(Motorsport-Total.com) – Nachdem es bei der Superbike-WM in Magny-Cours bereits am Samstag dramatisch zuging, sollte der Sonntag noch einmal für reichlich Emotionen sorgen.
Im zweiten Rennen gerieten Jonathan Rea (Kawasaki) und WM-Leader Alvaro Bautista (Ducati) aneinander.
Bautista kam zu Sturz und unterstellte Rea, den Zwischenfall absichtlich herbeigeführt zu haben. Rea bewertete den Vorfall als Rennunfall und ärgerte sich über die Kommentare aus dem Lager von Ducati.
Bautista hat sich beim Sturz glücklicherweise nicht verletzt und kann somit in zwei Wochen wieder auf seine Ducati Panigale V4R steigen. Es hätte aber auch anders ausgehen können. „Mir geht es zum Glück gut. Ich habe mich nicht verletzt. Ich rutschte unter das Motorrad, als ich in Richtung Kiesbett schlitterte. Ich habe Glück, dass ich mir nichts verdreht oder gebrochen habe. Was wäre passiert, wenn ich mir etwas gebrochen hätte?“
„Das Manöver war über dem Limit“, beschwert sich Bautista und unterstellt Rea Absicht: „Es war in meinen Augen kein Rennunfall. Jonathan machte das bewusst gegen mich. So etwas ist nicht akzeptabel – von keinem Fahrer, vor allem nicht von einem Champion, wie er es ist.“
Alvaro Bautista kritisiert die Strafe der Rennleitung
In der Meisterschaft büßte Bautista 25 Punkte auf Toprak Razgatlioglu ein, der das Rennen gewann. Und auch Jonathan Rea machte einige Punkte gut, denn als Fünfter ging er im Gegensatz zu Bautista nicht leer aus. „Für die Meisterschaft ist es richtig gut (lacht; Anm. d. Red.)“, scherzt Bautista.
„Es ist aber merkwürdig, dass die Rennleitung ihm eine Long-Lap-Penalty aussprach. Das reicht meiner Meinung nach nicht aus. Ich wurde aus dem Rennen gerissen und er kam auf der fünften Position ins Ziel. Das ist nicht fair. Ich mache aber nicht die Regeln“, bemerkt der Spanier. Was wäre die richtige Strafe gewesen? „Die schwarze Flagge wäre gerecht gewesen. Doch ich entscheide das nicht“, so Bautista.
„Beim nächsten Mal werde ich vorsichtiger sein“, erklärt Bautista. „Doch bei so einem Manöver kann ich eigentlich nichts machen. Ich kann bei so einem Manöver den Sturz nicht verhindern. Das ist unmöglich. Doch ich werde noch vorsichtiger sein, wenn ich mit ihm kämpfe“, kommentiert der Ducati-Pilot und fügt hinzu: „Er fährt manchmal etwas schmutzig.“
Dass Rea bewusst einen Sturz provozierte, ist für Bautista klar: „Es war offensichtlich, dass er absichtlich in meine Richtung fuhr. Es ist ein Problem, wenn solche Manöver akzeptiert werden. Er weiß sehr genau, was er getan hat. Er hat das erreicht, was er erreichen wollte. Es gibt nichts, was ich mit ihm besprechen muss.“
Harte Anschuldigungen aus dem Lager von Ducati
Nach dem kontroversen Rennen äußerte sich auch Ducati-Technikdirektor Marco Zambenedetti zum Vorfall in Kurve 13. „Wir sind der Meinung, dass das Manöver von Jonathan Rea Absicht war. Es war kein gutes Vorbild und entsprach nicht dem Geist dieser Meisterschaft“, kritisiert der Italiener.
Laut Ducati ist Reas Verhalten kein gutes Vorbild für die jungen Fahrer. „Es war nicht notwendig“, ärgert sich Marco Zambenedetti und beanstandet die Long-Lap-Penalty: „Die Strafe, die von den Stewards ausgesprochen wurde, entsprach nicht der Schwere des Manövers.“
„Unterm Strich konnte der Fahrer noch Punkte für die Meisterschaft sammeln, nachdem er mit einem sehr gefährlichen Manöver einen unserer Fahrer aus dem Rennen riss. Das ist etwas, das ich von einem sechsmaligen Weltmeister nicht erwarte“, bemerkt der Ducati-Technikdirektor.
