Cal Crutchlow konnte einem nach dem Großen Preis von Argentinien fast leid tun.
Hatte der Brite aus dem LCR-Honda-Team souverän seinen ersten Sieg dieser MotoGP-Saison eingefahren und sich damit an die Spitze der WM-Wertung katapultiert, waren alle Augen auf die folgenschwere Kollision zwischen Weltmeister Marc Marquez (Honda) und Yamaha-Star Valentino Rossi gerichtet. Crutchlow machte aus seinem Ärger darüber keinen Hehl.
„Wo sind all die Medien?“, fragte der Brite in der Pressekonferenz nach dem Rennen zynisch. „Es scheint zu wenig Respekt für die Show zu geben, die wir hier gezeigt haben. Sie sind wohl auf der Suche nach einer anderen Schlagzeile, aber die Schlagzeile sitzt hier. Wir drei auf dem Podium haben heute alles gegeben, für unsere Teams, für uns selbst. Das ist einfach respektlos.“
All die Journalisten, die die PK der Top 3 lieber schwänzten, um stattdessen vor den Garagen von Rossi und Marquez auf deren Statements zu warten, brauchten in diesem Jahr auf keiner seiner eigenen Medienrunden mehr aufkreuzen, schob Crutchlow noch hinterher. Das hat gesessen! Den Anwesenden gab der Brite dann aber doch noch ein persönlichen Resüme seiner Triumphfahrt im Chaos-Rennen von Termas de Rio Hondo.
Cal Crutchlow in Lauerstellung zum Sieg
Denn anders als so mancher Mitstreiter ließ sich der LCR-Honda-Pilot weder von der Verwirrung am Start noch den schwierigen Bedingungen auf der Strecke aus dem Konzept bringen. „Ich wusste, dass ich an diesem Wochenende gewinnen oder zumindest Zweiter werden könnte, egal ob im Trockenen oder Nassen“, erklärt Crutchlow seine innere Ruhe, die ihm im Kampf mit Johann Zarco (Tech-3-Yamaha) und Alex Rins (Suzuki) zum Sieg verhalf.
„Ich bin kein Risiko eingegangen und blieb lange in der vierten Position“, rekapituliert der Rennsieger. „Mein Vorderreifen war viel zu weich für mich, er war etwa zwei Stufen weicher als der Reifen, den wir im vergangenen Jahr hier fuhren. Ich hatte zu Beginn mit dem vollen Tank viel Bewegung im Motorrad, vor allem auf der Bremse. Doch ich versuchte, ruhig zu bleiben und den Anschluss nach vorn zu halten.“
Crutchlow erklärt: „Ich habe auch viele verschiedene Linien im Nassen gewählt, weil ich im Falle eines Sturzes durch einen anderen nicht aus dem Rennen genommen werden wollte.“ Einige Male wäre er über das Hinterrad fast selbst gestürzt, habe es aber kontrollieren können. Die Attacke auf die Spitze hatte der Brite dabei immer im Hinterkopf und war sich seiner Sache sicher.
Lob für den neuen Honda-Motor
„Ich wusste, dass ich es am Ende des Rennens an ihnen vorbei schaffen konnte und ich wusste auch, wo ich sie passieren konnte und wo nicht“, erklärt Crutchlow, der zunächst von einem Fehler durch Jack Miller (Pramac-Ducati) profitierte und in der vorletzten Runde schließlich an Zarco vorbeiging. Der Sieg war ihm damit nicht mehr zu nehmen. „Diese Kerle sind sehr gut gefahren“, goutierte er die Leistung seiner Konkurrenten im Anschluss.
Für Honda war Crutchlows insgesamt dritter Sieg in der Königsklasse gleichzeitig der 750. in der Grand-Prix-Geschichte des japanischen Herstellers. „Wir haben einen guten Job gemacht, mein Team hat den ganzen Winter in der Vorsaison fantastisch gearbeitet“, lobt der LCR-Pilot seine Crew. „Und auch Honda hat einen großartigen Job mit dem Motor gemacht, also müssen wir meinem Team und ihnen für diesen Sieg Anerkennung zollen.“
Crutchlows Teamchef Lucio Cecchinello gab das Lob an seinen Fahrer zurück. Im Gespräch mit ‚BT Sport‘ schwärmte er: „Es war ein grandioses Rennen. Jeder sah, dass Cal sehr, sehr clever gefahren ist und das Rennen kontrolliert hat. Er setzte die Attacke genau im richtigen Moment. In den letzten Runden kühlte er außerhalb des Windschattens den Vorderreifen. Es war wirklich gute Arbeit.“
Lucio Cecchinello über mögliche Titelchance
Seine Sorge, dass Zarco in der letzten Kurve noch ein waghalsiges Manöver starten und Crutchlow den Sieg noch verlieren könnte, bestätigte sich nicht. Als dieser die Ziellinie als Erster überquerte, sei das „einer der größten Momente in meinem Leben“ gewesen, betont Cecchinello. Der LCR-Honda-Teamchef arbeitet seit 2015 mit Crutchlow zusammen und sieht eine positive Entwicklung in den gemeinsamen Jahren.
„Zuallererst hat er mehr Erfahrung. Zweitens glaube ich, dass wir alle gut daran getan haben, unser Projekt für ein paar Jahre zusammenzuhalten, dies ist das vierte Jahr und da geht natürlich alles reibungsloser. Wir verstehen uns schneller, vor allem die Zusammenarbeit zwischen den Ingenieuren läuft sehr gut, wir bauen Schritt für Schritt unsere Leistungen auf und hier sind wir“, freut sich Cecchinello über die Fortschritte.
Mit 38 Punkten ist Crutchlow nach zwei Saisonrennen sogar WM-Führender – und damit der erste Brite seit Barry Sheene im Jahr 1979, der das geschafft hat. Ob er auch den Titel gewinnen kann? „Die Meisterschaft ist lang und jeder weiß, dass es Marc Marquez gibt, der ein wirklich talentierter Fahrer ist“, urteilt Cecchinello. „Hier haben wir unsere Chance genutzt. Ich glaube, dass wir um die ersten drei Plätze kämpfen können. Um den Titel? Wer weiß…“
Text von Juliane Ziegengeist
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