(Motorsport-Total.com) – Für Pol Espargaro endete die MotoGP-Saison, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte.
Beim Auftakt-Wochenende in Portimao stürzte der Tech-3-GasGas-Pilot so schwer, dass er sich mehrere Wirbelbrüche und eine Kieferfraktur zuzog.
Der Spanier musste einige Wochen im Krankenhaus verbringen und befindet sich noch immer in der Rehabilitationsphase. Ein geplantes Comeback am Sachsenring musste verschoben werden. Am vergangenen Wochenende in Assen kehrte Espargaro dann aber an die Rennstrecke zurück, wenn auch nur als Zuschauer.
„Diese drei Monate waren schwer – für das Team, für das Werk, für mich“, sagt der 32-Jährige. „Ich wollte vor der Sommerpause hierherkommen, um alle noch einmal zu sehen.“
„Um ehrlich zu sein war der Plan, schon am Sachsenring wieder zu fahren, oder sogar in Mugello. Aber das letzte Röntgen war nicht so, wie die Ärzte es erwartet hatten. Es war also besser zu warten.“ Vor allem einer der drei gebrochenen Wirbel sei noch nicht stabil genug verheilt, um wieder voll einzusteigen.
„Drei, sechs und acht waren betroffen“, zählt Espargaro auf. „Sechs war nicht so schlimm. Er ist ziemlich schnell verheilt, zusammen mit dem oberen. Aber Nummer acht war in vier Teile gespalten, und die Höhe des Wirbels hat sich ein wenig verringert – sogar ziemlich viel. Deshalb dauert es ein bisschen länger.“
„Mit den anderen könnte ich schon wieder fahren. Sie sind jetzt härter als vorher. Aber bei diesem hier dauert es etwas länger. Es wird sicher noch ein paar Wochen dauern, zwei oder drei Wochen mehr, bis es vollständig verheilt ist“, erklärt er.
Espargaro: „In erster Linie bin ich selbst schuld“
Der Weg bis hierin sei ein großes Auf und Ab gewesen, „wie eine Achterbahn“, beschreibt der MotoGP-Pilot seine Genesung. „Als ich nach dem Unfall im Krankenhaus lag, hatte ich so viele Brüche in meinem Körper, dass ich nicht mehr wusste, welcher von ihnen am schmerzhaftesten war. Der Schmerzpegel reichte bis zum Himmel. Es war so schlimm. Und ich war vollgepumpt mit Schmerzmitteln.“
„Aber als ich dann zu mir kam, konnte ich spüren, woher der Schmerz kam. Und das war hart. Denn während einer bestimmten Zeit kamen die Schmerzen aus dem Mund, dann aus dem Nacken, dann aus dem Rücken, den Rippen. Gemessen daran ist es ein Wunder ist, dass ich nach drei Monaten endlich in dieser Situation bin.“
Bei seinem verhängnisvollen Sturz war Espargaro in Kurve 10, einer schnellen Rechtskurve zu Boden gegangen und quer durch das Kiesbett bis in die Streckenbegrenzung geknallt. Dabei werden die Kiesbetten in Portimao immer wieder kritisiert.
Doch Espargaro betont: „Ich denke nicht, dass es an der Zeit ist, einen Schuldigen zu finden. In erster Linie bin ich selbst schuld, denn ich bin gestürzt. Der Reifen war kalt zu diesem Zeitpunkt in der Session, zuvor hatte es eine rote Flagge gegeben. Und es war einfach nicht die richtige Zeit, um in dieser Kurve zu pushen.“
„Wir hatten mit den Reifen ohnehin zu kämpfen, weil sie sich für uns auf dieser Strecke etwas härter als sonst anfühlten. Es kamen also mehrere Umstände zusammen. In der letzten Rechtskurve vor der Crashkurve war ich zudem etwas abseits der Linie und konnte den Reifen auf der rechten Flanke nicht richtig aufwärmen.“
GasGas-Pilot gesteht: Aufhören war ein Gedanke
Ein kleiner Fehler mit großen Folgen. Aufgrund der Schwere der Verletzungen dachte Espargaro sogar übers Aufhören nach. „Ja, auf jeden Fall. Solche Verletzungen sind heftig.“
„Jetzt, in den vergangenen Monaten, habe ich mich nur darauf gefreut, wieder aufs Motorrad zu steigen. Aber wenn du im Krankenhaus bist, es dir schlecht geht und ständig Leute kommen, die dir sagen, was du alles hast… Das ist hart“, gibt Espargaro zu.
