Herve Poncharal - © Motorsport Images

© Motorsport Images – Herve Poncharal, Pedro Acosta, Paul Trevathan: 2024 ist ein Jubeljahr

(Motorsport-Total.com) – Offiziell ist das Tech3-Team von Herve Poncharal keines der Werksteams im MotoGP-Feld, wenngleich man die KTM RC16 in vergleichbarer Spezifikation einsetzt, wie sie im KTM-Werksteam gefahren wird. In Reihen der aktuellen Satellitenteams ist Tech3 dasjenige, das am längsten im Feld der Königsklasse dabei ist.

Schon 2001, also noch vor Beginn der MotoGP-Ära, trat Tech3 in der Königsklasse der Motorrad-WM an. Zur damaligen Zeit war der von drei Franzosen – Herve Poncharal, Guy Coulon, Bernard Martignac – gegründete Rennstall ein Satellitenteam von Yamaha.

Mit Yamaha arbeitete Tech3 bis einschließlich 2018 zusammen. Zur Saison 2019 erfolgte der Wechsel zu KTM. Diese aktuell im sechsten Jahr bestehende Zusammenarbeit wurde nicht von KTM initiiert, sondern von Herve Poncharal.

„Als ich die Zusammenarbeit mit Yamaha beendet habe, da war es meine Entscheidung, der KTM-Familie beizutreten. Das wurde seitens der Pierer Mobility Group begrüßt, aber es war meine Entscheidung. Die Entscheidung habe ich getroffen. Es war nicht so, dass ich von ihnen angesprochen wurde, sondern ich war es, der mit ihnen das Gespräch gesucht hat“, verrät Poncharal im exklusiven Gespräch mit Motorsport-Total.com.

Ganz grundsätzlich beschreibt Poncharal den Tech3-Rennstall so: „Wir sind ein MotoGP-Team, das die Erfahrung und die Fähigkeiten hat, genauso um Top-Positionen zu kämpfen wie jedes andere MotoGP-Team. Seien es LCR, Gresini, Trackhouse, Pramac oder wie sie alle heißen. All diese Teams respektiere ich sehr, denn es kommt letzten Endes immer auf die Fahrer an, auf das Paket, ob man Erfolg hat oder nicht.“

Tech3 musste Fahrerpaarung zweimal kurzfristig ändern
Poncharal weiß wie es ist, wenn die Erfolge ausbleiben. „2021 und 2022 waren zwei extrem schwierige Jahre“, denkt er zurück. In der MotoGP-Saison 2021 trat das Tech3-Team mit Danilo Petrucci und Iker Lecuona an. Dabei hätte die Fahrerpaarung in jenem Jahr eigentlich anders aussehen sollen, nämlich mit Miguel Oliveira anstelle von Petrucci.

„Für 2021 hätten wir Oliveira und Lecuona behalten sollen“, erinnert sich Poncharal. Es wäre ein zweites Jahr mit der Fahrerpaarung von 2020 geworden. „Weil aber Pol Espargaro ganz spät im Winter entschied, ins Repsol-Honda-Team zu wechseln, herrschte Panik. Und was passierte? Man sagte mir, dass Oliveira für das Werksteam fahren wird“, so der Tech3-Teamchef.

Dieser Wechsel von Oliveira aus dem Tech3-Team ins Werksteam machte es überhaupt möglich, dass Petrucci zur KTM-Familie stieß. In der MotoGP-Szene blieb es für den Italiener bei der einen Saison, die für Tech3 fuhr. Abgesehen davon aber bestritt er auch die Rallye Dakar 2022 auf einer KTM.

