(Motorsport-Total.com) – MotoGP-Rookie Pedro Acosta ist den vielen Vorschusslorbeeren direkt an seinem ersten Tag im Rahmen eines Rennwochenendes der Motorrad-Königsklasse gerecht geworden – und das längst nicht nur in Bezug auf die Rundenzeiten.
Zunächst die bloßen Zahlen vom Freitag, dem Trainingstag zum Grand Prix von Katar in Lusail: Im ersten Freien Training (FT1), das bei Tageslicht auf trockener Piste über die Bühne ging, belegte Acosta im Sattel seiner KTM RC16 von Tech3-GasGas direkt den dritten Platz, nur übertroffen vom amtierenden Vizeweltmeister Jorge Martin (Pramac-Ducati) und vom routiniertesten Fahrer im MotoGP-Feld: Aleix Espargaro (Aprilia).
Im zweiten Freien Training (FT2), welches unter Flutlicht auf regennasser Fahrbahn ausgetragen wurde und welches das eigentlich für diese Zeit vorgesehene Training für die Zuordnung zu den Qualifying-Segmenten ersetzte, trumpfte Acosta gleich wieder auf.
Obwohl er abgesehen von ein paar Runden am letzten Tag des Shakedown-Tests in Sepang noch nie zuvor ein MotoGP-Bike im Regen pilotiert hatte, reihte sich der Rookie am Freitagabend wieder auf P3 ein. In diesem Fall waren einzig der sechsmalige MotoGP-Weltmeister Marc Marquez (Gresini-Ducati) und Acostas Tech3-Teamkollege Augusto Fernandez schneller.
Im Regen von Sepang war Acosta beim Shakedown-Test noch gestürzt. Am Freitag in Lusail hatte er seine rote RC16 mit der Startnummer 31 auch bei den schwierigen Bedingungen im Griff. Aber der 19-jährige Spanier überzeugte nicht nur mit starken Rundenzeiten. Er gab auch direkt eine Kostprobe seiner Motorradbeherrschung ab. Denn gleich im FT1 am trockenen Nachmittag zeigte Acosta einen Save im allerbesten Marc-Marquez-Stil.
„Für den Save galt das vielleicht unbedingt, aber ich denke, ihr habt mein Lächeln sehen können, als ich den Helm abgenommen habe“, sagt Acosta und weiter: „Ich bin einfach nur dankbar, hier fahren zu dürfen. Vor vier Jahren wäre ich beinahe daran gescheitert, in die Weltmeisterschaft aufsteigen zu können. Und jetzt fahre ich in der MotoGP-Klasse.“
„Erwartungen sind das Schlimmste, was man haben kann“
So souverän wie Acosta auf seiner KTM RC16 des Tech3-Teams agiert, so souverän präsentiert er sich auch in seiner ersten Medienrunde im Rahmen eines MotoGP-Rennwochenendes. „Ich bin ohne Erwartungen angereist, weil ich glaube, dass Erwartungen das Schlimmste sind, was man in diesem Fahrerlager haben kann“, sagt der 19-Jährige.
„Ich genieße es einfach, dass ich jetzt in der MotoGP-Klasse fahre und dass ich das Team gewechselt habe“, so Acosta, der im vergangenen Jahr im Team von Aki Ajo den WM-Titel in der Moto2-Klasse errungen hat. Zwei Jahre zuvor wurde er, ebenfalls im Team von Aki Jo, Weltmeister der Moto3-Klasse.
Eigentlich war es Acostas Plan gewesen, gemeinsam mit dem Ajo-Team in die Königsklasse aufzusteigen. Weil das aber daran scheiterte, dass keine fünfte KTM für 2024 zugelassen wurde, ist das spanische „Wunderkind“ für die Rookie-Saison in Herve Poncharals Tech3-Team untergekommen.
Tech3-Teamchef Herve Poncharal: „Pedro ist besonders“
Eben dieses Tech3-Team hat in der Vergangenheit zahlreichen namhaften MotoGP-Neulingen das erste Jahr in der Königsklasse ermöglicht. Es sei hier nur erinnert an Olivier Jacque, Shinya Nakano, Toni Elias, Sylvain Guintoli, James Toseland, Ben Spies, Cal Crutchlow, Pol Espargaro, Johann Zarco, und im vergangenen Jahr Augusto Fernandez.
