterschaft gibt es in der Königsklasse immer noch mehr verschiedene amerikanische Meister spanische. Wir haben dort eine wichtige Grundlage für den Sport“, sagt Ezpeleta.
„Alle Sportarten versuchen, auf dem US-Markt zu wachsen, aber nur wenige schaffen es.“ Die geplante Zusammenarbeit mit Liberty Media sieht er als Chance, die Entwicklung zu beschleunigen, auch wenn dies organisch geschehen müsse.
„Es geht nicht nur darum, mehr Rennen in den USA auszutragen, sondern zuerst eine stabile Fanbasis aufzubauen“, erklärt Ezpeleta. Mit ihrer kurzen Renndauer, Action und Unvorhersehbarkeit biete die MotoGP optimale Grundlagen. „Wir sehen großes Potenzial und wollen diesen Markt nachhaltig erschließen.“
Text von Juliane Ziegengeist
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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