Ducati überlegt, einen Protest einzulegen
Wird Ducati weitere Schritt einleiten? „Wir überlegen, wie wir am besten vorgehen“, lässt er offen, ob Ducati Protest gegen das Endergebnis von Lauf zwei einlegt. „Rennen können natürlich gefährlich sein, sollten aber fair bestritten werden“, fordert der Technikdirektor von Ducati.
Am Ende kann sich der Ducati-Ingenieur einen Seitenhieb gegen Kawasaki nicht verkneifen: „Es wäre besser, wenn sie intern arbeiten und ihrem Fahrer ein besseres Paket bereitstellen, damit er nicht so fahren muss. Es war gefährlich und kein gutes Vorbild für die jungen Fahrer.“
Marco Zambenedetti wird auch auf das Verhalten von Rea vom Samstag angesprochen, als er nach dem Sturz und der Reparatur an der Box mit Rundenrückstand aggressiv durch das Feld pflügte und die Rennen anderer Fahrer beeinträchtigte.
„Er wollte Informationen für das Rennen am Sonntag sammeln. Deshalb fuhr er erneut auf die Strecke. Doch ehrlich gesagt ergibt es keinen Sinn, andere Fahrer zu stören, die ihr Rennen fahren. Er muss sich da raushalten und sein Rennen fahren, um seine Daten zu sammeln“, kritisiert der Ducati-Technikdirektor.
Ducatis Anschuldigungen laut Jonathan Rea „respektlos“ und „unreflektiert“
Die Anschuldigung, dass Rea bewusst einen Sturz verursacht hat, sorgt beim Rekord-Weltmeister für Entsetzen. „Das ist eine ziemlich unreflektierte und respektlose Aussage“, kommentiert Rea. „Wenn jemand in einer hohen Position behauptet, dass es Absicht war, dann ist das nicht besonders schlau.“
„Die Rennleitung hat deutlich härtere Strafen im Laufe eines Rennens zur Auswahl, wie zwei- oder dreifache Long-Lap-Penaltys oder die schwarze Flagge. Dann ging es auch noch Durchfahrtsstrafen. Es war ein Rennunfall“, stellt Rea seine Sichtweise klar.
„Jeder kann seine Meinung haben. Es ist schade, dass sie so denken. Vielleicht kochen die Emotionen etwas über. Doch das kann im Rennsport passieren. Wir fahren sehr hart“, erklärt der Kawasaki-Werkspilot. „Ich kann es nicht rückgängig machen. Ich kämpfe hart um meine Positionen. Es war ein Rennunfall, für den ich eine Strafe erhielt.“
Jonathan Rea wollte Toprak Razgatlioglu nicht entkommen lassen
Doch wie kam es zu der kontroversen Szene in Kurve 13? „Ich sah, wie Toprak entkommt. Ich wollte innen (an Bautista) vorbei, doch er kehrte auf seine Linie zurück. Wir berührten uns. Ich war am Kurveneingang am Limit, doch ich schoss nicht mit Überschuss in die Kurve. Ich traf meinen Kurvenscheitel. Er kam leider zu Sturz, was mir sehr leid tut. Das war nicht mein Ziel“, betont Rea.
„Ich hatte keine böse Absicht. Nach dem Rennen kochten die Emotionen über und es klang, als hätte ich es bereits vor der Kurve geplant. Doch ich dachte in Kurve 12 nicht, dass ich ihn zu Sturz bringe. Überhaupt nicht. So fahre ich nicht. Ich zog nach innen, platzierte mein Motorrad und leider gab es Kontakt“, schildert Rea seine Sicht der Dinge.
„Ich musste eine Long-Lap-Penalty absolvieren und wusste nicht, was los ist. Danach war es ein einsames Rennen, weil ich so weit zurücklag“, berichtet Rea, der als Fünfter ins Ziel fuhr. Die Vorstellung, dass Ducati gegen das Ergebnis protestiert, irritiert Rea: „Gegen was wollen sie protestieren? Wegen einem Rennunfall?“
„Alvaro fährt auch sehr hart“, bemerkt Rea und erinnert an das Superpole-Rennen: „Alvaro touchierte Toprak am Vormittag mit seinem Flügel. Ein Millimeter mehr, er hätte die Bremse getroffen und wäre gestürzt. Im Rennsport auf WM-Niveau gibt es nicht viel Raum für Fehler. Doch es wird bald Schnee von gestern sein und wir schreiben in Barcelona neue Geschichten.“
Text von Sebastian Fränzschky, Co-Autor: Loranza D’Adderio
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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