„Diese Momente bringen dich in die Realität zurück. Man denkt nie darüber nach, was passieren kann, aber wenn es passiert, ist es wie: ‚Wow, das ist real.‘ Es bleibt also ein bisschen länger real, als wenn man sich einen Finger oder eine Hand bricht. Man denkt sich: ‚Okay, das ist ernst.'“ Mittlerweile seien die Gedanken an ein mögliches Karriereende aber „mehr oder weniger verschwunden“, sagt er.
„Im Laufe meiner Karriere habe ich mich immer wieder verletzt. Und ich habe mich immer wieder erholt. Es ist Teil dieses Jobs. Es ist die Schattenseite dieses Jobs.“ Und durch diese habe ihm neben seiner Familie vor allem sein Team geholfen.
„Ich muss zugeben, dass ich nicht geglaubt hätte, wie sehr KTM, GasGas und die Pierer Mobility Group während dieses Prozesses hinter mir stehen. Sie haben viel getan, von denen ihr gar nichts wisst. Sie waren wirklich unglaublich“, so Espargaro.
Umso motivierter ist er für sein Comeback. „Ich will zurück aufs Motorrad und sehen, wie schnell ich bin. Ich glaube, dass ich immer noch einiges an Geschwindigkeit zu bieten habe. Und ich will auch etwas an die Marke zurückgeben. Sie haben mich so sehr unterstützt und verdienen am Ende des Jahres ein paar gute Ergebnisse.“
Espargaro konnte vier Wochen nicht richtig essen
Dafür hat Espargaro bereits in den vergangenen Woche hart trainiert, vor allem um wieder an Gewicht zuzulegen. „Vier Wochen lang konnte ich nicht essen, weil mein Mund komplett zu war. Ich trank also nur Suppen und verlor etwa 2,5 Kilogramm pro Woche. Das ist Wahnsinn“, erinnert sich der GasGas-Pilot.
„Und diese 2,5 Kilo waren Muskeln, kein Fett. Denn zu Beginn des Jahres hatte ich ja kein Fett. Und dann stehst du da, schaust in den Spiegel und sagst: ‚Ich muss das alles wiederherstellen. Wie viel habe ich trainiert, um im Winter 3 Kilo zuzunehmen, und wie viel Arbeit muss ich noch leisten, um 8 bis 9 Kilo zuzunehmen.'“
„Das war ein schlechtes Gefühl. Und wenn du in den Spiegel schaust, ist es nicht dein Gesicht, nicht dein Körper. Du erkennst dich im Spiegel nicht wieder. Und das ist hart.“
Zuletzt sei er in der 125er-Klasse so dünn gewesen, sagt Espargaro. „Da war nichts mehr da! Aber jetzt hole ich mir alles zurück – den ganzen Geist, die ganze Seele, ich bin bereit dafür.“ Für die Sommerpause hat sich der Spanier viel vorgenommen.
„Für mich ist es wie eine zweite Vorsaison. Ich habe vor, in den fünf Wochen, die wir haben, auf mehreren Strecken zu fahren“, blickt er voraus. „Ich habe meine Supermoto-Maschine, warte aber noch darauf, dass der Rücken bereit ist. Vielleicht frage ich nach der RC, dem KTM-Straßenmotorrad, um ein paar Runden zu drehen – auch wenn es keine GasGas ist, denke ich, sie werden es erlauben.“
In Silverstone, dem ersten Grand Prix nach der Sommerpause, soll es dann aufs MotoGP-Bike gehen. Die Entwicklung bei Tech-3-GasGas hat Espargaro natürlich verfolgt und lobt vor allem seinen Teamkollegen, Rookie Augusto Fernandez.
„Augusto bringt so viel gute Energie mit. Das gefällt mir sehr. Er schlägt sich nicht nur auf der Strecke großartig, sondern hat auch die Atmosphäre im Team positiv beeinflusst“, hält Espargaro fest. „Auch das Motorrad hat sich weiterentwickelt.“
Zu guter Letzt dankt der Spanier seinem Ersatzpiloten Jonas Folger, der ab Austin für ihn einsprang. „Er hatte zum Beispiel für den Sachsenring, als ich ja eigentlich zurückkommen wollte, schon anderen Pläne und hat alles abgesagt. Er schickte mir Nachrichten vor fast jedem Rennen. Einfach danke an ihn und das ganze Team.“
Text von Juliane Ziegengeist, Co-Autor: Gerald Dirnbeck
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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