Acosta ist nun der nächste in dieser lange Reihe prominenter Tech3-Rookies, aber für Teamchef Herve Poncharal sticht der junge Spanier schon jetzt heraus. „Es ist ja kein Geheimnis, dass wir schon viele Topfahrer und Weltmeister, auch aus der Moto2-Klasse, bei uns hatten. Sie allen waren großartig und ich respektiere sie sehr. Aber wenn man mich so direkt fragt, dann muss ich schon sagen: Pedro ist besonders. Er ist anders, er ist besser“, sagte Poncharal am Freitag gegenüber MotoGP.com.
Für den erfahrenen Teamchef ist Acostas starker Einstand keine Überraschung mehr.“Schon die Wintertestfahrten haben gezeigt, dass wir einen unglaublichen Fahrer haben“, so Poncharal und weiter: „Weil schon viel gesagt wurde über Pedro, werde ich jetzt nicht alles wiederholen. Nur ganz kurz in ein paar Worten: Es ist sehr beeindruckend, einen so jungen Mann zu sehen. Mit all dem, was er schon geleistet hat, tritt er jetzt als Rookie in der MotoGP-Klasse an.“
„Wir erinnern uns alle noch an Valencia, an den Dienstag nach dem Saisonfinale und daran, wie wohl er sich schon an diesem ersten Tag auf dem Motorrad fühlte“, spricht Poncharal auf Acostas erste MotoGP-Runden überhaupt an und lobt: „Seitdem ist alles nur noch besser geworden.“
„Es gab überhaupt keinen Rückschlag. Was uns sehr gefallen hat, ist: Jeder Run, jeder Stint war besser als der vorherige. Das kommt beileibe nicht alle Tage vor. An den sechs Tagen in Sepang (Shakedown-Test und offizieller Test; Anm. d. Red.) ist er sukzessive schneller geworden. Das ist außergewöhnlich“, so der Tech3-Teamchef.
Was Acosta laut Poncharal von anderen unterscheidet
Abgesehen von den starken Rundenzeiten aus dem Stand gibt es aber noch etwas anderes am fahrenden Pedro Acosta, das Poncharal schwer beeindruckt: „Ich glaube, er hat eine ganz besondere Verbindung zu seinem Motorrad. Er versteht es, wie er das Maximum oder fast das Maximum herausholen muss, ohne dass man ihm das erklären müsste. Was ich damit sagen will: Er hat dieses Gefühl für die Technik, das einige der anderen nicht haben.“
„Wir mussten ihm nicht erklären, dass das Bremsen mit Carbonscheiben anders ist als mit Stahlscheiben, dass die Reifen ganz anders sind, und so weiter. Er springt einfach auf das Motorrad und fährt es ganz natürlich“, staunt Poncharal.
Da stellt sich die Frage, ob der Druck auf den schon jetzt famosen MotoGP-Rookie 2024 nicht zu groß werden könnte? Poncharal sagt dazu: „Alle im Management der Pierer Mobility Group und alle im Team sagen ihm zurecht, dass er es ruhig angehen lassen soll, weil er ein Rookie ist. Es gibt keinen Druck. Er muss sich nicht in jeder einzelnen Runde mit den Topleuten messen.“
„Aber“, so Poncharal weiter, „das sind die Worte in der Box. Sobald er das Visier herunterklappt, macht er sein Ding. Und egal, was er zu den Medien oder zu seinem Team sagt, ich bin mir sicher, dass er schnell sein will“.
Und was sagt Acosta selber zu diesem Thema? Der Teenager ist sich absolut bewusst, dass er trotz aller hochgezogener Augenbrauen in seinem Umfeld – und auch im Lager der Konkurrenz – noch immer viel zu lernen hat.
„Ich brauche Zeit, ich brauche Zeit“, sagt Acosta und erklärt: „Ich bin jetzt in der Phase, in der alles einfach geht. Aber ich habe kürzlich ein Sprichwort gehört, das sagt: ’80 Prozent der Arbeit machst du mit 20 Prozent Anstrengung. Die anderen 20 Prozent machst du mit 80 Prozent Anstrengung.‘ Das ist mehr oder weniger die Situation, in der ich mich befinde. Ich muss weiter arbeiten.“
Text von Mario Fritzsche, Co-Autor: Oriol Puigdemont
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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