Für Tech3 war 2021 nicht das erste Mal, dass man mit einer anderen Besetzung als eigentlich geplant in eine MotoGP-Saison gehen musste. Ein Jahr zuvor nämlich war das auch schon der Fall. Poncharal erinnert sich: „Am Sachsenring-Wochenende 2019 nahmen wir [Brad] Binder für 2020 unter Vertrag. Er fuhr damals noch Moto2. Miguel hatten wir schon unter Vertrag. Mein Team für 2020 hätte also aus Miguel Oliveira und Brad Binder bestehen sollen.“

Doch dann kam es anders. Weil die im Winter 2018/19 geschlossene Zusammenarbeit zwischen KTM und Johann Zarco bereits im September 2019 beendet wurde, war das KTM-Werksteam plötzlich gezwungen, einen neuen Teamkollegen für Pol Espargaro für die Saison 2020 zu finden. Die Wahl fiel auf Brad Binder, der noch heute für das Werksteam fährt und das auch in den kommenden zwei Jahren tun wird. Sein KTM-Vertrag läuft bis einschließlich 2026.

Für Tech3 aber bedeutete das zum damaligen Zeitpunkt, dass man die MotoGP-Saison 2020 nicht mit Binder/Oliveira bestreiten würde. Weil Binder ins Werksteam abgezogen wurde, kam Iker Lecuona als Teamkollege von Oliveira in den Rennstall von Poncharal. In seinen zwei Jahren im Team zeigte Lecuona zwar solide Leistungen, wobei er die WM im zweiten Jahr sogar vor seinem neuen Teamkollegen Petrucci abschloss. Für 2022 aber wurde die Fahrerpaarung bei Tech3 komplett ausgewechselt.

Warum Poncharal nicht aufgegeben hat
Lecuona und Petrucci mussten Ende 2021 Platz machen für Remy Gardner und Raul Fernandez, die als Weltmeister und Vizeweltmeister aus der Moto2-Klasse aufstiegen. Mit zwei Rookies im Team verlief die Saison 2022 enttäuschend für Tech3.

Weder Gardner noch Raul Fernandez schafften es bei einem der 20 Saisonrennen in die Top 10. Für 2023 wurden beide direkt wieder ausgetauscht. Ersetzt wurden sie durch den von Honda zurückgekehrten Pol Espargaro und durch den neuen Moto2-Weltmeister Augusto Fernandez.

Es waren schwierige Jahre für Tech3. „Warum ich weitergemacht habe?“, denkt Poncharal zurück. „Erstens aus vollem Respekt gegenüber Stefan Pierer, Hubert Trunkenpolz, Pit Beirer und der gesamten Pierer Mobility Group. Zweitens für meine gesamte Crew, die es einfach verdiente, dass wieder bessere Zeiten kommen.“

In der Saison 2023 jedoch wurden die Hoffnungen auf einen Aufschwung des Tech3-Teams jäh gestoppt, als sich Pol Espargaro direkt an seinem ersten Rennwochenende im Team (dem damaligen Saisonauftakt in Portimao) schwer verletzte und daraufhin monatelang ausfiel. „Das hat alles verändert und es wurde ein weiteres schwieriges Jahr“, seufzt Poncharal.

Acosta hat Tech3 „die Freude zurückgegeben“
„Das Licht am Ende des Tunnels“, wie es der Tech3-Teamchef beschreibt, das begann man im November 2023 beim Valencia-Test zu sehen. An jenem Testtag nämlich gab der aktuelle Stern im Team seinen Einstand. „Das Licht kam sehr plötzlich und das Licht hatte einen Namen: Pedro Acosta“, sagt Poncharal.

„Damit hatte niemand gerechnet“, gibt der Tech3-Teamchef zu und erklärt: „Wir alle wussten, dass Pedro ein großes Talent ist. Aber niemand wusste, wie gut er wirklich ist und wie lange seine Anpassung brauchen würde. Aber direkt in Valencia wurde uns klar, dass er ein ganz besonderer Fahrer ist. Das hat sich dann in Sepang und Katar bestätigt. Und als die WM-Saison losging, da hieß es ‚Wow!‘ von allen Seiten.“

„Plötzlich konnten wir das Leben wieder genießen“, fasst Poncharal das in Worte, was Acosta mit seinen Leistungen und seinem Auftreten im Tech3-Team bewirkt hat. Das schließt den 67-jährigen Teamchef selber mit ein.

„Ich versuche immer, mein Leben zu genießen. Ich bin seit jeher jemand, der das Glas halbvoll und nicht halbleer sieht. Ich versuche immer, mit einer positiven Einstellung an die Dinge heranzugehen und diese versuche ich weiterzugeben an meine Crew, an mein Team, an meine Sponsoren, einfach an alle. Aber es gab eine Zeit, in der ich das alles nicht genossen habe“, so Poncharal.

Wie Acosta das ganze KTM-Projekt voranbringt
„Dieser junge Mann namens Pedro Acosta, der als 19-Jähriger aus der Moto2-Klasse kam und der aussieht ein Küken, das gerade aus dem Ei geschlüpft ist, dieser junge Mann hat es geschafft, uns die Freude zurückzugeben“, schwärmt Poncharal. „Es macht einfach unglaublich Spaß und ich empfinde großen Stolz. Seit er auf diesem Motorrad sitzt, sagt er immer wieder, dass es ein fantastisches Motorrad ist und er keine Schwächen an diesem Motorrad erkennen kann.“

„Und seitdem“, so der Tech3-Teamchef weiter, „haben wir keine Angst, es mit den anderen Herstellern, ganz gleich welche es sind, aufzunehmen. Die Motivation ist einfach riesig, und zwar nicht nur im Tech3-Team, wo wir ungefähr 50 bis 60 Leute sind, sondern in der gesamten Pierer Mobility Group. Dieser junge Mann hat es geschafft, das Leben all dieser Leute zu verändern“.

Manchmal muss sich Poncharal selber kneifen, um zu glauben, was Acosta auf der RC16 leistet. „Es ist einerseits fast schon witzig. Vor allem aber ist es magisch“, schwärmt der 67-Jährige, für den das Fahrerlager der Motorrad-WM seit fast fünf Jahrzehnten das berufliche Zuhause ist. „Man kann es sich einfach nicht erklären. Du kannst noch so viele Ressourcen, noch so viel Geld haben. Du kannst die besten Ingenieure im Team haben. Aber wenn du den richtigen Fahrer nicht hast, dann bist du verloren“, weiß er.

„Und genau das ist es, weshalb ich den Motorradrennsport so liebe. Klar, das technische Paket ist sehr wichtig. Aber selbst mit dem besten technischen Paket wirst du nichts Großes erreichen, wenn du nicht den Fahrer hast, der es umsetzen kann. Deshalb liebe ich diesen Sport so sehr, weil der Mensch im Zentrum von allem steht“, erklärt Poncharal.

Neuanfang für Tech3 im Jahr 2025 mit Bastianini und Vinales
Was die Zukunft betrifft, so ist diese mittlerweile sowohl für Pedro Acosta als auch für das Tech3-Team festgezurrt. Man wird sich trennen, hat aber beidseitig hervorragende Aussichten. Acosta fährt ab 2025 im KTM-Werksteam, nämlich als Teamkollege von Brad Binder und somit als Nachfolger von Jack Miller, für den im MotoGP-Programm der Pierer Mobility Group kein Platz mehr ist.

Und was Tech3 betrifft, so steht man trotz des bevorstehenden Acosta-Abschieds vor einem vielversprechenden Neuanfang. Erstmals seit 2021 wird man keinen Rookie im Team haben. Stattdessen wurden zwei Routiniers mit großen Namen unter Vertrag genommen: Enea Bastianini und Maverick Vinales. In der Kombination beider Piloten ist es auf dem Papier eines der schlagkräftigsten Fahrerduos, die das Team jemals hatte.

Ob Herve Poncharal seinem Stern Pedro Acosta nachtrauern wird? „Das Wichtigste ist es, dass wir Pedro innerhalb des Projekts der Pierer Mobility Group halten“, sagt der Tech3-Teamchef und fügt hinzu: „Und ich kann ihn zumindest ein Jahr lang behalten.“

Text von Mario Fritzsche, Co-Autor: Gerald Dirnbeck

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